| # taz.de -- Alternativer Nobelpreis für Aktivisten: „Die Klimakrise wartet n… | |
| > Der russische Umweltaktivist Vladimir Slivyak bekommt den Alternativen | |
| > Nobelpreis. Im Interview erzählt er von seinem Kampf für mehr | |
| > Umweltschutz. | |
| Bild: Der russische Umweltaktivist Vladimir Slivyak | |
| In diesem Jahr geht der [1][Alternative Nobelpreis] unter anderem an den | |
| russischen Umweltaktivisten Vladimir Slivyak. Er habe mit Ecodefense eine | |
| der führenden Umweltorganisationen in Russland gegründet und sei „einer der | |
| engagiertesten und klügsten Umweltaktivisten Russlands“, teilte die | |
| Right-Livelihood-Stiftung mit. Vladimir Slivyak setzt sich mit Ecodefense | |
| seit 1989 für Umweltschutz in Russland ein. Die Gruppe verhinderte unter | |
| anderem den Bau eines Atomkraftwerks in Kaliningrad. | |
| taz: Herr Slivyak, was bedeutet Ihnen dieser Preis? | |
| Vladimir Slivyak: Ich widme ihm nicht nur mir, sondern allen | |
| Aktivist:innen in Russland, die jeden Tag kämpfen, die immer noch mit | |
| Repressionen zu kämpfen haben. | |
| Was bedeutet es, Umweltaktivist in Russland zu sein? | |
| Es ist und bleibt sehr gefährlich. Man kann jederzeit ins Gefängnis kommen, | |
| völlig ohne Grund. Demonstrationen sind nicht gestattet. Medien stehen | |
| unter staatlicher Kontrolle, sodass es schwer ist, die Bevölkerung zu | |
| informieren. 2014 hat die Regierung Ecodefense zu einer Organisation | |
| geheimer Agenten aus dem Ausland erklärt, um uns das Leben noch schwerer zu | |
| machen. Doch wir lassen uns nicht einschüchtern und haben seitdem 30 | |
| Prozesse vor Gericht geführt. Das hat uns zehntausende Euro gekostet. Nach | |
| diesem Kampf nun den Alternativen Nobelpreis zu gewinnen, freut mich | |
| ungemein und motiviert, weiterzumachen. | |
| Wie wirkt sich die Klimakrise auf Russland aus? | |
| Schlimmer als im Rest der Welt, sagt die Wissenschaft. Der Permafrost | |
| schmilzt und gefährdet Infrastruktur. Auch und gerade Ölpipelines oder | |
| Kernkraftwerke, die darauf gebaut sind. Im Süden flutet es häufiger. | |
| Waldbrände nehmen zu. Der Kohleabbau ist ein Desaster für die Umwelt. Es | |
| ist schon sehr erstaunlich, dass die Regierung das bis zu diesem Jahr noch | |
| gar nicht registriert hat. | |
| Was hat sich dieses Jahr verändert? | |
| Zum ersten Mal hat Präsident Putin im Frühjahr beim Climate Summit in den | |
| USA anerkannt, dass sich das Klima wandelt, und man dagegen vorgehen muss. | |
| Bis dahin hat er jahrzehntelang abgewiegelt; die Forschung sei uneins, der | |
| Mensch wirke sich nicht aufs Klima aus. Aber es bleiben erst mal nur Worte. | |
| Denn noch immer lebt Russland vom Verkauf fossiler Energien wie Öl, Kohle | |
| und Gas. | |
| Wie hoch ist der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix in Russland? | |
| Weniger als ein Prozent. In Anbetracht der Tatsache, dass in Sibirien | |
| entgegen den Klischees viel Sonne scheint und es viel Platz für | |
| Photovoltaikanalgen gibt, scheint das umso absurder. Auch Windkraftanlagen | |
| finden viel Raum im ganzen Land. Und jedes Kilowatt Strom in Russland hat | |
| im Schnitt drei Mal so viel CO2 emittiert wie Europa. Unsere | |
| Energieeffizienz ist dank Kohle und Gas miserabel. Deswegen fordern wir, | |
| sofort die Kohle- und [2][Atomkraftwerke] zu schließen. | |
| Unternimmt die [3][russische Regierung] denn Schritte gegen die Klimakrise? | |
| Es gibt einzelne Versuche, Treibhausgase einzufangen und zu speichern, | |
| anstatt die Emissionen wirklich zu reduzieren. Das sind aber nur | |
| Alibi-Projekte. Und am Öl, an der Kohle, am Atomstrom hält man weiter fest. | |
| Russlands Wirtschaft hängt stark von Europa ab, entgegen aller Beteuerungen | |
| Putins. Welche Signale können von der EU ausgehen? | |
| Der Green Deal ist schon mal ein guter Schritt. Damit kann ich nach | |
| Russland gehen und aufzeigen, wohin die Reise geht. Denn global sind alle | |
| Länder stark vernetzt, und Russland besonders mit europäischen Ländern wie | |
| Deutschland. Der Green Deal kann wegweisend sein. Umso weniger verstehe | |
| ich, dass die neue EU-Taxonomie, eine Art Regelwerk für nachhaltige | |
| Investitionen, Atomkraft enthalten soll. Das lehnen wir absolut ab. Sollte | |
| die EU weiterhin Gelder für Atomkraftwerke als umweltfreundlich erachten, | |
| kann sich Russland weiter mit Atomstrom versorgen und sagen: Europa macht | |
| es doch auch. | |
| Sie werden sich nun wohl nicht auf dem Nobelpreis ausruhen. Was sind die | |
| nächsten Schritte mit Ecodefense? | |
| Wir wollen die Gelder für russischen Kohle- und Atomstrom trockenlegen. | |
| Dafür reden wir mit europäischen Energieversorgern und Banken, etwa auch | |
| der deutschen Commerzbank, die weiter russischen Strom einkaufen. Es kann | |
| nicht sein, dass die Banken weiter Bonds ausstellen. Wir kooperieren dabei | |
| auch mit europäischen NGOs. | |
| Was sagen die Banken? | |
| Sie glauben, in die richtige Richtung zu gehen. Aber das muss deutlich | |
| schneller gehen. Die Klimakrise wartet nicht. | |
| 30 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Nathanael Häfner | |
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