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# taz.de -- Oranienplatz-Flüchtlinge: Die Allerletzten in der Schlange
> Der Senat verweigert den Flüchtlingen vom Oranienplatz reguläre
> medizinische Hilfeleistungen – obwohl sie laut Gesetz einen Anspruch
> darauf hätten.
Bild: Nur als Ehrenamt: ein Arzt untersucht einen Flüchtling vom Oranienplatz.
Einmal die Woche bietet Thea Jordan eine Sprechstunde in der Unterkunft
Gürtelstraße in Friedrichshain an, in die ein Großteil der ehemaligen
Oranienplatz-BewohnerInnen nach der Räumung des Camps Anfang April umzog.
Die pensionierte Ärztin untersucht dort die Flüchtlinge und vermittelt sie,
falls nötig, zur Behandlung an andere Ärzte. Das Problem: Die Flüchtlinge
sind nicht krankenversichert, auf üblichem Weg ist eine Behandlung also
nicht möglich.
Eigentlich hat jeder Asylbewerber in Deutschland, unabhängig von seinem
aufenthaltsrechtlichen Status, Anspruch auf medizinische Versorgung.
Geregelt wird das im Asylbewerberleistungsgesetz. Der Anspruch der
ehemaligen Oranienplatz- und Schulbewohner auf Leistungen nach diesem
Gesetz wurde im "Einigungspapier Oranienplatz", ausgehandelt zwischen einer
Gruppe Flüchtlinge und Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) noch einmal
schriftlich festgehalten. Leistungen in Form von Unterbringung und
finanziellen Zuwendungen erhalten die Flüchtlinge seitdem auch wie
vereinbart vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) - für die
medizinische Versorgung gilt das jedoch nicht.
##
Die Lösung besteht momentan aus Menschen wie Jordan, die ehrenamtlich
medizinische Beratungen anbieten, und aus vereinzelten Ärtepraxen, die die
Menschen auch ohne Krankenversicherung behandeln - ebenfalls ehrenamtlich.
Zusätzlich gebe es mit den Vivantes-Kliniken noch eine Regelung, dass diese
ab 20 Uhr in der Notfallsprechstunde auch Flüchtlinge ohne Versicherung
akzeptieren, sagt Jordan.
"Eine dauerhafte Behandlung, gerade bei chronischen oder psychischen
Erkrankungen, ist aber auch mit diesen Notlösungen unmöglich." Mit
KollegInnen protestierte sie in einem offenen Brief an den Senat dagegen,
eine Reaktion gibt es bisher nicht.
"Völlig absurd" nennt Martina Mauer vom Flüchtlingsrat diese Situation. "Es
geht hier ja nicht um ein BVG-Ticket oder ähnliches, sondern um das
Menschenrecht auf Gesundheit". Das LaGeSo müsse dringend gewährleisten,
dass die Flüchtlinge auch über den akuten Notfall hinaus medizinische
Versorgung in Anspruch nehmen können.
Doch im LaGeSo fühlt man sich nicht zuständig. "Diese Flüchtlinge sind bei
uns nicht registriert und erhalten deshalb auch keine Krankenscheine", sagt
eine Sprecherin. In der Senatsverwaltung für Gesundheit, der das LaGeSo
unterstellt ist, ist die Haltung klar: "Die Leistungen, die diese
Flüchtlinge bekommen, sind freiwillig", sagt Sprecherin Constance Frey mit
Blick auf die Unterbringung und Geldzahlungen. Diese Leistungen würden nur
"analog zum Asylbewerberleistungsgesetz", einen rechtlichen Anspruch hätten
die Flüchtlinge damit nicht.
Die Krankenkosten könnten erst übernommen werden, "wenn sich die
Flüchtlinge in ein reguläres Asylverfahren begeben". "Eine
Notfallversorgung wird gewährleistet", sagt Frey, "darüber hinaus ist das
Anliegen des Senats, die Einzelfallprüfungen möglichst schnell
abzuschließen und zu klären, welche Ansprüche bestehen und welche Träger in
Frage kommen".
Georg Classen, ebenfalls vom Flüchtlingsrat, sieht das anders: "Die
Oranienplatzflüchtlinge sind eindeutig nach Asylbewerberleistungsgesetz
leistungsberechtigt", sagt er, "das schließt die medizinische Versorgung
klar mit ein". Zu einem ähnlichen Schluss kam erst kürzlich ein Gutachten
des Juraprofessors Andreas Fischer-Lescano, in Auftrag gegeben von
Integrationssenatorin Monika Lüke. Nach diesem Gutachten ist Berlin
verpflichtet, die Zuständigkeit für die ehemaligen Oranienplatz-Bewohner zu
übernehmen, unter anderem deshalb, weil diese nachweislich und seit
längerer Zeit ihren "tatsächlichen Aufenthalt" in Berlin haben.
"Unsere Beraterinnen spiegeln uns, dass die medizinische Versorgung der
Flüchtlinge ein großes Problem ist", sagt auch Lena Högemann vom
Diakonischen Werk Stadtmitte, das Mitarbeiter des ebenfalls im
Einigungspapier vereinbarten Beratungspools stellt. Zwar gebe es ein großes
Netzwerk an ehrenamtlichen UnterstützerInnen wie Thea Jordan, "aber oft
reicht das einfach nicht aus". "Wir verbringen viel Zeit unserer Beratung
mit dem Versuch, Krankenfälle in Behandlung zu vermitteln", sagt Högemann.
Mehr als eine kurzfristige Lösung sei jedoch meist nicht möglich.
16 Jul 2014
## AUTOREN
Malene Gürgen
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Flüchtlingspolitik
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