| # taz.de -- Alternative Nobelpreise: „AkteurInnen des Wandels“ | |
| > Die PreisträgerInnen des „Alternativen Nobelpreises“ 2021 stehen fest. | |
| > Sie haben sich für Frauen, Indigene und Klimaschutz eingesetzt. | |
| Bild: Preisträgerin Marthe Wandou in Kamerun | |
| Stockholm taz | Die diesjährigen PreisträgerInnen des „Right Livelihood | |
| Award“, besser bekannt als „Alternative Nobelpreise“ wurden am Mittwoch in | |
| Stockholm bekanntgegeben. Es sind Personen und Organisationen, denen laut | |
| Stiftung des Preises gemeinsam ist, dass sie „Gemeinschaften gegen Gewalt | |
| und Klimawandel mobilisieren“. Der Preis geht nach Kamerun, Russland, | |
| Kanada und Indien, geehrt wird der Einsatz für die Rechte von Frauen und | |
| Mädchen, indigenen Völkern und für den Klimaschutz. | |
| Mit Wladimir Sliwjak wird der Co-Vorsitzende und Mitbegründer von | |
| [1][Ecodefense] geehrt, einer der führenden Umweltorganisationen Russlands. | |
| Ecodefense engagiert sich für Umweltschutz, gegen die Atomwirtschaft und | |
| für die Förderung erneuerbarer Energien in Russland. Die Organisation hat | |
| Kampagnen gegen umwelt- und klimaschädliche Projekte wie den Abbau fossiler | |
| Brennstoffe geführt. | |
| Dabei ging es um Ölbohrungen in der Ostsee oder Steinkohle-Tagebaue in | |
| Sibirien, deren [2][Kohle teilweise auch nach Deutschland exportiert] und | |
| im umstrittenen Steinkohlekraftwerk Datteln IV verbrannt wird. Außerdem | |
| beteiligte man sich an Protesten gegen den Import radioaktiver Abfälle aus | |
| Ländern wie Deutschland sowie an Aktionen gegen den Plan des Atomkonzerns | |
| [3][Rosatom, bei der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen | |
| einzusteigen]. | |
| Obwohl Sliwjak und Ecodefense in den vergangenen Jahren wegen ihrer Arbeit | |
| zunehmend ins Visier der russischen Behörden geraten sind, hätten sie ihren | |
| Kurs beibehalten und Erfolge erzielen können, heißt es in der | |
| Preisbegründung. Das beweise, „dass selbst im autoritären Russland | |
| zivilgesellschaftliche Initiativen staatlich unterstützten Projekten | |
| wirksam etwas entgegensetzen können“. | |
| ## „Hellauf begeistert“ | |
| Die indische „[4][Legal Initiative for Forest and Environment]“ (LIFE) | |
| erhält den Preis „für ihre innovative juristische Arbeit, mit der sie | |
| Gemeinden in Indien beim Schutz ihrer natürlichen Ressourcen und in ihrem | |
| Einsatz für eine ökologische Demokratie unterstützt“. Gegründet 2008 von | |
| den Rechtsanwälten Ritwick Dutta und Rahul Choudhary, machte sich die | |
| Organisation mit ihren JuristInnen zur Aufgabe, lokale Gemeinschaften dabei | |
| zu unterstützen, sich gegen umweltschädliche Anlagen oder die Abholzung von | |
| Wäldern zu wehren. Auch verklagte LIFE die Verursacher von Umwelt- und | |
| Gesundheitsschäden auf Entschädigungszahlungen. Einer der ersten Erfolge | |
| der Organisation war 2013 ein Verfahren gegen das britische | |
| [5][Bergbauunternehmen Vedanta im Bundesstaat Odisha], das als | |
| Präzedenzfall gilt. Der Oberste Gerichtshof Indiens urteilte, dass für den | |
| Start eines solchen Projekts die Zustimmung der örtlichen Gemeinde | |
| erforderlich ist. | |
| LIFE-Gründer Ritwick Dutta war „hellauf begeistert“ über die | |
| Preisverleihung: „Es ist unser erster internationaler Preis, er bedeutet | |
| sehr viel für uns und alle lokalen Gruppen in Indien, die wir | |
| unterstützen“. Die Auszeichnung werde helfen, „die Wirksamkeit unserer | |
| Arbeit zu erhöhen und mehr Menschen dabei zu unterstützen, die Natur und | |
| ihre Lebensgrundlagen zu schützen.“ | |
| Ein weiterer Preis geht nach Kamerun. Marthe Wandou wird für ihre Art des | |
| Kinderschutzes „angesichts terroristischer Übergriffe und | |
