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# taz.de -- Vor dem UN-Klimagipfel: Hunderttausende demonstrieren
> Am Sonntag zieht eine Großdemonstration durch New York. Die Teilnehmer
> fordern einen radikalen Wandel der Energie- und Klimapolitik.
Bild: Die Straßen sind voll mit TeilnehmerInnen des „Climate March“ in New…
NEW YORK taz | „Demonstriert jetzt – oder schwimmt später“ hat eine junge
Frau auf ihr Transparent geschrieben. Und mehr als 300.000 – möglicherweise
sogar 400.000 – Menschen aus allen Teilen der USA sind an diesem Tag ihrem
Rat gefolgt.
Sie ziehen in dichten Reihen vom Central Park durch Manhattan. Ihr Vorhaben
ist immens: Sie wollen die Erhitzung des Planeten aufhalten. Sie wenden
sich gegen Fracking, gegen Kohleförderung und gegen Atomkraft. Sie
verlangen nach Sonnen- und Windenergie. Und sie rufen den Vereinten
Nationen, die am Dienstag in New York einen neuen „Klimagipfel“ abhalten,
zu: „Genug geredet! Wir wollen endlich Taten“.
Der Erfolg des „People's Climate March“ übertrifft sämtliche Erwartungen.
Die OrganisatorInnen hatten gehofft, an diesem Sonntag 100.000 Menschen zu
mobilisieren – so viele, wie knapp fünf Jahre zuvor beim Klimagipfel in
Kopenhagen, waren sich jedoch ihrer Sache bis zum Schluss nicht sicher. Am
frühen Sonntag-Nachmittag müssen sie die ersten Zigtausenden
DemonstrantInnen auffordern, den Zug vor Erreichen seines Ziels zu
verlassen, damit sich die Nachrückenden, die immer noch am Central Park
warten, voranbewegen können.
Es ist ein Treffen mit TeilnehmerInnen aus allen Generationen, Landesteilen
und „Minderheiten“ der USA. Auch Prominente aus Film und Musik – darunter
Leonardo DiCaprio und Sting, die mit indianischen Gegnerinnen der
Teersand-Ölförderung unterwegs sind – und ein paar PolitikerInnen –
darunter UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, Ex-Vize-Präsident Al Gore und die
deutsche Umweltministerin Hendricks – gehen ein Stück des Weges mit. Mitten
drin winken Geistliche verschiedener Konfessionen von einer Arche Noah auf
Rädern; die Aufschrift: „Wir haben das erste Boot verpasst“.
## Blumenhüte und Hiphop
DemonstrantInnen, die bei jahrelangem Warten auf eine nachhaltige
Klimapolitik der UNO ungeduldig geworden sind, weisen darauf hin: „Es gibt
keinen Planeten B“ und klagen an: „Abwarten = Tod“. Oder sie drohen: „W…
werden nicht kampflos untergehen“. Unter Blumenhüten singen „Wütende Omas…
Umweltsongs zu alten Country-Melodieen. Daneben rappen Jugendliche aus der
Bronx dieselbe Botschaft zu anderen Rythmen.
Am desillusioniertesten sind die ganz Jungen. Wer sie fragt, ob sie sich
von ihrem Präsidenten Barack Obama klimapolitisch repräsentiert fühlen,
erhält klare Antworten. „No“, sagt die 20jährige Studentin Jess Moore aus
Missoula in Montana. Ihre beiden gleichaltrigen Freundinnen stimmen zu.
Jeden Tag rollen 32 Kohlezüge durch die Mitte ihrer Stadt. Sie
transportieren den fossilen Brennstoff, der für die höchste CO2-Belastung
sorgt, in die Häfen an der Westküste, wo er nach Asien eingeschifft wird.
Manche ältere Demonstranten versuchen es mit mehr Nuancen. „Obama vertritt
mich zu 50 Prozent“, meint der 77jährige Eugene Buryfkim aus Wisconsin. Von
DemonstrantInnen aus Kanada weiss er, dass deren Premierminister Stephen
Harper „noch schlimmer" als die US-Spitze ist. „Unser Präsident arbeitet
Tag und Nacht“, erklärt der aus Akron in Ohio angereiste 31jährige Polizist
Isa Muhammad: „aber der Kongress macht es ihm schwer“. Doch auch Ältere
teilen die Enttäuschung über ihre gewählten VertreterInnen. „Ich konnte mir
keinen Politiker leisten. Also habe ich dieses Transparent gekauft“,
witzelt einer von ihnen auf seinem Transparent.
Viele DemonstrantInnen haben ihre ersten Klimakatastrophen bereits hinter
sich. „Erinnert Euch an Sandy!“, erinnert ein New Yorker. „Stellt Euch
diese Straße unter Wasser vor“, ein anderer. Der Hurrikan, der 2012 ganze
Stadtteile von New York unter Wasser gesetzt hat, ist noch in frischer
Erinnerung. Zumal noch längst nicht alle „Sandy“-Schäden repariert sind. …
Rest des Landes gilt „Sandy“ als Vorgeschmack darauf, was anderen
Küstenregionen droht. „Lasst meine Stadt nicht untergehen“ fleht die
24jährige Reanna aus St Petersburg, Florida. Sie ist an diesem Sonntag nach
New York gereist, um „Teil der Geschichte“ zu sein.
## Einheit und Beliebigkeit
Die Demonstration der Hunderttausenden steht in krassem Kontrast zu dem
einsamen Alltag vieler in ihren Heimatbundesstaaten. Der 25jährige Tyler
Offerman und die 19jährige Noelle Wollery erleben das in Kentucky. Dort
verteidigen bei den im November anstehenden Halbzeitwahlen sowohl
repulikanische als auch demokratische KandidatInnen die Kohleförderung und
den Bau der Ölpipeline Keystone XL. Von ihrem Präsidenten erwarten die
beiden StudentInnen: „mehr Leadership".
Es ist die erste Demonstration der Umweltbewegung in den USA, die alle
Themen, für die sonst kleine Gruppe getrennt auftreten, zusammen trägt: von
der Atombombe bis zu den Privatisierungen; von den Ölpipelines bis hin zur
Eisschmelze an den Polen. „Eine Gelegenheit, uns zusammenzufinden“, nennen
manche diese Vielfalt. Andere sehen darin „die Gefahr, uns zu verlieren“.
„Der Kapitalismus ist die Wurzel des ganzen Problems", erklärt Raul
Vazquez. Der 32jährige Sozialarbeiter ist aus Puerto Rico nach New York
gereist. Jetzt dirigiert er mit anderen eine fast vier Meter hohe
Pappmaché-Puppe, die die „Mutter Erde“ symbolisiert, durch die
Hochhausschluchten. Er glaubt nicht, dass die UNO das Problem lösen wird.
Er setzt auf „kämpfen“ und auf „Präsenz zeigen“.
Antikapitalismus zieht sich in Slogans und Transparenten quer durch die
große Demonstration. Aber klare gemeinsame Forderungen, die über eine
Kritik der fehlenden Klimapolitik der UN hinaus gehen, fehlen. Die
DemonstrantInnen spüren, dass ihre Bewegung erst am Anfang steht. „Um alles
zu ändern, ist jeder gefragt“, lautet ein Slogan. Ein anderer: „Ändert Eu…
selbst, nicht das Klima“.
22 Sep 2014
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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