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# taz.de -- Kritik an Senatorin Kolat: „Ich hätte mehr erwartet“
> Nach ihrem Einigungspapier zum Oranienplatz hat sich SPD-Senatorin Kolat
> aus der Verantwortung gezogen, kritisiert Aziz Bozkurt vom
> SPD-Landesvorstand.
Bild: Was bleibt nach dem Flüchtlingsprotest in der Hauptmann-Schule? Vor alle…
taz: Herr Bozkurt, nach der Einigung des Bezirks mit den Besetzern der
ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule hagelt es Kritik, vor allem an den
Grünen. Wer hat mehr Fehler gemacht: Senat oder Bezirk?
Aziz Bozkurt: Das ist eine gemeinschaftlich miserable Leistung, die wir da
geboten bekommen. Konkret sieht man auf Senatsseite eine Politik, die lange
nichts tut und dann, als die Sache eskaliert, auch noch Öl ins Feuer gießt.
Welches Öl meinen Sie?
Ich meine die Kommentare von Innensenator Henkel, in denen er den
berechtigten politischen Protest als Erpressung betitelte oder immer wieder
unnötig Druck auf die Verhandlungen ausübte und verlangte, dass man
„endlich zu Potte“ kommen müsse. Er fühlt sich offensichtlich nicht
verantwortlich. Sonst könnte sich auch nicht ein Polizeipräsident
hinstellen und Ultimaten stellen.
Aber das war doch mit Henkel abgesprochen, oder?
Aber selbst dann: Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe der Polizei ist, zu
sagen: Macht was, sonst ziehen wir ab. Der Innensenator hatte dafür wohl
nicht genug Mumm.
Und die Grünen?
Auch die agieren plan- und verantwortungslos. Es war ja nicht das erste
Mal, dass man wegen der Flüchtlinge die Polizei gerufen hat. Im November
wollte Bürgermeisterin Monika Herrmann schon mal den Oranienplatz räumen
lassen. Dann gab es eine Mobilisierung der Unterstützer, und die Grünen
sind zurückgerudert – genau wie dieses Mal. Und jetzt geht es ihnen primär
darum, ihr Image zu retten als „CSU von Kreuzberg“, wie es die Piraten so
schön formuliert haben.
Auch von Ihrer Partei hört man nichts – auch nicht von
SPD-Integrationssenatorin Dilek Kolat, die das Einigungspapier zum
Oranienplatz ausgehandelt hat. Warum ist sie so still?
Frau Kolat hat ja dankenswerterweise mit ihrem Einsatz dazu beigetragen,
dass der Oranienplatz nicht gewaltsam geräumt wurde. Das war der SPD aus
menschlicher Perspektive sehr wichtig – und für diesen Erfolg hat sich
Kolat ausgiebig feiern lassen. Aber schon damals gab es die Kritik, das
würde sie nur machen, um aus ihrem politischen Tief zu kommen. Das fand ich
zwar nicht, aber ihr Schweigen heute wirft die Frage auf, wie wichtig ihr
das Thema ist. Ich hätte mir von ihr deutlich mehr Engagement erwartet.
Warum lässt die SPD den Innensenator gewähren? Ist man im Stillen doch mit
Henkels harter Linie einverstanden?
Nein, es gibt deutlich unterschiedliche Visionen in punkto
Flüchtlingspolitik. Wenn man bei Herrn Henkel überhaupt von einer Linie und
Vision sprechen kann. Selbstkritisch muss ich als Sozialdemokrat aber
zustimmen, dass die SPD bei der Einflussnahme im Hintergrund mehr tun
könnte, um auf den Koalitionspartner einzuwirken. Vor allem könnte die
Verhandlerin Frau Kolat deutliche Worte finden. Es steht ja nicht alles in
dem Einigungspapier drin, was die Diskussionen während der Verhandlungen
geprägt hat. Sie war dabei und weiß, welcher Geist diese Vereinbarung
prägt. Den müsste sie deutlich machen.
Dann sollte Henkel also ein Bleiberecht aussprechen für die Gruppe? Die
Grünen sind da bekanntlich gespalten. Und die SPD?
Dazu gibt es keine öffentliche Positionierung. Wir als Arbeitsgemeinschaft
Migration und Vielfalt, die für diesen Politikbereich zuständig ist, sind
der Überzeugung, dass es auf jeden Fall eine Bleiberechtslösung geben muss.
Und der Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetzes gibt dazu rechtlichen Spielraum
auf Landesebene. Es geht also um die Frage, wie man das politisch
einschätzt oder gewillt ist: Gibt es ein politisches Interesse, den Einsatz
dieser Menschen zu würdigen, die unsere 20 Jahre brachliegende Asylpolitik
aufgewirbelt haben? Ich finde, ja. Wenn der Paragraf in diesem Fall nicht
gelten soll, in welchem dann?
Nach der Einigung zur Schule sagt der Senat jetzt, der Bezirk solle die
Kosten des Polizeieinsatzes bezahlen. Finden Sie das gerecht?
Das ist reiner Populismus. Es geht offensichtlich darum, in die Diskussion
über Flüchtlinge einen anderen Zungenschlag reinzubekommen, nach dem Motto:
Was die uns wieder kosten.
Was passiert mit den Leuten, die weiter in der Schule wohnen? Der Senat
erklärt, er sei für sie nicht zuständig, sie hätten das Oranienplatz-Papier
abgelehnt.
Noch so eine beschämende Diskussion. Das Einigungspapier besagt, dass man
die rechtliche Möglichkeit nutzen wird, Asylverfahren aus anderen
Bundesländern an sich zu ziehen. Das galt ebenso für die Bewohner der
Schule. Wenn sich Henkel weigert, das umzusetzen, was er selbst abgenickt
hat, dann lässt das an seiner Ernsthaftigkeit und seinem
Verantwortungsbewusstsein zweifeln. Jetzt muss der Senat etwas tun, er ist
in der Pflicht. Mit oder ohne Henkel.
13 Jul 2014
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Flüchtlinge
Kreuzberg
Refugees
Gerhart-Hauptmann-Schule
Dilek Kolat
Flüchtlingspolitik
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Asylrecht
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