# taz.de -- Vor dem UN-Klimagipfel: So radikal wie möglich | |
> Am Dienstag startet der UN-Klimagipfel. Am Sonntag steht der „People's | |
> Climate March“ in New York an. Seit Tagen wird schon diskutiert. | |
Bild: UN-Zentrale in New York. | |
NEW YORK taz | Die UNO erwähnen sie allenfalls, um zu sagen: „Ihre | |
Klimapolitik ist seit 19 Jahren gescheitert“. Und auch von US-Präsident | |
Barack Obama reden sie nur, weil dessen großen klimapolitischen | |
Ankündigungen allenfalls kleine Taten gefolgt sind und er es in fünf Jahren | |
nicht einmal geschafft hat, eine Entscheidung über [1][die „Keystone XL“ zu | |
fällen,] jene Pipeline, die schweres Öl aus den Teersanden in Kanada in die | |
Raffinerieen am Golf von Mexiko bringen soll. | |
Klimapolitik betrachten die UmweltschützerInnen als Frage des Überlebens | |
und als eine Sache des Volkes. Ihrer Demonstration, die am Sonntag durch | |
Manhattan ziehen soll, haben sie den Titel „People's Climate March“ | |
gegeben. Sie hoffen, dass es die „größte Klimademonstration der Geschichte | |
wird“. Die VeranstalterInnen aus mehr als 1.400 verschiedenen | |
Organisationen hoffen auf mehr als 100.000 TeilnehmerInnen. | |
Doch in den Augen der UmweltschützerInnen haben nicht nur die | |
BerufspolitikerInnen angesichts der Klimaerhitzung versagt. Die kanadische | |
Autorin Naomi Klein, eine der HauptsprecherInnen am Ende der zweitägigen | |
Konferenz „Climate Convergence“, beschreibt am Samstagabend auch Fehler in | |
den eigenen Reihen. „Es ist tragisch, dass die Linke den Klimawandel den | |
Umweltschützern überlassen hat“, stellt sie selbstkritisch fest. Ende der | |
80er Jahre wäre ein reformistischer Weg in der Klimapolitik noch möglich | |
gewesen. Heute, so Klein, „liegt keine radikale Option mehr auf dem Tisch, | |
die nicht radikal ist“. | |
Im Jahr 1988 hatte der angesehene Nasa-Wissenschaftler James Hansen | |
erstmals vor dem US-Kongress von einem Zusammenhang zwischen menschlichem | |
Tun und globaler Klimaerhitzung gesprochen. Im Folgejahr fiel die Mauer in | |
Berlin und die VerfechterInnen des „freien Marktes" setzten zu | |
Privatisierungen in der Energieversorgung und im Transportwesen an. | |
Gleichzeitig unterzeichneten die USA ein Abkommen mit Kanada und Mexiko, | |
das wenige Jahre später in den „Nafta“-Freihandel münden sollte. | |
## US-AmerikanerInnen direkt betroffen | |
25 Jahre später sucht Klein nach Antworten auf die Frage, warum die Linke | |
sich damals aus der Klimaschlacht zurück gezogen hat. Und freut sich, dass | |
das Klima heute wieder auf der linken Tagesordnung steht. Auch in den USA, | |
wo vereinzelt privatisierte Dienste – wie die Energieversorung in dem Ort | |
Boulder in Colorado – remunizipalisiert werden, in die öffentliche | |
Kontrolle zurückgehen. „Der Markt-Fundamentalismus“, sagt Klein am Samstag | |
von der Kanzel der St Peter-Kirche in New York, „kann nur von uns und | |
radikal gestoppt werden“. | |
Zuvor haben UmweltschützerInnen zwei Tage lang in Dutzenden von Seminaren | |
die bereits eingetretenen und zu befürchtenden Konsequenzen des | |
Klimawandels untersucht. Unter den TeilnehmerInnen sind auch Opfer von | |
bereits eingetretenen Klimakatastrophen: New YorkerInnen, die beim Hurrikan | |
„Sandy“ im Jahr 2012 ihr Hab und Gut verloren haben. SüdstaatlerInnen, | |
denen die Rekordhitzen, Dürren und Waldbrände der letzten Jahren zu | |
schaffen machen. Angehörige von „Minderheiten“ – AfroamerikanerInnen und | |
Latinos –, die in Chicago in Nachbarschaft zu petro-chemischen | |
Industrieanlagen wohnen, und die Belastung der Luft und des Wassers als | |
„klimatischen Rassismus“ erleben. ÄrztInnen der Gruppe „Physicians for | |
Social Responsability“, die wissen, dass die Klimaerhitzung eine | |
„Gesundheitskrise“ auslösen wird. Und NaturschützerInnen, die das | |
Aussterben zahlreicher Vogelarten und das schnelle Anwachsen schädlicher | |
Insekten voraussehen und um die heimische Flora fürchten. | |
## Keine klar umrissenen gemeinsamen Ziele | |
„Von der Machtelite erwarte ich genausowenig wie von der UNO“, sagt der | |
25jährige Mackensie McDonald. Am 1. März hat er sich zusammen mit anderen | |
UmweltschützerInnen in Los Angeles auf den Fußweg in die US-Hauptstadt | |
gemacht. Sie verlangen „Klima-Gerechtigkeit“ und ein Ende der fossilen | |
Brennstoffe als Basis der Ökonomie. Für die Demonstrationen und Debatten | |
haben die Klima-WandererInnen ihren langen Fußweg unterbrochen und sind für | |
ein paar Tage nach New York gekommen. | |
Die „People's Climate March“ lockt DemonstrantInnen nach New York, von | |
denen sich manche seit ihrem letztlich erfolglosen Protest gegen die | |
Irak-Invasion von 2003 komplett zurückgezogen hatten. Rund herum sind | |
andere Aktionen geplant. Darunter die Besetzung des Dag Hammarskjold Platz | |
am UN-Hauptquartier. Sowie – am Montag – eine symbolische Überflutung des | |
Finanzdistrikts rund um die Wall Street. | |
Vor der Demonstration haben Umweltschutzverbände und | |
KapitalismuskritikerInnen viel über die Ziele gestritten. Am Ende haben | |
sich die Angst vor der Klima-Katastrophe und die Wut über das Versagen und | |
die Feigheit der BerufspolitikerInnen durchgesetzt. Nicht jedoch klar | |
umrissene gemeinsame Ziele. „Das ist besser, als zuvor, aber nicht | |
perfekt“, sagt Naomi Klein. Und warnt: Wenn die Bewegung nur um Hilfe rufe | |
ohne Klarheit über die eigenen Ziele zu haben, drohe eine vermeintlich | |
„rettende“ Antwort von der anderen Seite mit noch mehr toxischen Soffen: | |
„AKWs, Biokraftstoff und Geotechnik“. | |
21 Sep 2014 | |
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## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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