# taz.de -- Wechsel von Politik in Wirtschaft erschwert.: Bremse für Seitenwec… | |
> In Hamburg müssen Ex-SenatorInnen zwei Jahre nach Ende ihrer Amtszeit | |
> fragen, ehe sie einen Job in der Wirtschaft annehmen dürfen. | |
> Schleswig-Holstein ringt noch um eine solche Regelung. | |
Bild: Alle noch im Amt und nicht in der freien Wirtschaft: Bürgermeister Olaf … | |
HAMBURG taz | Ehemalige Hamburger SenatorInnen dürfen künftig zwei Jahre | |
lang auf Steuerzahlers Kosten um die Außenalster spazieren und Tee trinken. | |
Das ist die Konsequenz aus einer Neudefinition des Begriffs „politische | |
Hygiene“, welche die Bürgerschaft der Hansestadt mit großer Mehrheit | |
befürwortet hat. Die allein regierende SPD wie auch die oppositionellen | |
CDU, Grünen und Linken haben eine entsprechende Regelung für eine | |
zweijährige Karenzzeit verabschiedet. Damit solle künftig verhindert werde, | |
so die Fraktionsvorsitzende der Linken, Dora Heyenn, „dass ehemalige | |
Senatsmitglieder ihre Kenntnisse und Kontakte aus dem Amt für | |
Wettbewerbsvorteile nutzen“. | |
Künftig kann der Hamburger Senat zwei Jahre lang die Aufnahme einer | |
konkreten Arbeit untersagen, sollte eine konkrete Gefahr der | |
Interessenkollision zur vorherigen Amtstätigkeit festgestellt werden. Diese | |
Regelung zielt in erster Linie auf eine Festanstellungen in der | |
Privatwirtschaft ab, für die im Amt erworbene Kenntnisse nützlich sein | |
können. Für freiberufliche Tätigkeiten gilt diese Regelung allerdings | |
nicht. Denn sonst müsste zum Beispiel bei Rechtsanwälten jedes Mandat auf | |
eventuelle Interessenkollisionen untersucht werden. Da dies auch rechtlich | |
höchst problematisch wäre, verweist die jetzt beschlossene Regelung | |
lediglich auf die entsprechenden berufsständischen Regelungen. | |
## Zwei Jahre ausruhen | |
Die Zwei-Jahres-Frist entspricht jenem Zeitraum, in dem den ehemaligen | |
Senatoren und Senatorinnen auch das Übergangsgeld gezahlt wird. Sie | |
erhalten bei ihrem Ausscheiden aus dem Amt in den ersten drei Monaten | |
weiter ihre vollen Bezüge von rund 11.500 Euro im Monat, für weitere | |
höchstens 21 Monate bekommen sie die Hälfte ausgezahlt. Die jetzt | |
verabschiedete Regelung entspricht bereits bestehenden Vorgaben für | |
ehemalige Staatsräte und andere hohe politische Beamte. Zugleich können | |
Ex-Senatoren sie faktisch so auslegen, dass sie sich zwei lockere Jahre | |
ausruhen können, ohne sich einen neuen Job suchen zu müssen. | |
Aufsehen erregte jüngst Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner. | |
Der Sozialdemokrat, der auch für den Wohnungsbau im Lande zuständig war, | |
war Ende September von seinem Amt zurückgetreten und hatte angekündigt, zum | |
1. Mai nächsten Jahres als Direktor zum Verband Norddeutscher | |
Wohnungsunternehmen zu wechseln. Den neuen und besser dotierten Job hatte | |
er noch während seiner Amtszeit selbst ausgehandelt. | |
Deshalb debattiert der Landtag in Kiel zurzeit über feste Regeln für den | |
Wechsel von Politikern in die Wirtschaft. Die Vorstellungen liegen bei | |
einer Karenzzeit zwischen sechs Monaten (CDU) und drei Jahren (Grüne und | |
Piraten). | |
Auch auf Bundesebene hatte es zuletzt erheblichen Ärger über den Wechsel | |
des früheren Kanzleramtschefs Ronald Pofalla (CDU) zur Deutschen Bahn, vom | |
ehemaligen Entwicklungsminister Dirk Niebel zum Rüstungskonzern Rheinmetall | |
und vom früheren Gesundheitsminister Daniel Bahr (beide FDP) zu einem | |
Krankenversicherer gegeben. | |
Hamburgs SPD-Fraktionschef Andreas Dressel sprach von einem vernünftigen | |
Kompromiss, mit dem „Interessenkollisionen vermieden werden können“. Die | |
neue Regelung sorge für eine gewisse Kontrolle, sagte | |
CDU-Verfassungsexperte André Trepoll. Zugleiche schränke sie aber die freie | |
Berufswahl nicht unzulässig ein. Skeptischer beurteilt der grüne | |
Fraktionschef Jens Kerstan die Karenzzeit-Regelung. Auch die Neuregelung | |
werde nicht jede umstrittene Personalie verhindern können, sagte Kerstan. | |
„Im konkreten Fall wird auch weiterhin politisches Fingerspitzengefühl | |
gefragt sein.“ | |
Lediglich die Hamburger FDP hat der Vereinbarung nicht zugestimmt. Sie sei | |
unzureichend, heißt es. Nach ihrer Ansicht sollte nicht der Senat, sondern | |
das Verfassungsgericht über die Tätigkeit ehemaliger Senatoren entscheiden. | |
Vor allem aber monieren die Freidemokraten, dass öffentliche Unternehmen | |
von der Neuregelung ausgespart werden. Der rasche Wechsel eines ehemaligen | |
Regierungsmitgliedes in die Teppichetage eines städtisch kontrollierten | |
Unternehmens, wie Flughafen, Wasserwerke, Hochbahn, Wohnungsbaugesellschaft | |
Saga/GWG oder dem Hafenlogistiker HHLA, werde dadurch nicht verhindert. | |
10 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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