# taz.de -- Menschenrechte in Saudi-Arabien: Grüne fordern Asyl für Badawi | |
> Die Opposition appelliert an Gabriel, sich in Saudi-Arabien für bedrohten | |
> Blogger einzusetzen. Auch Online-Kampagnen und Amnesty machen Druck. | |
Bild: Beispiellose Welle der Solidarität: Protest im Januar vor der saudischen… | |
BERLIN taz | Kurz bevor er mit einer Wirtschaftsdelegation in den Flieger | |
nach Saudi-Arabien steigt, um dort die Geschäfte mit dem Königreich | |
anzukurbeln, haben Linke und Grüne Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel | |
(SPD) aufgefordert, bei seiner Reise in die Golfregion die Menschenrechte | |
anzusprechen. Führende Vertreter der beiden Oppositionsparteien riefen den | |
Vizekanzler dazu auf, sich insbesondere für den zu Stockhieben verurteilten | |
Blogger Raif Badawi einzusetzen. Es gehe darum, den Golfstaaten deutlich zu | |
machen, dass sich die wirtschaftlichen Beziehungen schwieriger gestalten, | |
„wenn sich die Dinge nicht ändern“, sagte der außenpolitische Sprecher der | |
Linksfraktion, Jan van Aken. | |
Und die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt rief den SPD-Minister | |
sogar auf, dem Blogger Badawi Asyl in Deutschland anzubieten. Auch die | |
Ehefrau Badawis hat den Bundeswirtschaftsminister gebeten, sich für die | |
Freilassung und Ausreise ihres Mannes einzusetzen. Und die | |
Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, Selmin Caliskan, erklärte am | |
Freitag in Berlin: „Gabriel muss sich in Riad mehr trauen, weil sich der | |
Fall Badawi zugespitzt hat.“ | |
Der 31-jährige Blogger Raif Badawi ist in den letzten Wochen zum | |
bekanntesten Gesicht der liberalen Opposition in Saudi-Arabien | |
aufgestiegen, die sich in der ultrakonservativen Golf-Monarchie für die | |
Menschenrechte und die Gleichberechtigung von Mann und Frau einsetzt. Als | |
Gründer der Internetseite „Liberal Saudi Network“ bestand sein Vergehen aus | |
Sicht des saudischen Herrscherhauses darin, dass er in seinem Blog immer | |
wieder die Religionspolizei für ihre harte Hand bei der Durchsetzung | |
religiöser Vorschriften kritisiert hatte. | |
Nun droht ihm womöglich noch Schlimmeres, fürchtet Amnesty. Denn angeblich | |
wurde Badawis Verfahren jetzt an ein Strafgericht in der Stadt Dschidda | |
zurückverwiesen, wo ihm eine neue Anklage wegen Abfalls vom Glauben drohe. | |
Darauf stehe in dem ultrakonservativen Königreich die Todesstrafe, betonte | |
Amnesty-Chefin Caliskan. Badawis Ehefrau Ensaf Haidar floh nach der | |
Verhaftung Badawis mit den gemeinsamen Kindern nach Kanada, wo sie seither | |
in großer Sorge um ihren Ehemann lebt und auf seinen Fall aufmerksam macht. | |
Die beiden hatten vor zehn Jahren geheiratet, ihr Mann betrieb eine | |
englischsprachige Computerschule, gemeinsam haben sie zwei Töchter und | |
einen Sohn. | |
2013 war Badwawi in einem ersten Prozess wegen „Beleidigung des Islam“ zu | |
sieben Jahren Haft und 600 Stockhieben verurteilt worden; in einem | |
Berufungsprozess wurde die Strafe noch einmal auf zehn Jahre Haft und | |
tausend Stockhiebe erhöht. Sogar sein Anwalt Walid Abu al-Khair wurde zu 15 | |
Jahren Haft verurteilt. Die ersten 50 Hiebe musste Badawi am 9. Januar vor | |
einer Moschee in der Hafenstadt Dschiddah am Roten Meer erdulden. Die | |
weitere Vollstreckung wurde bislang ausgesetzt – zunächst offiziell aus | |
gesundheitlichen Erwägungen, später ohne Angabe von Gründen. | |
Wahrscheinlich ist, dass die massiven internationalen Proteste den Aufschub | |
bewirkt haben. Denn der Fall Badawi hat weltweit eine beispiellose Welle | |
der Solidarität ausgelöst. Amnesty International und mehrere | |
Online-Petitionen machten sich in den vergangenen Monaten für ihn stark – | |
zuletzt auf Avaaz, einer der größten Kampagnenseiten im Netz. Dort hatten | |
bis Freitag über 900 000 Menschen eine [1][Petition für Badawi] | |
unterzeichnet, die am Nachmittag an Gabriels Staatssekretärin im | |
Wirtschaftsministerium, die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypries, | |
überreicht wurde. Die Schriftstellerorganisation PEN setzt sich schon seit | |
2012 für Badawi ein, das deutsche PEN-Zentrum ernannte ihn im November 2014 | |
zum Ehrenmitglied, zwei norwegische Abgeordnete schlugen ihn im Februar | |
2015 für den Friedensnobelpreis vor. | |
## Rekordzahl an Todesurteile | |
Der Fall Badawi wirft ein grelles Licht auf die Menschenrechtslage in dem | |
Königreich, das als wichtiger Öl-Lieferant und enger Verbündeter des | |
Westens im Kampf gegen den Terror gilt. Doch bei Todesstrafen und | |
vollstreckten Hinrichtungen liegt Saudi-Arabien laut Amnesty hinter China, | |
Iran und dem Irak derzeit weltweit auf Platz vier. Auch der neue König | |
Salman habe bisher keine Milde erkennen lassen: „Wir hätten eine Amnestie | |
erwartet. Das ist nicht passiert“, sagt Amnesty-Chefin Selmin Caliskan. | |
Raif Badawi gehört einem kleinen Kreis von Menschenrechts-Aktivisten im | |
saudischen Königreich an, der schon früher für internationale Schlagzeilen | |
gesorgt hat. Badawis Schwester Samar Badawi saß sieben Monate in Haft, weil | |
sie sich gegen ihren Vater aufgelehnt hatte und als Teil der Kampagne | |
„women2drive“ den Behörden trotzte. Denn Frauen, die Auto fahren, drohen | |
seitens der saudischen Justiz zehn Peitschenhiebe. Verheiratet ist Samar | |
Badawi mit dem Anwalt al-Khair, der auch ihren Bruder vertritt und der drei | |
Wochen vor dessen Verurteilung im Gerichtssaal festgenommen und zu 15 | |
Jahren Haft verurteilt wurde. | |
Gabriel hat bereits angekündigt, mit der saudi-arabischen Regierung über | |
den Fall sprechen zu wollen. Er vertritt aber den Standpunkt, es sei für | |
die Betroffenen besser, hinter den Kulissen für sie einzutreten. „Wir | |
werden das, was in unserer Macht steht, tun, um darauf hinzuwirken, dass | |
dort eine gute Lösung gefunden wird“, hatte auch ein Sprecher von | |
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Anfang der Woche in Berlin | |
erklärt. „Uns ist das Schicksal von Herrn Badawi nicht gleichgültig.“ | |
6 Mar 2015 | |
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[1] http://secure.avaaz.org/de/free_raif_badawi_loc/?slideshow | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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