| # taz.de -- Wie man „Nichts-Tuer“ loswird: Kampf den Unliebsamen | |
| > In Bremen lehrt eine Anwaltskanzlei, wie man lästige Mitarbeiter | |
| > besonders günstig loswird. Dieses „Union Busting“ ist ein lukrativer | |
| > Markt. | |
| Bild: Drinnen lief das Seminar, draußen die Mahnwache. | |
| Bremen taz | Mit einer Mahnwache protestierten gestern etwa 30 linke | |
| AktivistInnen und Gewerkschafter vor der Kanzlei Wittig Ünalp in der Bremer | |
| Innenstadt. | |
| Max Wittig und Kagan Ünalp, Fachanwälte für Arbeitsrecht, boten dort | |
| zeitgleich ein „arbeitgeberfreundliches“ Seminar zu den „Top Ten der best… | |
| Kündigungsgründe“ an. Es gehe da um jene, die man heute oft Low-Performer | |
| nennt: „Arbeitszeitbetrüger (Facebooker, E-Mailer, Dauerraucher), | |
| Nichts-Tuer, Falschmacher, Überflüssige, Unflexible, Unruhestifter, | |
| Kollegen-im-Stich-Lasser“ oder „häufig Kurzerkrankte“, wie es in der | |
| [1][Einladung] der Kanzlei heißt. Der „Crash-Kurs“ soll Firmen helfen, | |
| „keine oder nur geringe Abfindungen zahlen zu müssen“. | |
| Wer 20 Jahre in einem Betrieb arbeitet, der kann bei einer | |
| betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung von zehn Bruttogehältern | |
| bekommen. Erheblich günstiger als eine betriebsbedingte ist jedoch eine | |
| pesonenbezogene Kündigung, so Herbert Thomsen von der [2][Gewerkschaft | |
| Industrial Workers of the World (IWW)], die zu dem Protest mit aufgerufen | |
| hat. | |
| Was die Anwaltskanzlei Wittig Ünalp hier gestern anbot, für 175 Euro plus | |
| Steuern, nennen Kritiker „Union Busting“ oder „Union Bashing“: Das | |
| systematische und professionell geplante Vorgehen gegen gewerkschaftliche | |
| Interessenvertretungen und Arbeitnehmerrechte. In den USA ist das längst | |
| ein etabliertes Geschäftsfeld. Die Bremer Kanzlei ist Elmar Wigand, | |
| Mitautor der 2014 veröffentlichten Studie „[3][Union Busting in | |
| Deutschland]“ erst vor kurzem aufgefallen: „Die versuchen, sich mit einigem | |
| Aufwand neu im Marktsegment der Hardcore-Arbeitsrechtler zu etablieren“, so | |
| Wigand, Mitautor des Buches „Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und | |
| professionelle Gewerkschaftsbekämpfung“. | |
| ## „In die falsche Ecke gestellt“ | |
| „Solche Leute machen uns unsere Arbeitsverhältnisse noch beschissener, als | |
| sie jetzt schon sind“, sagen die DemonstrantInnen. Die Kanzlei selbst sieht | |
| sich „in die falsche Ecke gestellt“, sagt Anwalt Tim Varlemann zur taz. Man | |
| vertrete auch Arbeitnehmer. „Wir haben uns nichts vorzuwerfen“, sagt | |
| Varlemann. Es gehe nicht darum, „gute Arbeitnehmer zu entlassen“ – sondern | |
| „Problemfälle“. | |
| Der Markt für Union Buster ist nach Wigands Worten „sehr lukrativ“. „Wir | |
| leben in unsicheren Zeiten. Je größer der Druck ist, der auf | |
| Geschäftsführern und Personalleitern lastet, desto gefragter sind solche | |
| Dienste“, sagt Wigand, Mitbegründer der Initiative | |
| „[4][aktion./.arbeitsunrecht]“, die Unterstützung für Betriebsräte in Not | |
| leistet. „Diese „Fertigmacher“ sind die Hilfstruppen, ohne die im heutigen | |
