# taz.de -- Protest von Flüchtlingen: „Wir erpressen niemanden“ | |
> In Kreuzberg wollten sich Flüchtlinge vom Dach stürzen, in Nürnberg | |
> stellten Asylsuchende jetzt das Trinken ein. Der Afghane Naquid Hakimi | |
> über Suizid-Drohungen. | |
Bild: Abgeführt: Flüchtlinge in Nürnberg. | |
Seit dem 5. Juni haben Flüchtlinge aus Afghanistan, Iran, Irak Äthiopien | |
und Pakistan ein Protestlager in der Nürnberger Innenstadt errichtet. Am | |
vergangenen Donnerstag besetzten sie das Gelände des Bundesamts für | |
Migration und Flüchtlinge (BAMF), dessen Chef ließ sie von der Polizei am | |
folgenden Tag räumen. Seitdem sind 16 von ihnen in Hungerstreik, seit | |
Dienstagfrüh haben sie auch das Trinken eingestellt. Am Mittwochmittag, | |
kurz nachdem dieses Interview geführt wurde, kollabierten die ersten und | |
wurden ins Krankenhaus eingeliefert. Andere Flüchtlinge aus Nürnberg, die | |
an der Aktion im BAMF beteiligt waren, kamen nach Berlin und besetzten am | |
Mittwoch den Fernsehturm am Alexanderplatz. | |
taz: Herr Hakimi, Asylsuchende in Deutschland drohen bei ihren Protesten | |
mit Suizid: In der vergangenen Woche kündigten Bewohner der besetzten | |
Schule in Berlin-Kreuzberg an, sich im Fall einer Räumung vom Dach zu | |
stürzen, mehrfach traten Asylsuchende in trockenen Hungerstreik – so wie | |
nun ihre Gruppe in Nürnberg. Das empfinden manche als Erpressung. Was sagen | |
Sie dazu? | |
Naquid Hakimi: Es handelt sich nicht um eine Erpressung oder Drohung. Wir | |
bedrohen niemanden. Mit dem Hungerstreik mache ich nur meinen eigenen | |
Körper kaputt, sonst nichts. Der Staat oder die Gesellschaft erleiden | |
keinen Schaden, sie verlieren nichts. Ich muss später mit einer möglichen | |
Krankheit leben oder ich sterbe womöglich. Es ist das Gegenteil von einer | |
Drohung. Wir versuchen uns nur zu verteidigen, in einer für uns fast | |
ausweglosen Lage. Aber nicht mit Waffen oder mit Steinen, sondern mit | |
unserem eigenen Körper. | |
Sehen Sie keine andere Möglichkeit, für Ihre Rechte zu kämpfen, als Ihr | |
Leben aufs Spiel zu setzen? | |
Die Lage ist für uns ähnlich, wie sie sicher auch für die Flüchtlinge in | |
der Berliner Schule war: Irgendwann sieht man keine andere Möglichkeit | |
mehr, sich anders zu helfen. Mein Antrag wurde abgelehnt, ich habe dagegen | |
erfolglos geklagt. Wir haben Demos gemacht; ein Protestzelt errichtet, dem | |
Bundesamt Briefe geschrieben. Aber wir wurden immer ignoriert. Wir haben | |
keinerlei Perspektive. Es fühlt sich an, als sei man ein Tier, das irgendwo | |
in einem Stall lebt, dem man Essen und Trinken gibt, das man aber nicht | |
hinauslässt. | |
Was fordern Sie? | |
Seit drei Jahren kämpfe ich um ein Aufenthaltsrecht. Ich kann nicht nach | |
Hause und auch nirgendwo anders hin. Die Ablehnung wurde vom Gericht | |
bestätigt, das ist wie eine Mauer. Ich bin 21 Jahre alt, ich muss endlich | |
anfangen, eine Ausbildung zu machen. Ich will eine richtige Zukunft und | |
nicht abhängig von jemandem sein. | |
Sie haben sich mehrfach an den Präsidenten des Bundesamts, Manfred Schmidt, | |
gewandt. Was täten Sie an dessen Stelle? | |
Herr Schmidt könnte mit uns reden, das hat er nicht getan. Deutschland kann | |
nicht die ganze Welt aufnehmen, das verlangt auch niemand. Es kann aber zu | |
denen, die kommen, „Willkommen“ sagen, als ein offenes Land. | |
9 Jul 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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