| # taz.de -- Lobbyismus in der Bundesregierung: Offene Türen für Kohle-Fans | |
| > Die Chefs von RWE und Eon gehen auch unter Schwarz-Rot in den | |
| > Bundesministerien ein und aus. Erneuerbare Energien bleiben im Abseits. | |
| Bild: Braunkohlekraftwerk im brandenburgischen Jänschwalde | |
| BERLIN taz | Im vergangenen Jahr war es noch ein SPD-Abgeordneter, der sich | |
| über den „einseitigen Lobbyismus“ in der Energiepolitik aufgeregt hatte: | |
| Damals hatte eine Anfrage von Marco Bülow ergeben, dass unter der | |
| schwarz-gelben Regierung im Kanzleramt fast ausschließlich Vertreter der | |
| großen Energiekonzerne empfangen wurden. | |
| Doch daran hat sich durch die Regierungsbeteiligung der SPD nicht viel | |
| geändert: Auch im ersten halben Jahr der großen Koalition dominieren die | |
| Stromkonzerne RWE und Eon, die in Deutschland vor allem Kohle- und | |
| Atomkraftwerke betreiben, und ihr Dachverband BDEW weiterhin die | |
| energiepolitischen Kontakte der Bundesregierung. Das zeigt [1][die Antwort | |
| auf eine neue Anfrage,] die diesmal von der Linken-Abgeordneten Eva | |
| Bulling-Schröter gestellt wurde und die der taz vorab vorlag. Die | |
| energiepolitische Sprecherin der Linken hatte nach sämtlichen | |
| Lobby-Kontakten im Zusammenhang mit der Reform des | |
| Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gefragt. | |
| Den besten Draht zur Regierung hat demnach RWE-Chef Peter Terium, der | |
| innerhalb von sechs Monaten zehn Mal empfangen wurde. Dabei traf er drei | |
| Mal auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und vier Mal auf | |
| Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Auffällig oft vertreten ist auch | |
| der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), in dem vor | |
| allem konventionelle Stromversorger organisiert sind, die unter dem | |
| rasanten Wachstum der erneuerbaren Energien leiden und daher bei den | |
| Verhandlungen über das EEG auf eine Begrenzung des Ökstromausbaus drängten. | |
| Der BDEW hatte insgesamt 11 Termine mit Kanzlerin, Ministern und | |
| Staatssekretären. Wahrgenommen wurden sie zumeist von Geschäftsführerin | |
| Hildegard Müller, die als ehemalige Staatsministerin von Angela Merkel über | |
| einen kurzen Draht ins Kanzleramt verfügt. | |
| Mit jeweils sechs Gesprächen gut vertreten sind auch der Energiekonzern Eon | |
| und der Verband der Chemischen Industrie, der sich im Rahmen der | |
| EEG-Novelle intensiv für die Befreiung der energieintensiven Industrie von | |
| der Ökostromumlage eingesetzt hat. | |
| ## Linken-Abgeordnete übt Kritik | |
| Die Branche der erneuerbaren Energien, aus denen mittlerweile mehr als 25 | |
| Prozent des deutschen Stroms stammt, dringt weitaus weniger zur Regierung | |
| vor. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) bringt es auf vier | |
| Gespräche im Wirtschaft- und Umweltministerium, bei den Unternehmen aus der | |
| Branche liegt der Windrad-Hersteller Enercon mit zwei Terminen an der | |
| Spitze. Umweltverbände wurden im Wirtschaftsministerium bei drei Terminen | |
| empfangen. | |
| Die Linken-Abgeordnete Eva Bulling-Schröter übt scharfe Kritik an diesem | |
| Ungleichgewicht. „Auch mit einem SPD-Minister Gabriel hat sich an der | |
| Politik der Bundesregierung zugunsten der Kohle-Lobby nichts geändert“, | |
| sagte sie der taz. „Partikularinteressen gehen in der Großen Koalition | |
| weiter vor Transparenz.“ | |
| Das Wirtschaftsministerium weist diesen Vorwurf zurück. „Einen | |
| privilegierten Zugang einzelner Interessenvertreter“, schreibt | |
| Staatssekretär Rainer Sontowski in seiner Antwort auf die Anfrage der | |
| Linksfraktion, „kann die Bundesregierung nicht feststellen“. | |
| Streit gab es auch um den Umfang der Antwort. Die Regierung listet nur | |
| Termine von Kanzlerin, Ministern und Staatssekretären auf. Treffen von | |
| Lobbyvertretern mit einfachen Mitarbeitern offenzulegen lehnte das | |
| Wirtschaftsministerium mit der Begründung ab, dass diese nicht lückenlos | |
| dokumentiert würden und eine Veröffentlichung dem Persönlichkeitsrecht der | |
| Betroffenen widerspreche. Bulling-Schröder vermutet hinter der Weigerung | |
| hingegen ein anderes Motiv: „ParlamentarierInnen und WählerInnen sollen | |
| offenbar nicht erfahren, wer mit wem wirklich spricht und zu welchem | |
| Zweck“, sagte sie. | |
| Nicht glücklich mit der Antwort aus dem Hause seines Parteichefs Sigmar | |
| Gabriel ist auch der SPD-Abgeordnete Marco Bülow, der vor einem Jahr die | |
| schwarz-gelben Lobbykontakte kritisiert hatte. „Der Zugang der | |
| Umweltverbände hat sich schon etwas verbessert“, sagte er der taz. „Aber | |
| insgesamt würde ich mir da noch deutlich mehr Ausgewogenheit wünschen.“ | |
| 10 Sep 2014 | |
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| [1] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/024/1802469.pdf | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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