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# taz.de -- Buch über Osteuropapolitik und Russland: Das politische Gedächtni…
> „Russland verstehen“ ist eine Nachhilfestunde in osteuropäischer Politik
> der letzten Jahre. Trotzdem ist es keine Entschuldigungsschrift für
> Putin.
Bild: Russland verstehen ist nicht gleich Putin verstehen.
Russland zu verstehen ist offenbar vielen Menschen ein Bedürfnis. Bereits
kurze Zeit nach Erscheinen ist Gabriele Krone-Schmalz’ Buch „Russland
verstehen“ auf der [1][Bestsellerliste des bekanntesten aller
Onlinebuchhändler] ziemlich weit oben angekommen. Das zeigt, dass die
ehemalige Fernsehjournalistin einen Nerv getroffen hat.
Tatsächlich leistet sie mit ihrem Buch einen Beitrag zum Schließen einer
schmerzlichen Lücke: jener Lücke, die sich um die Ukrainekrise herum in der
hiesigen Berichterstattung aufgetan hat, was politische und historische
Zusammenhänge betrifft. Nicht dass es nicht auch gut recherchierte, um
Informationssicherheit bemühte Hintergrundbeiträge gegeben hätte. Allein
quantitativ überwogen jedoch so stark die engagierten Pro-Maidan-Beiträge
und -Reportagen, dass es zunehmend schwierig bis unmöglich wurde, nicht
emotional Stellung zu beziehen.
Auch Gabriele Krone-Schmalz ist durchaus emotional. Wer sie noch aus ihrer
Zeit als Moskau-Korrespondentin und Kommentatorin der ARD aus dem Fernsehen
kennt, sieht sie bei der Lektüre gleichsam vor sich. Der stark rhetorische,
dabei sehr lebendige Stil ihres Buches scheint einem Vortrag fast eher
angemessen als einem gedruckten Sachbuch. Manches ist möglicherweise sogar
für den mündlichen Vortrag entstanden und hätte noch etwas nachlektoriert
werden können.
Formulierungen wie „Haben Sie einmal darüber nachgedacht, dass …?“ wirken
gedruckt noch herablassender als im TV-Kommentar. Dennoch ist es ungemein
erfrischend, wie meinungsstark diese gestandene Grande Dame des
Russlandverstehens dem allgemeinen Drang zum Putin-Bashing trotzt.
## Wer sind die „Russlandversteher“?
Und mit einem hat sie ganz hundertprozentig und zweifellos recht: „Wie ist
es um die politische Kultur eines Landes bestellt, in der ein Begriff wie
’Russlandversteher‘ zur Stigmatisierung und Ausgrenzung taugt?“, leitet
Krone-Schmalz ihre Ausführungen ein. Eine, wie es ihrem Stil entspricht,
selbstverständlich rhetorische Frage.
Wenn man von der etwas überengagierten Rhetorik absieht, ist „Russland
verstehen“ eine sehr fesselnd zu lesende und kompakte Nachhilfestunde in
puncto osteuropäischer Politik bzw. internationaler Osteuropapolitik der
letzten Jahrzehnte. Das politische Gedächtnis reicht ja oft nicht sehr weit
zurück; Krone-Schmalz frischt es allen noch einmal auf.
Unter anderem erinnert sie daran, welch großes Entgegenkommen vonseiten der
Sowjetunion es war, die Nato-Mitgliedschaft des wiedervereinigten
Deutschland zuzulassen (von der Wiedervereinigung selbst ganz zu
schweigen), wogegen die Zusicherung des Westens, die Nato werde nicht
weiter in Richtung der sowjetischen Grenze ausgedehnt, stillschweigend
fallen gelassen wurde, als es die Sowjetunion nicht mehr gab.
Im Zeitraffer lässt die Autorin die sowjetische/russische Geschichte der
letzten zwei Jahrzehnte Revue passieren; ebenso die Entwicklungen in der
Ukraine. Und zeigt an vielen gut belegten Beispielen, wie vorschnell
deutsche Medien oft bereit waren und sind, in der Berichterstattung Partei
zu ergreifen und Vermutungen als Fakten zu präsentieren.
Krone-Schmalz ist keine Putin-Apologetin. Wer das nach der Lektüre immer
noch denkt, hat sie absichtlich falsch verstanden. Ihr großes Anliegen ist,
dass auch in den deutschen Medien (die Politik ist da natürlich viel
weiter) wieder eine differenziertere Sichtweise einkehrt. Und das ist
schließlich etwas, was sich jeder denkende Mensch nur wünschen kann.
12 Mar 2015
## LINKS
[1] http://www.amazon.de/gp/bestsellers/books
## AUTOREN
Katharina Granzin
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