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# taz.de -- Berliner Bischof über Flüchtlingspolitik: „Die Protestierenden …
> Die Flüchtlingsproteste gehen weiter. Der Berliner Bischof Dröge sucht
> das Gespräch mit der CDU, denn die Leute in den Gemeinden seien
> erschöpft.
Bild: Demonstration auf dem Hermannplatz in Berlin zur Unterstützung der Flüc…
taz: Herr Bischof Dröge, noch nie gab es so einen massiven Protest von
Menschen, die in Deutschland um ein Aufenthaltsrecht ansuchen. Wie
beurteilen Sie den hiesigen Umgang mit Flüchtlingen?
Markus Dröge: Wir haben uns in der letzten Zeit sehr darum bemüht und tun
es nach wie vor, Flüchtlingen zu helfen. Die Pfarrer und Pfarrerinnen
hatten zum Beispiel einen guten Kontakt zu den Menschen in der
Gerhart-Hauptmann-Schule, haben ihnen Essen gebracht und mitbekommen, in
welch angespannter psychischer Situation sich diese befinden. Sie haben den
Mut der Verzweiflung. Leider ist aber nicht gelungen, ihnen klarzumachen,
dass ihre Forderungen in großen Teilen unrealistisch sind. Ich rate den
Flüchtlingen daher, sich auf einen Kompromiss einzulassen, wie er für die
Protestierenden vom Berliner Oranienplatz gefunden wurde.
Die evangelische Kirche des Landes Berlin ist also für die
Einzelfallprüfung?
Ja. Hier bieten Diakonie und Caritas auch Rechtsberatung an. Entsprechend
fordern wir von den Senatoren, dass die Ausländerbehörde die Termine so
ansetzen, dass eine solche Beratung mit der notwendigen Sorgfalt
stattfinden kann. Bisher ist es leider so, dass zu viele Flüchtlinge zu
kurzfristig von den Innenbehörden einbestellt werden.
Die Aktivisten vom Oranienplatz erhalten nach Auskunft der an den
Verhandlungen beteiligten Anwältin Berenice Böhlo jetzt ihre
Abschiebebescheide. Der Kompromiss war demnach keiner.
Deshalb fordern wir eine vernünftige Terminierung der Anhörungen, damit wie
gesagt eine Rechtsberatung stattfinden kann. Wenn es jetzt nur zu
Ablehnungen kommt, zeigt das ja, dass diese offensichtlich gefehlt hat.
Haben Sie um einen Termin bei Innensenator Henkel angesucht?
Wir sind im Gespräch. Und ich sage: Nur eine gewissenhafte Prüfung des
Einzelfalls kann Vertrauen schaffen. Es können triftige Gründe vorliegen,
dem Asylantrag stattzugeben oder auch nicht. Gibt es aber überhaupt keine
positiven Bescheide, ist dies nicht vertrauenswürdig und die Situation in
Berlin wird kaum gelöst werden.
Sie sagen auch, die Hilfe für Flüchtlinge sei eine Bürgerpflicht. Wie kann
die Kirche die vorsichtig wachsende Solidarität mit Menschen auf der Flucht
stärker unterstützen?
Die Gemeinden sind bereits sehr nah an den Flüchtlingen. Denn das ist unser
eigentlicher Auftrag: den Menschen, die sich integrieren wollen, konkret zu
helfen, sofern sie sich hier integrieren wollen.
Sie sehen also keinen weiteren Handlungsbedarf?
Keinen prinzipiell anderen. In den Medien geht es ja vor allem um den
politischen Protest.
Können Sie diesen nachvollziehen?
Grundsätzlich fordert die Kirche eine andere Flüchtlingspolitik. Aber man
kann nicht anhand von dramatischen Einzelfällen eine Gesamtproblematik
lösen. Wir können uns nicht einlassen auf Flüchtlinge, die mit ihrem Tod
drohen.
Womit sollen Menschen, die keine Bürgerrechte haben, denn drohen, wenn
nicht mit ihrem eigenen Leben?
Wir können nicht an allen Verfahren vorbei Probleme lösen. Es ist auch
problematisch, wenn Einzelne durch eine Protestaktion bevorzugt behandelt
werden, während 8.000 Menschen in Berlin auf ihr Verfahren warten.
