# taz.de -- Karenzzeit für Spitzenpolitiker: Seitenwechsel mit Beigeschmack | |
> Die Große Koalition legt ihren Gesetzentwurf zu Karenzzeiten für | |
> PolitikerInnen vor. Ein Jahr Zwangspause soll die Regel werden. | |
Bild: Vom Kanzleramt in den Berliner Bahn-Tower: Protest gegen Pofallas Seitenw… | |
BERLIN taz | Am 1. Januar hat Ronald Pofalla seinen ersten Arbeitstag im | |
Berliner Bahn-Tower am Potsdamer Platz. Der einstige CDU-Spitzenpolitiker | |
wird dann ziemlich genau ein Jahr Zeit gebraucht haben, um vom Bundestag in | |
die Konzernzentrale zu wechseln. Spätestens 2017, heißt es, soll er dort in | |
den Vorstand aufsteigen. | |
Bis zum Wahltag im September 2013 war Pofalla zwanzig Jahre lang direkt | |
gewählter Bundestagsabgeordneter, zuletzt war er Angela Merkels mächtiger | |
Kanzleramtsminister. Umso größer war die Überraschung, als er im Dezember | |
2013 seinen Rückzug aus allen politischen Ämtern bekannt gab. Den Schritt | |
begründete er mit einer privaten Neuorientierung. | |
Als dann jedoch im Juni öffentlich wurde, dass Ronald Pofalla ins | |
Management der Deutschen Bahn wechseln werde, war die Empörung groß. Wieder | |
mal schien ein Regierungsmitglied sein Wissen und seine Kontakte benutzt zu | |
haben, um nahtlos in einen hochdotierten Job zu wechseln. | |
Solche Wechsel wird es auch künftig geben, eine Intransparenz wie im Fall | |
Pofalla soll aber künftig vermieden werden. Im Februar will das | |
Bundeskabinett einen Gesetzentwurf verabschieden, der derzeit noch in der | |
Ressortabstimmung ist. Es sieht für Bundesminister und parlamentarische | |
Staatssekretäre eine Karenzzeit von einem Jahr vor – in Ausnahmefällen | |
könnte sie sogar 18 Monate betragen. Während dieser Karenzzeit haben die | |
Betroffenen Anspruch auf Übergangsgeld. | |
Das Gesetz soll, heißt es, verhindern, „dass durch den Anschein einer | |
voreingenommenen Amtsführung im Hinblick auf spätere Karriereaussichten | |
oder durch die private Verwertung von Amtswissen nach Beendigung des | |
Amtsverhältnisses das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der | |
Bundesregierung beeinträchtigt wird“. Zudem solle es „den Betroffenen vor | |
Unsicherheiten und ungerechtfertigter Kritik“ schützen. | |
## Ein Jahr ist zu wenig | |
Das klingt gut, hat aber Haken. So hatte die Linke-Fraktion im Bundestag | |
gefordert, die Karenzzeiten sollten sich an der Dauer der | |
Regierungszugehörigkeit der betreffenden Politiker sowie an der Zahlung von | |
Übergangsgeldern bemessen. Und die Grünen hatten stets darauf hingewiesen, | |
dass die Karenzzeit mindestens die vom Europaparlament geforderten 18 | |
Monate betragen müsse. Lobby Control und Transparency International fordern | |
sogar drei Jahre. | |
Ein anderer Schwachpunkt ist die Entscheidungsfindung. Hat ein Politiker | |
seinen Seitenwechsel „angezeigt“, soll zunächst ein Expertengremium darüb… | |
beraten und der Regierung eine Empfehlung geben, ob überhaupt eine | |
Karenzzeit angezeigt wäre. | |
Über die Besetzung dieses Gremiums hat zuvor die Regierung selbst | |
entschieden – an seine Empfehlung ist sie nicht gebunden. Nicht einmal | |
gerichtlich überprüfen ließe sich die getroffene Entscheidung. | |
Spitzenpolitiker wie Exgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) oder den | |
einstigen Staatsminister im Kanzleramt Eckart von Klaeden (CDU) tangiert | |
das Gesetz aber ohnehin nicht mehr. | |
23 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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