# taz.de -- Weltweit weniger Strom aus Kernkraft: Atomwirtschaft auf dem Rückz… | |
> Erneuerbare Energien boomen, die Kernspaltung verliert. Beim globalen | |
> Strommix ist der Anteil von Atomstrom auf 10 Prozent gesunken, so ein | |
> Report. | |
Bild: Nicht nur in Deutschland stehen Atomkraftwerke vor dem aus: Isar 1 und Is… | |
FREIBURG taz | Seit Jahren stagniert die weltweite [1][Atomkraft] – eine | |
Entwicklung, die sich auch im Jahr 2020 fortsetzte. Den weiteren | |
Bedeutungsverlust der Nuklearwirtschaft verhindert vor allem [2][China]: | |
Ohne den Zubau der Reaktoren im Reich der Mitte wäre die globale | |
Atomstromerzeugung im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit 1995 | |
gefallen. | |
Diese Zahlen gehen aus dem alljährlich publizierten World Nuclear Industry | |
Status Report (WNISR) hervor, der am Dienstag zeitgleich in Washington und | |
Paris vorgestellt wurde. Der Report gilt als die profundeste öffentlich | |
verfügbare Datenanalyse zur globalen Atomwirtschaft. Hauptautor des im Jahr | |
1992 erstmals erschienenen Reports ist Mycle Schneider, ein deutscher | |
Energie- und Atompolitikberater, ansässig in Paris. Sein Co-Autor ist | |
Antony Froggatt, Berater beim britischen Thinktank Chatham House. | |
Finanziert wird die Branchenanalyse von Sponsoren; in diesem Jahr sind es | |
mehrere Stiftungen, ferner die europäischen Grünen und die | |
Elektrizitätswerke Schönau. Trotz atomkritischer Geldgeber erfahren die | |
Ausarbeitungen, da sie sehr faktenbasiert sind, auch in der Atomwirtschaft | |
stets Anerkennung. | |
Der jüngste Report zeigt, dass sich China, gemessen an der erzeugten | |
Atomstrommenge, im Jahr 2020 auf Platz zwei hinter die USA und erstmals vor | |
Frankreich geschoben hat, wo der Anteil der Atomkraft am Strommix auf den | |
niedrigsten Stand seit 1985 sank. Aber auch in China stieg die | |
Atomstromerzeugung langsamer als in früheren Jahren: Nur noch um 4,4 | |
Prozent legte sie im Pandemiejahr zu – die niedrigste Wachstumsrate seit | |
2009. | |
Weltweit wurden 2020 fünf neue Reaktoren in Betrieb genommen, darunter die | |
ersten in Weißrussland und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Zugleich | |
wurden sechs Blöcke abgeschaltet. Damit liegt der Anteil der Atomkraft an | |
der weltweiten Stromerzeugung seit einigen Jahren bei rund 10 Prozent und | |
längst weit unter seinem Höchststand von 17,5 Prozent im Jahr 1996. | |
Zugleich wird die globale Atomflotte immer älter: Das Durchschnittsalter | |
der laufenden Reaktoren liegt heute bei etwa 31 Jahren, jede fünfte Einheit | |
erreicht schon 41 Jahre oder mehr. | |
Längst haben die Investitionen in erneuerbare Energien jene in Atomkraft | |
weit hinter sich gelassen – mit mehr als 300 Milliarden US-Dollar betrugen | |
sie das 17-Fache dessen, was die Atomwirtschaft vermelden konnte. Zugleich | |
haben in der EU die Erneuerbaren im vergangenen Jahr erstmals auch ohne die | |
Wasserkraft mehr Strom erzeugt als die gesamten Atomreaktoren. | |
## Selbst bestehende Reaktoren haben Schwierigkeiten | |
Die Ökonomie weist deutlich den Weg: Selbst bestehende Reaktoren hätten | |
„zunehmend Schwierigkeiten, gegenüber ihren Konkurrenten auf dem Markt zu | |
bestehen“, heißt es in dem Report. In vielen Regionen liege der Preis von | |
Strom aus Solar- und Windenergie bereits weit unter den Betriebs- und | |
Wartungskosten von Atomkraftwerken. Auch die in jüngster Zeit viel | |
diskutierten neuen Reaktortypen, wie der Small Modular Reactor (SMR), | |
könnten selbst unter günstigsten Umständen wahrscheinlich nicht | |
wirtschaftlich werden. | |
Unklar sei ohnehin, ob das neue Reaktordesign jemals kommerziell verfügbar | |
sein werde. Für die kommenden 10 bis 15 Jahren hält der WNISR das | |
jedenfalls für ausgeschlossen, nachdem Pilotprojekte in Argentinien, China | |
und Russland enttäuschend verlaufen seien. Somit gebe es „keine neuen | |
Anzeichen für einen großen Durchbruch für SMRs, weder technologisch noch | |
kommerziell“. | |
Entsprechend ist es mit der von der Atomwirtschaft gerne postulierten | |
Zubauoffensive nicht weit her. Weltweit sind derzeit 53 Einheiten im Bau – | |
im Jahr 2013 waren es noch 69. Die Bauzeiten sind zudem lang: In 19 Prozent | |
der Fälle liegt der Baubeginn ein Jahrzehnt oder länger zurück; das | |
betrifft auch die europäischen Projekte Olkiluoto-3 in Finnland (Baubeginn | |
2005) und Flamanville-3 in Frankreich (2007). | |
28 Sep 2021 | |
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[1] /Atomkraft/!t5008060 | |
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## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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