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# taz.de -- Tarifstreit mit harten Bandagen: Schlammschlacht zum Weihnachtsfest
> Um den Betriebsratsvorsitzenden loszuwerden, versucht die
> Verpackungsfirma Neupack, mittels einer Privatdetektivin seinen Arzt zu
> diskreditieren.
Bild: Sei dem Betriebsrat zu Unrecht ausgestellt worden, sagt die Firmenleitung…
HAMBURG taz | Der Arbeitskampf ist vorbei – der Krieg geht weiter. Einen
Tag vor Heiligabend hat die Geschäftsführung des Joghurtbecher-Herstellers
Neupack beim Betriebsrat (BR) die fristlose Kündigung von dessen
Vorsitzenden Murat Günes beantragt – zum wiederholten Mal seit dem
neunmonatigen Streik 2013. „Das ist bereits der achte Versuch, mich
loszuwerden“, sagt Günes der taz.
Die Kündigung trägt die Handschrift von Arne Höck, Geschäftsführer des
Familienbetriebs mit Sitz in Hamburg-Stellingen und Rotenburg an der Wümme.
Er hat offenbar eine Privatdetektei damit beauftragt, Günes’ Arzt zu
überprüfen – oder vielmehr dem Mediziner eine Falle zu stellen.
Undercover suchte eine Detektivin die Praxis auf und gab eine Fußverletzung
an, die bei längerem Gehen und Stehen „weh tut“. Der Arzt konnte zwar
selbst keine konkrete Verletzung diagnostizieren, bescheinigte aber dennoch
per „Attest“, dass die Frau bei einer angeblichen Promotion-Aufgabe, die
mit langem Stehen verbunden wäre, wegen einer „Verstauchung des
Sprunggelenks“ nicht eingesetzt werden könne.
Grund für Neupack, eine im Sommer festgestellte Arbeitsunfähigkeit Günes’,
Gegenstand eines laufenden Kündigungsverfahren, in Zweifel zu ziehen – und
erneut seinen Rausschmiss zu beantragen. „Der Beweiswert der beiden
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 19. 6. bis zum 1. 7. ist
erschüttert“, erklärt Geschäftsführer Höck.
Die Neupack-Inhaberfamilie Krüger hatte Höck im Jahr 2012 vor dem Streik
angeheuert, um den Abschluss eines Haustarifvertrages mit der Gewerkschaft
Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) zu verhindern. Damals machte Höck seinem
Ruf alle Ehre: Der „Union Buster“ überzog IG BCE und Streikende mit Klagen,
Abmahnungen, Kündigungen, Hausverboten, Strafanzeigen sowie
Polizeieinsätzen und heuerte frühzeitig eine quasi Ersatz-Belegschaft aus
polnischen Leiharbeitern an.
Nach neun Monaten Arbeitskampf kapitulierte die in dieser Beziehung
unerfahrene IG BCE, die zuletzt nur noch an Gewissen und Ehrgefühl der
Hamburger Kaufmannsfamilie Krüger zu appellieren gewusst hatte. Die
Gewerkschaft gab sich mit einer „Regelungsabrede“ zwischen Betriebsrat und
den Krügers zufrieden.
Für Murat Günes, das betriebliche Rückgrat des Streiks, ging der Konflikt
weiter: Ihm wurde mehrfach fristlos gekündigt – unter Berufung auf
angeblich falsche Kostenabrechnungen für Fahrten zwischen den
Neupack-Standorten Hamburg und Rotenburg, die Detektive wahrgenommen haben
wollen, wegen eines Interviews und, eben, wegen einer angeblich
zweifelhaften Krankmeldung. Die meisten Anträge hat das Arbeitsgericht
bereits zurückgewiesen.
Als „Versuch, das Eintreten für einen Tarifvertrag und Arbeitnehmerrechte
zu bestrafen“ bezeichnet Günes selbst die Kündigungswelle. „Unsere
Wiederwahl als Betriebsrats-Mehrheit Anfang des Jahres hat dieses Vorgehen
vermutlich noch weiter provoziert und verstärkt.“
Zum Repertoire des Union Busting gehören auch Attacken, die sich gezielt
gegen die Familien des eigentlichen Adressaten richten. So wurden die
fristlosen Kündigungen im Juni direkt vor der Abreise in den Urlaub
ausgesprochen, jene im September an Günes’ Geburtstag – und die letzte nun
unmittelbar vor Weihnachten. „Das“, sagt er, „nervt natürlich.“
Die Ärzte-Ausspähung im Arbeitgeber-Auftrag nennt Günes einen „Fall für d…
Ärztekammer“: Das Vorgehen sei ein Vertrauensbruch zwischen Arzt und
Patient. Wie solle ein Arzt vernünftig diagnostizieren, fragt der
Betriebsratsvorsitzende, wenn er erst abwägen müsse, ob der Patient ein
„echter“ sei?
28 Dec 2014
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
IG BCE
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Betriebsrat
Neupack
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