# taz.de -- Protest gegen Tagebau in der Lausitz: 7.500 bildeten Anti-Kohle-Ket… | |
> Einwohner bedrohter Orte demonstrierten am Samstag gemeinsam mit | |
> Umweltaktivisten gegen die Erweiterung des Braunkohle-Tagebaus | |
> Welzow-Süd-II. | |
Bild: Gemeinsam gegen die Bagger: Die Demonstranten kamen aus der Nachbarschaft… | |
GROß-GASTROSE taz | Acht Kilometer liegen das deutsche Kerkwitz und die | |
polnische Gemeinde Grabice voneinander entfernt, getrennt durch den | |
Grenzfluß Neiße. Als Zeichen des Protests gegen die geplante Erweiterung | |
des Braunkohle-Tagebaus in der Lausitz wollte ein Bündnis aus | |
Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen eine Menschenkette über diese | |
Strecke bilden. | |
Seit März trafen sich die Kohle-Gegner der Klinger Runde mit dem BUND, | |
Greenpeace, Campact und weiteren Umweltgruppen um die Aktion zu | |
organisieren. Im Vorfeld hatte es oft Zweifel gegeben, ob es gelingen | |
würde, in der strukturschwachen Gegend die dafür notwendige Zahl von | |
Menschen zu mobilisieren. Ein Klimacamp in der Region war mit 100 | |
Teilnehmern schlecht besucht, zudem war Regenwetter angesagt. Doch am Ende | |
verbanden 7.500 Kohle-Gegner die beiden Grenzorte. | |
Susanne Neubronner, Sprecherin von Greenpeace, war begeistert von der | |
Resonanz: „Die Kette war geschlossen. Am Anfang gab’s ein paar Lücken, aber | |
zum Schluss kamen noch einige Busse aus Polen und damit wurde dann auch das | |
Ortsschild von Grabice erreicht.“ | |
Nicht nur Kohle-Gegner aus Deutschland und Polen fanden den Weg in die | |
Lausitz, um zu protestieren. Sogar aus Schweden, der Slowakei und Ungarn | |
rollten Busse an. Die Greenpeace-Aktivistinnen Bettina Rechel und Nóra | |
Csiscsely waren über Nacht aus Budapest angereist: „Wir wollen die Menschen | |
unterstützen, die hier leben.“ | |
Doch nicht alle Ortsansässigen kämpfen gegen den Tagebau. Neben dem | |
Medienzentrum im Feuerwehrhaus von Groß-Gastrose, dem letzten Dorf auf | |
deutscher Seite der Neiße, schaute ein Anwohner verständnislos auf eine | |
Gruppe von Kohle-Gegnern, die von Pressevertretern gefilmt und interviewt | |
wurden. Er zeigte der Menge einen Vogel, schüttelte den Kopf und verschwand | |
schnell hinter den grauen Mauern seines Hauses. Viele Bewohner der Region | |
arbeiten schon seit Jahrzehnten im Bergbau und hoffen, eine Erweiterung des | |
Tagebaus werde ihren Job sichern. Ein heikles Thema für die Parteien | |
Brandenburgs. Lediglich die Grünen unterstützen die Kampagne gegen die | |
Tagebau-Erweiterung. Für die Partei kamen unter anderem Simone Peter, Anton | |
Hofreiter und der politische Geschäftsführer Michael Kellner nach Kerkwitz. | |
## Teilnehmer in sorbischer Tracht | |
Kellner freute sich über die bunte Zusammensetzung der Teilnehmer. „Man | |
hört internationale Stimmen und dazwischen stehen Menschen in sorbischer | |
Tracht.“ Darin zeige sich bereits ein Umdenken in der Region „Vor zehn | |
Jahren haben die Anti-Kohle-Proteste noch gar keinen Widerhall in der | |
Bevölkerung gefunden. Heute sieht man viele Menschen aus den Orten hier. | |
Das ist wirklich etwas Neues. Die Leute realisieren: Kohle zerstört meine | |
Heimat, und was nützt mir ein Arbeitsplatz, wenn ich keine Heimat mehr | |
habe.“ | |
Unter den ortsansässigen Gegnern befand sich am Samstag auch Erhard Lehmann | |
aus Proschim. Er war 26 Jahre lang selbst im Bergbau tätig. Heute steht er | |
auf der Seite der Kohlegegner. „Ich habe in den Neunziger Jahren als | |
Bürgermeister dagegen gestimmt, dass Proschim dem Bergbau weicht. Daraufhin | |
musste ich meinen Arbeitsplatz räumen.“ Nach den Plänen von Vattenfall soll | |
Proschim im Rahmen der Tagebau-Erweiterung Welzow-Süd-II in den kommenden | |
Jahren umgesiedelt werden. Doch Lehmann bleibt optimistisch: „Ich bin dort | |
geboren und werde auch nicht umziehen. Es kommt kein Tagebau“. | |
Hinter Groß-Gastrose führte die Menschenkette durch die Neiße. Mitglieder | |
der Feuerwehr hatten sich Anglerhosen übergezogen oder standen in | |
Unterhosen im seichten Wasser. Sie trugen T-Shirts mit der Aufschrift | |
„Gegen Kohle mach' ich alles.“ Am polnischen Ufer hatte Campact aus grauen | |
Netzen einen „Kohlosaurus“ gebastelt, der Ortsschilder verschlang. | |
Plötzlich schwammen rot-weiße Gummi-Bälle durch den Fluss, beklebt mit | |
Sprüchen wie „Kein weiteres Dorf hält diese Abwanderung aus!“ – ein Gru… | |
von der Gewerkschaft für Bergbau, Chemie, Energie. | |
## Vattenfall gibt sich diplomatisch | |
Neubronner von Greenpeace tolerierte die Protestaktion: | |
„Gewerkschaftsmitglieder und Vattenfall-Mitarbeiter kämpfen für ihre | |
Arbeitsplätze und fühlen sich von den Gegnern bedrängt. Sie haben auch auf | |
der Strecke Plakate aufgehängt. Insgesamt ist es aber ein friedlicher | |
Dialog geblieben. Wir hoffen, zusammen mit den Menschen aus der Region ein | |
Konzept zu finden, wie der Strukturwandel gelingen kann.“ | |
Vattenfall hatte sich im Vorfeld diplomatisch geäußert. „Vattenfall begrü�… | |
eine offene Energiedebatte, die friedlich und demokratisch geführt wird. | |
Wir gehen davon aus, dass die Organisatoren bemüht sind, das Klimacamp und | |
die Menschenkette als Forum eines energiepolitischen Austausches in einer | |
friedlichen und verantwortungsbewussten Art und Weise durchzuführen“, hatte | |
Pressesprecherin Susann Thomanek am Freitag verlautbart. Weitere Kommentare | |
zur Menschenkette verweigerte das Unternehmen. | |
Dem oft angeführten Argument, die Kohle sichere Arbeitsplätze, entgegnete | |
Thomas Burchardt, Sprecher der Klinger Runde: „Dass etwas Arbeit sichert, | |
heißt noch lange nicht, dass es auch notwendig ist. Kinderarbeit sichert | |
auch Arbeitsplätze. Wir haben Leitlinien, unter welchen Bedingungen wir | |
leben möchten.“ | |
23 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Bianca Bär | |
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