# taz.de -- Österreich und Stockschläge für Blogger: König Abdullah schweig… | |
> Das König-Abdullah-Zentrum für interkulturellen Dialog in Wien | |
> kommentiert den Fall des Bloggers Raif Badawi nicht. Die Politiker | |
> hingegen distanzieren sich. | |
Bild: Mahnwache der Grünen vor dem König-Abdullah-Zentrum für Raif Badawi. | |
WIEN taz | König Abdullah von Saudi-Arabien ist beerdigt. Sein Name lebt | |
weiter, auch wenn das von ihm initiierte König-Abdullah-Zentrum für | |
interreligiösen und interkulturellen Dialog in Wien zuletzt in die Kritik | |
geraten ist, nachdem der Blogger Raif Badawi wegen Religionskritik zu zehn | |
Jahren Haft und tausend Stockschlägen verurteilt worden war. | |
Während die Grünen sich vor dem Zentrum versammelten und Badawis | |
Freilassung forderten, appellierten der Bundespräsident Heinz Fischer und | |
der Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) an die saudische Regierung, den | |
Blogger zu begnadigen. „Begnadigen kann man Verbrecher“, urteilt dagegen | |
der Kolumnist Günter Traxler in der Zeitung Der Standard: „Wenn Badawi für | |
etwas begnadigt werden soll, was an der hiesigen Adresse des Dialogzentrums | |
nicht nur als kein Delikt gilt, sondern als Tugend gelten sollte, nämlich | |
Aufforderung zu religiöser Toleranz, dann zeigt sich darin der dicke Wurm | |
in der Dialogpartnerschaft.“ | |
Im Gründungsdokument, das von Vertretern der drei Trägerstaaten Österreich, | |
Spanien und Saudi-Arabien im Oktober 2011 unterzeichnet wurde, sieht man | |
sich den Grundrechten „ohne Unterscheidung von Rasse, Geschlecht, Sprache | |
oder Religion“ verpflichtet. Dennoch verweigerte das König-Abdullah-Zentrum | |
jede Stellungnahme zu den Stockschlägen. | |
Der Bundeskanzler Faymann (SPÖ) findet das unmöglich. Es sei ein Fehler | |
gewesen, dieses Zentrum mitzugründen. Schließen könne man es nicht. Aber | |
Österreich solle sich schleunigst daraus zurückziehen. Denn wenn man für | |
den Dialog der Religionen sei, dürfe man zu Grausamkeiten im Namen der | |
Religion nicht schweigen. Der Bundespräsident mahnte dagegen zur Umsicht. | |
Brücken seien leichter abgebrochen als aufgebaut. | |
## Relativierung der Todesstrafe | |
In der Öffentlichkeit ist die Arbeit des Zentrums nicht angekommen. Auf der | |
Homepage wird auf eine Reihe von Aktivitäten verwiesen, darunter auf eine | |
Diskussion zum „Religiösen Pluralismus als Weg zur globalen | |
Staatsbürgerschaft“. Das Zentrum hat den Terror des IS und den Anschlag auf | |
Charlie Hebdo verurteilt, doch zum institutionellen Terror im Gründerstaat, | |
der den Großteil der Kosten trägt, will es sich nicht äußern. | |
Bis vor wenigen Tagen war Claudia Bandion-Ortner, die ehemalige | |
Justizministerin für die ÖVP, die stellvertretende Generalsekretärin des | |
Zentrums. Im Oktober wurde sie in einem Interview mit dem Magazin profil | |
auf die Hinrichtungspraxis Saudi-Arabiens angesprochen. Es werde ohnehin | |
„nicht jeden Freitag“ geköpft, relativierte sie die Praxis der öffentlich | |
vollzogenen Todesstrafe. Den damals bereits erhobenen Rücktrittsforderungen | |
kam sie erst Mitte Januar nach. Offenbar auf Drängen von Außenminister | |
Kurz. | |
Der will sich Ende Februar bei einem Besuch in Riad für den eingekerkerten | |
Blogger verwenden und Österreichs weitere Beteiligung am | |
König-Abdullah-Zentrum vom Schicksal Badawis abhängig machen. Bisher wurden | |
die Stockschläge „aus medizinischen Gründen“ ausgesetzt. Doch die massiven | |
internationalen Proteste und Appelle dürften auch nicht ganz ohne Wirkung | |
geblieben sein. | |
König Abdullah galt im konservativen Saudi-Arabien als Reformer. Die | |
Nahostexpertin Karin Kneissl sagt, die konservativen wahhabitischen Imame | |
hätten große Schritte nicht zugelassen. Vom neuen König, dem 79-jährigen | |
Salman, erwartet niemand große Reformen. Das Dialogzentrum in Wien soll den | |
Saudis dazu gedient haben, Ideen zu diskutieren, die zu Hause tabu sind. | |
Letztendlich sollen sie nach Saudi-Arabien hineinwirken. | |
Ist das König-Abdullah-Zentrum ein Instrument gegen die Wahhabiten? Oder | |
dient es doch nur als Feigenblatt für eine verkrustete Monarchie, in der | |
die technologische Moderne mit dem gesellschaftspolitischen Mittelalter | |
koexistiert? Der Kolumnist Traxler hat einen Vorschlag zur Rehabilitierung: | |
die Umbenennung in „Raif-Badawi-Zentrum für den interreligiösen Dialog“. | |
26 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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