| # taz.de -- Kommentar Politiker und Industrie: Fehlendes Problembewusstsein | |
| > Die Berliner Republik ist eine Lobbyistenrepublik. Dass Minister und | |
| > Staatssekretäre nach ihrer Amtszeit Kontakte verscherbeln, darf nicht | |
| > legal sein. | |
| Bild: Was haben Niebel, Schröder und Pofalla gemeinsam? Einen lukrativen Job. | |
| Ab diesem Montag hat der Unternehmensberater Eutop [1][einen neuen | |
| Geschäftsführer: Stéphane Beemelmans], früherer Staatssekretär im | |
| Bundesverteidigungsministerium, heuert bei der Agentur für „Governmental | |
| Relations“ an. Sie bietet professionelle Interessenvertretung für | |
| Unternehmen an. | |
| Im Frühjahr hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den | |
| Mann, der für Rüstungsprojekte zuständig war, geschasst. Seinen Marktwert | |
| als Lobbyist mindert das offenbar nicht. Schließlich sind seine Drähte ins | |
| Ministerium noch immer warm. | |
| Seitenwechsler wie Beemelmans müssen vor allem eins können: Türen öffnen | |
| und Kontakte anbahnen. Weil sie die Mechanismen der Macht kennen und Hürden | |
| für lukrative Projekte früh erkennen, werden sie von Unternehmen und | |
| Wirtschaftsverbänden sehr geschätzt. Die versprechen sich von ihnen nicht | |
| nur lukrative Aufträge, sondern auch Informationen über geplante Reformen | |
| und direkten Einfluss auf Gesetze. | |
| In der Berliner Republik haben die Lobbyisten Einfluss wie nie zuvor. Dass | |
| Minister und Staatssekretäre nach ihrer Amtszeit ihre Kontakte | |
| verscherbeln, gilt als normal. Mietmaul zu werden gilt nicht als | |
| ehrenrührig. Das ist fatal. Denn diese Form des Lobbyismus ist nicht | |
| legitim. Und sie sollte nicht legal sein. | |
| ## Drei bis fünf Jahre | |
| Auch wenn sich Unternehmen Politiker erst nach deren Ausscheiden kaufen, | |
| besteht immer der Verdacht, dass sie für vorherige Entscheidungen belohnt | |
| werden. Das Insiderwissen aus der politischen Sphäre in den Dienst privater | |
| Interessen zu stellen schadet der Demokratie. Mit einer gesetzlichen | |
| Karenzzeit von drei oder fünf Jahren könnte das Problem immerhin entschärft | |
| werden. | |
| Das Vorhaben der Großen Koalition, eine Karenzzeit für Regierungsmitglieder | |
| einzuführen und im Einzelfall über eine Dauer von 12 oder 18 Monaten zu | |
| entscheiden, zeigt vor allem eins: fehlendes Problembewusstsein. Und das | |
| gibt es nicht nur an dieser Stelle: Bundesministerien holen sich immer | |
| wieder Lobbyisten ins Haus und beteiligen sie an Gesetzgebungsverfahren. | |
| So soll der fehlende Sachverstand einfließen, heißt es. Ist das unbedarft | |
| oder unverschämt scheinheilig? Wie auch immer, auf jeden Fall ist es | |
| verfassungswidrig, hat ein Rechtsgutachten jetzt klargestellt. Hoffentlich | |
| hat das Konsequenzen. | |
| 1 Dec 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Frueherer-Staatssekretaer-wird-Lobbyist/!150449/ | |
| ## AUTOREN | |
| Anja Krüger | |
| ## TAGS | |
| Lobbyismus | |
| Ursula von der Leyen | |
| Karenzzeit | |
| LobbyControl | |
| Verteidigungsausschuss | |
| Wirtschaft | |
| Karenzzeit | |
| Schule | |
| Ursula von der Leyen | |
| Transparency International | |
| Erneuerbare Energien | |
| Braunkohle | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Falschangaben von US-Investmentbank: „Goldmänner“ haben gepfuscht | |
| Die US-Investmentbank Goldman Sachs korrigiert Angaben zum Lobbying im | |
| EU-Register um das Sechzehnfache. Viele Einträge sind nicht auf dem | |
| neuesten Stand. | |
| Steuermilliarden für Rüstung: Opposition kritisiert Verschwendung | |
| 12,9 Milliarden Euro mehr als geplant kosten 15 zentrale Rüstungsprojekte | |
| die Steuerzahler. Das geht aus dem Rüstungsbericht des | |
| Verteidigungsministeriums hervor. | |
| Von Klaedens Wechsel in die Wirtschaft: Ermittlungen eingestellt | |
| Kurz nach Ende seiner politischen Laufbahn wechselte Eckart von Klaeden | |
| (CDU) zu Daimler. Kein Problem, sagt jetzt die Staatsanwaltschaft Berlin. | |
| Karenzzeit für Spitzenpolitiker: Seitenwechsel mit Beigeschmack | |
| Die Große Koalition legt ihren Gesetzentwurf zu Karenzzeiten für | |
| PolitikerInnen vor. Ein Jahr Zwangspause soll die Regel werden. | |
| Lobbyismus an Schulen: Die fabelhafte Welt der Unternehmer | |
| Seit zehn Jahren fördert ein Verein unternehmerisches Denken bei Schülern. | |
| SPD und Grüne denken sich nichts Arges dabei. Einige Lehrer schon. | |
| Früherer Staatssekretär wird Lobbyist: Intime Einflussnahme | |
| Ex-Regierungsmitarbeiter verschaffen ihrem neuen Arbeitgeber privilegierte | |
| Zugänge zur Politik und andere Vorteile. Ein neuer Fall sorgt für Aufsehen. | |
| Studie über Lobbying in Deutschland: Getrübter Blick | |
| Deutschland sei ein „Eldorado für Interessenvertretungen“, sagt | |
| Transparency International – und regt die Einführung einer „legislativen | |
| Fußspur“ an. | |
| Lobbyismus in der Bundesregierung: Offene Türen für Kohle-Fans | |
| Die Chefs von RWE und Eon gehen auch unter Schwarz-Rot in den | |
| Bundesministerien ein und aus. Erneuerbare Energien bleiben im Abseits. | |
| Lobbyismus in Brandenburg: Alle wollen Kohle | |
| Greenpeace entlarvt in einer Untersuchung das Netzwerk der Kohlefans in | |
| Brandenburgs Politik. Außer den Grünen sind alle Parteien für den | |
| Klimakiller. |