# taz.de -- Enercon und Gewerkschafter: Betriebsräte abgemahnt | |
> Der Windanlagen-Hersteller Enercon soll kritische Arbeitnehmervertreter | |
> schikanieren. In dem Streit geht es auch um eine Kündigung. | |
Bild: „Gewerkschaftstätigkeit ist für die Geschäftsleitung ein rotes Tuch�… | |
BERLIN taz | Wenn eine Geschäftsführung den Ruf ihres Unternehmens | |
beschädigen will, kann sie sich ein Beispiel am Windanlagen-Hersteller | |
Enercon in Aurich nehmen. Die dortigen Manager haben es geschafft, eine | |
breite Protestkampagne gegen die Firma zu provozieren, die bisher rund | |
17.000 Unterschriften erbracht hat. Kommunalpolitiker, Abgeordnete, | |
Gewerkschafter und Bürger wenden sich gegen „den aggressiven Druck auf | |
gewerkschaftlich aktive Beschäftigte“ durch Enercon. | |
Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben Marktführer beim Bau von | |
Windkraftwerken in Deutschland mit fast 50 Prozent. Weltweit betrage der | |
Marktanteil knapp 10 Prozent. Ohne die riesigen Enercon-Rotoren wären die | |
Energiewende und der Klimaschutz hierzulande noch längst nicht so weit, wie | |
sie es heute sind. | |
In einem merkwürdigen Gegensatz zu den modernen Produkten steht jedoch die | |
altertümliche Haltung der Firmenleitung. „Sie versucht, Mitbestimmung und | |
Betriebsratsarbeit zu unterdrücken, sobald dabei Kontakte zur Gewerkschaft | |
erkennbar sind“, sagt Petra Jentzsch, Sekretärin der Industriegewerkschaft | |
Metall. | |
Entzündet hat sich die Protestkampagne am Fall von Nils-Holger Böttger, dem | |
Vorsitzenden des Betriebsrats der Enercon-Tochter Windenergieanlagen | |
Service Ost in Magdeburg. Bötter setzte sich unter anderem für die | |
Interessen von Leiharbeitern ein. So wandte er sich dagegen, dass Kollegen | |
für eine Schulung, die am Wochenende stattfand, unbezahlte Arbeitszeit | |
leisten sollten. Nun versucht die Firma, ihm zu kündigen. Die Verhandlung | |
vor dem Arbeitsgericht Magdeburg ist für Januar kommenden Jahres anberaumt. | |
## Betriebsräte behindert | |
„Die Kündigung ist nicht auf den Umstand zurückzuführen, dass Herr Böttger | |
Leiharbeiter über ihre Rechte informiert hat“, schreibt Enercon-Sprecher | |
Felix Rehwald. Böttger habe jedoch „im Alleingang in die vertrauensvolle | |
Zusammenarbeit mit einem externen Vertragspartner der WEA Service Ost GmbH | |
eingegriffen und damit seine Kompetenzen massiv überschritten“, heißt es | |
offiziell vom Unternehmen. „In der Konsequenz hat der Vertragspartner die | |
Zusammenarbeit beendet, so dass der Servicegesellschaft ein nicht | |
unerheblicher wirtschaftlicher Schaden entstanden ist.“ | |
Die IG Metall zählt weitere Vorkommnisse auf, in denen gewerkschaftlich | |
organisierte Beschäftigte und Betriebsräte behindert worden seien. So habe | |
die Firmenleitung IG-Metall-Vertretern vor den Betriebsratswahlen 2013 den | |
Zugang zum Unternehmen verweigert. Eine andere Methode der Geschäftsführung | |
bestehe darin, Betriebsräten Abmahnungen zu schicken, weil sie angeblich | |
Freizeitaktivitäten als Arbeitszeit deklarierten und entsprechend | |
abrechneten. | |
Enercon erklärt dazu: „Wir möchten ausdrücklich betonen, dass wir uns klar | |
zu einer fairen und gleichen Behandlung aller Mitarbeiter bekennen. Uns | |
sind nach wie vor keine Fälle bekannt, in denen Betriebsräte oder | |
gewerkschaftlich aktive Beschäftige unter Druck gesetzt worden wären.“ | |
„Gewerkschaftstätigkeit ist für die Geschäftsleitung ein rotes Tuch“, sa… | |
dagegen Betriebsrat Böttger. Als Motiv vermutet er, dass die Firma ihre | |
Handlungsfreiheit nicht beschneiden lasse wolle und höhere Arbeitskosten | |
fürchte, wenn Beschäftigtenvertreter mit Unterstützung der IG Metall | |
beispielsweise Lohnforderungen stellten. Bei der Gewerkschaft arbeitet eine | |
Truppe von etwa 20 Leuten seit Längerem daran, bei den Öko-Energiefirmen | |
einen Fuß in die Tür zu bekommen. In den jungen Unternehmen der Wind- und | |
Solarbranche gibt es oft keine starke Beschäftigtenvertretung. | |
## Patriarchaler Führungsstil | |
Auch Enercon-Gründer und Milliardär Aloys Wobben verordnete seinem | |
Unternehmen einen patriarchalen Führungsstil. Bereits 2006 berichtete die | |
taz über die Schikanen gegen Beschäftigtenvertreter bei dem | |
Windanlagenhersteller. | |
Allerdings springt die Firma nicht mit allen Betriebsräten so um wie mit | |
den gewerkschaftlich orientierten. In mehreren Firmen des Konzerns arbeiten | |
Beschäftigtenvertretungen, die mit den Geschäftsleitungen gut auskommen. | |
Bei der Enercon-Tochter in Magdeburg machen Arbeitnehmer mobil unter dem | |
Motto „IG-Metall-freie Zone. Für selbstständige Betriebsräte ohne | |
IGM-Propaganda“. Sie legen Wert auf ein gutes Verhältnis zur | |
Geschäftsführung. | |
Die Angst vor Arbeitsplatzverlust bei zu viel Konfrontation mag auch eine | |
Rolle spielen. In ländlichen Gegenden wie in Ostfriesland und Teilen | |
Ostdeutschlands haben Enercon-Beschäftigte Probleme, andere ähnlich gut | |
bezahlte Stellen zu finden. | |
24 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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