| Kapitalismus kein größeres Unternehmen mehr auszukommen meint“, sagte der | |
| Co-Autor des Buches Werner Rügemer in einem [5][Interview mit den | |
| Nachdenkseiten]. Er unterscheidet drei Gruppen von Union Bustern: Jene, die | |
| direkt mit den Beschäftigten und ihren Vertretern zu tun haben, das | |
| Spektrum der Unternehmerlobby - und den Staat, der Rahmenbedingungen wie | |
| die Hartz-Gesetze schafft. | |
| Nach Wigands Worten gibt es in Deutschland eine „große Szene“, die im | |
| Bereich Union Busting aktiv ist. Ihre Dienste böten sie oft „unter der | |
| Ladentheke“ an, sagt Wigand, oder verbrämen sie in Titeln wie „Schwierige | |
| Kündigungen rechtssicher gestalten“. Gerade etablierte Kanzleien schreckten | |
| oft davor zurück, offen als Union Buster aufzutreten. „Sozietäten wie Hogan | |
| Lovells, Taylor Wessing und Ruge Krömer wollen ihren tadellosen Ruf wahren | |
| und Öffentlichkeit wie Gewerkschaften nicht unnötig verschrecken“, so | |
| Wigand. „Daher treten sie scheinbar seriöser auf, auch wenn die angewandten | |
| Methoden sich in konkreten Fällen ähneln.“ Aufgefallen seien sie beim | |
| Versandhändler Amazon, dem norddeutschen Verpackungsmittelhersteller | |
| Neupack oder dem Auricher Windanlagenbauer Enercon. | |
| ## Gesetzlich „nichts zu machen“ | |
| Die Geschäfte der Kanzlei Wittig Ünalp sind „total legal“, sagt der | |
| Gewerkschafter Thomsen, gesetzlich sei da auch „nichts zu machen“. Ihre | |
| Seminar-Einladungen verschickten die Anwälte an alle Mitglieder der | |
| Industrie- und Handelskammer. Durch arbeitgeberfreundliche | |
| Arbeitsrechts-Schulungen sei die Kanzlei schon früher aufgefallen, so | |
| Thomsen, nun sei ihre Werbung „aggressiver“. Sie richte sich gezielt an | |
| kleinere und mittlere Unternehmen –die dann hernach womöglich zu Mandanten | |
| werden. Wer in einem Betrieb mit weniger als zehn MitarbeiterInnen | |
| arbeitet, hat eh weniger Kündigungsschutz. Und die großen Gewerkschaften | |
| hätten sich „auf Großbetriebe zurück gezogen“, so Thomsen, in kleineren | |
| Firmen könnten oder wollten sie oft nicht aktiv werden. | |
| Bei der Gewerkschaft Ver.di hat man bisher „keine Erfahrungen“ mit der | |
| Kanzlei Wittig Ünalp gesammelt und plant auch „keine Aktionen“, erklärt | |
| eine Ver.di-Sprecherin. | |
| Opfer von Union Busting könnten zwar klagen, so Thomsen – aber das mache | |
| „kaum einer“, der in der Firma bleiben wolle, so dass es meist nur um | |
| „Schadensbegrenzung“ in Form von einer Abfindung geht. Erfolge gegen Union | |
| Buster lassen sich dennoch erzielen, so die Aktivisten – wenn | |
| „Schweinereien“ öffentlich werden und die MitarbeiterInnen organisiert | |
| seien. | |
| 14 Sep 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.arbeitsrechts-seminare.de/themen/top-ten-kuendigungsgruende/ | |
| [2] http://www.iww-bremen.org | |
| [3] https://www.otto-brenner-shop.de/publikationen/obs-arbeitshefte/shop/union-… | |
| [4] http://arbeitsunrecht.de/ | |
| [5] http://www.nachdenkseiten.de/?p=23757 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
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