| geschlechtsspezifischer Gewalt in der Tschadseeregion in Kamerun“ geehrt. | |
| Die Juristin gründete 1998 die Organisation „[6][Action Locale pour un | |
| Développement Participatif et Autogéré]“ (ALDEPA) und engagiert sich | |
| seitdem für die Prävention und Bekämpfung sexueller Gewalt insbesondere | |
| gegen Mädchen sowie für die Betreuung der Opfer solcher Gewalt. | |
| ## Arbeit mit Flüchtlingen und Binnenvertriebenen | |
| Mehr als 50.000 Mädchen haben bisher von ALDEPA profitiert. Der | |
| ganzheitliche Ansatz der Organisation umfasst neben Bildung und rechtlichem | |
| Beistand auch psychosoziale Betreuung. Diese spielt eine besondere Rolle in | |
| Wandous Arbeit mit Flüchtlingen und Binnenvertriebenen infolge der | |
| Übergriffe der Extremistengruppe Boko Haram in der Provinz Extrême-Nord im | |
| Norden von Kamerun. | |
| ALDEPA hat dazu beigetragen, Kinderehen nach und nach zurückzudrängen. | |
| Darüber hinaus fördert die Organisation Fortbildungen von Menschen, die im | |
| Kinderschutz tätig sind. In Fällen von Vergewaltigung, Entführung und | |
| körperlicher Gewalt unterstützt man Familien in Verfahren zur | |
| Strafverfolgung. | |
| „In einem Umfeld, das von menschenrechtsverletzenden kulturellen Praktiken | |
| und existentieller Unsicherheit geprägt ist, übernimmt Wandou eine | |
| couragierte Führungsrolle im Kampf gegen sexuelle Gewalt und für das | |
| Wohlergehen von Mädchen und Frauen in Kamerun und im Tschadbecken“, heißt | |
| es in der Preisbegründung. | |
| „Furchtlosen Einsatz“ will die Right Livelihood-Stiftung auch mit ihrem | |
| Preis für Freda Huson ehren. Sie ist ein weibliches Oberhaupt der | |
| [7][Wet’suwet’en First Nation] in der kanadischen Provinz British Columbia. | |
| Seit 2010 ist sie Koordinatorin des [8][Unist’ot’en-Camp], das zum | |
| wichtigsten Anlaufpunkt für Angehörige der Wet’suwet’en und anderer | |
| indigener Völker in Kanada und von UmweltschützerInnen geworden ist. Sie | |
| kämpfen unter anderem gegen den Bau der Coastal GasLink-Pipeline, durch die | |
| Schiefergas durch British Columbia transportiert werden soll. Dieser | |
| Widerstand konnte das Pipeline-Projekt bislang bereits um Jahre verzögern, | |
| es ist aber nach wie vor im Bau. | |
| ## „Gemeinsam können wir noch mehr erreichen“ | |
| „Ich protestiere nicht“, sagte sie kürzlich in einem Interview: „Ich | |
| befolge das Wet'suwet'en- Gesetz, indem ich mein Land besetze.“ Für ihr | |
| Volk bedeute die jetzige Auszeichnung, „dass wir noch mehr erreichen | |
| können, wenn wir uns mit vielen anderen auf der ganzen Welt zusammentun, | |
| die das gleiche Ziel verfolgen“. | |
| Die Right Livelihood PreisträgerIinnen 2021 seien „unerschrockene | |
| MobilisiererInnen, die zeigen, was Graswurzelbewegungen bewirken können“, | |
| sagte Ole von Uexküll, Direktor von Right Livelihood. Die Vereinigung hat | |
| seit 1980 186 PreisträgerInnen aus 73 Ländern ausgezeichnet: Die | |
| AktivistInnen leisteten „nicht nur Widerstand, sondern mobilisieren ganze | |
| Gemeinschaften, ihre Rechte einzufordern. Sie werden zu AkteurInnen des | |
| Wandels, wo Regierungen versagen.“ | |
| Die PreisträgerInnen des Jahres 2021 werden am 1. Dezember im Rahmen einer | |
| Live-Veranstaltung in Stockholm geehrt. | |
| 29 Sep 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.ecodefense.ru | |
| [2] /Steinkohlekraftwerk-Datteln-IV/!5795192 | |
| [3] /Atom-Fabrik-in-Lingen/!5771712 | |
| [4] http://www.thelifeindia.org.in | |
| [5] /Indigene-verhindern-Mine-in-Indien/!5060865 | |
| [6] https://www.aldepa-cameroun.org/ | |
| [7] https://www.wetsuwetenfirstnation.com/index.html | |
| [8] https://unistoten.camp/ | |
| ## AUTOREN | |
| Reinhard Wolff | |
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