Sie teilen also die Einschätzung der Innenverwaltung, dass es sich bei den
Protesten um eine Erpressung handelt?
Ich würde das Wort Erpressung nicht benutzen. Denn es geht um existenzielle
Notlagen. Deshalb helfen wir ihnen ja auch. Aber die Suizidandrohung kann
nicht zu einem generellen Mittel zur Lösung von Problemen werden.
Das Argument, das sich hier meist anschließt, ist das vom Dammbruch: Sind
wir barmherzig, kommen sie alle zu uns. Was antworten Sie darauf?
Man muss zukünftig verhindern, dass durch Schlepper immer mehr Menschen mit
unrealistischen Hoffnungen kommen. Deswegen brauchen wir eine klare und
offenere Einwanderungspolitik. Das große Problem im Moment ist doch, dass
unrealistische Erwartungen zu einer Zuspitzung des Problems führen.
Man könnte auch sagen, das große Problem sind unerträgliche
Existenzbedingungen.
Langfristig geht es darum, dass Menschen nicht mehr zur Flucht getrieben
werden. Niemand verlässt seine Heimat, wenn er dort leben kann. Wir müssen
also in der Entwicklungspolitik sehr viel stärker werden und auch
befriedend weltweit in Konflikte eingreifen. Darin sehen wir als Kirche den
nachhaltigen Auftrag. Die dramatischen Einzelschicksale, mit denen wir es
in Berlin zu tun haben, machen uns darauf aufmerksam.
Nun hat der Bundestag gerade die weitere Aushöhlung des Rechts auf Asyl
beschlossen. Welchen Spielraum hat die Kirche, auf Christdemokraten
einzuwirken?
Wir können keine Politik bestimmen, sondern nur auf vorhandene Probleme
aufmerksam machen. Wir als Kirche haben ein besonderes moralisches Recht
dazu, weil unsere Leute in den Gemeinden zum Teil bis an die Grenze der
Erschöpfung versuchen, den Flüchtlingen zu helfen. Mit der Berliner CDU
haben wir jetzt vereinbart, dass es einen flüchtlingspolitischen
Arbeitskreis geben soll, der zweimal pro Jahr tagt. Das ist ein echter
Fortschritt.
Sind auch bundesweite Aktionen geplant?
Wir haben bereits ein sehr gutes bundesweites Hilfsnetz. Aber uns ist jetzt
deutlich geworden, dass wir die politische Bewusstseinsbildung verstärken
müssen, natürlich bundesweit, und unsere politischen Forderungen noch
stärker zu Gehör bringen.
Der Berliner Therapeut Dietrich F. Koch begleitet Folteropfer und hat
gesagt: „Menschen auf der Flucht geben uns die Möglichkeit, wieder ein
höheres Maß an Menschlichkeit zu erreichen.“ Stimmen Sie dem zu?
Sie machen uns auf die weltweiten Menschenrechtsprobleme aufmerksam.
Müssen wir den Protestierenden dann nicht dankbar sein, dass sie uns
aufrütteln?
Die Protestierenden wecken uns auf aus dem Schlaf, dass wir nicht wissen,
was weltweit los ist. Aber die Art und Weise des aktuellen Protestes finde
ich dennoch höchst problematisch, wenn ich auch ihre Gewissensentscheidung
respektieren muss.
In CDU-Kreisen heißt es oft, dass Deutschland vor allem christlichen
Hilfebedürftigen helfen sollte. Ist das richtig?
Wenn die Kirche weltweit Hilfe leistet, unterscheidet sie nicht zwischen
Christen und Nichtchristen. Wir vertreten einen Menschenrechtsansatz.
Christen fliehen aus ihren Ländern, weil die Menschenrechtssituation dort
katastrophal ist. Aber für alle Menschen! Damit Christen dort bleiben
können, braucht es eine funktionierende Zivilgesellschaft für alle. Wir
wissen ganz genau, dass die meisten Probleme sich nicht aufteilen lassen in
religiös oder nichtreligiös, sondern dass es sich im Wesentlichen um
soziale und politische Fragen handelt.
11 Jul 2014
## AUTOREN
Ines Kappert
## TAGS
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