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# taz.de -- Stromerzeugung weltweit: Erneuerbare überflügeln Atomkraft
> Wind- und Solarenergie boomen weltweit. Sie werden immer billiger,
> während Atomstrom teurer wird. Das liegt an den langen Bauzeiten der
> AKWs.
Bild: Positives Zeichen: Sonnenblumen vor dem abgeschlteten Atomkraftwerk Fesse…
Freiburg taz | Es ist ein Ereignis mit viel Symbolkraft: Im Jahr 2019 haben
die erneuerbaren Energien – ohne die traditionsreiche Wasserkraft gerechnet
– weltweit erstmals die Atomkraft überflügelt. Im globalen Strommix hatten
die „neuen Erneuerbaren“ einen Anteil von 10,39 Prozent, während die
Atomkraft auf 10,35 Prozent kam. Noch ist der Vorsprung hauchdünn, doch in
den nächsten Jahren dürfte er erheblich wachsen, denn Windkraft und
Photovoltaik entwickeln sich weitaus dynamischer als die Atomwirtschaft.
Diese und viele weitere Daten liefert der am Donnerstag, 24. September,
vorgestellte [1][World Nuclear Industry Status Report] (WNISR). Verfasser
ist federführend Mycle Schneider, ein international profilierter
Atompolitikberater aus Paris, Co-Autor ist Antony Froggatt Energieexperte
bei der Denkfabrik [2][Chatham House] in London. Auf nicht weniger als 359
Seiten liefert der Report einmal mehr den detailliertesten Überblick, den
es alljährlich zur globalen Atomwirtschaft gibt. Erstmals 1992 hatte
Schneider eine solche Analyse publiziert, seit 2007 erschien sie – mit
einer Ausnahme – jährlich.
Der jüngste Bericht macht deutlicher denn je, wie sehr die Stromwirtschaft
rund um den Globus inzwischen erneuerbar geprägt ist. Die Photovoltaik nahm
im vergangenen Jahr weltweit um 98 Gigawatt zu, die Windkraft um 59
Gigawatt – während die Atomkraft gerade um 2,4 Gigawatt zulegte. Weltweit
wurde zehnmal so viel Geld in Erneuerbare investiert als in AKW.
Selbst in China, jenem Land, das mehr als alle anderen auf neue Atommeiler
setzt, wird seit Jahren mehr Windstrom als Atomstrom erzeugt. 2019 lag der
Vorsprung bei 406 gegenüber 330 Terawattstunden. Auch die Photovoltaik mit
zuletzt 224 Terawattstunden ist dem Nuklearstrom längst auf der Fersen. In
Indien ließ der Solarstrom im Jahr 2019 die Atomkraft erstmals hinter sich.
## Die Kosten entscheiden
Warum die Welt so sehr auf die Erneuerbaren setzt, zeigen vor allem diese
Zahlen aus dem neuen Report: Die Stromgestehungskosten großer Solaranlagen
sind in den vergangenen zehn Jahren um 89 Prozent gesunken, jene der
Windkraftanlagen um 70 Prozent – während die Kosten der Atomkraft um 26
Prozent stiegen.
Die Relationen der neuen Energiewelt zeigen sich anschaulich in den
Vereinigten Arabischen Emiraten (VEA). Dort ist aktuell eine
Gigawatt-Photovoltaikanlage in Planung, die ab 2022 Strom für 1,35
Dollarcents je Kilowattstunde liefern soll. Der Strom aus dem Atomreaktor
Barakah, der im August in den VAE als der erste in der arabischen Welt in
Betrieb ging, ist offiziell mit 7,2 Dollarcents kalkuliert. Und selbst
dieser Wert ist laut WNISR noch zu niedrig angesetzt. Die amerikanische
Investmentbank Lazard, so heißt es weiter, taxiere die Kilowattstunde aus
neuen Atomkraftwerken international aktuell auf 11,8 bis 19,2 Dollarcents.
Mitverantwortlich für die hohen Kosten des Atomstroms sind die langen
Bauzeiten. Im Mittel dauert es inzwischen zehn Jahre, bis Neubauten nach
dem Spatenstich ans Netz gehen. Verzögerungen gegenüber dem Plan sind
üblich: Von den 52 Blöcken, die weltweit derzeit als „im Bau“ bezeichnet
werden, seien mindestens 33 im Verzug. Von den 13 Reaktoren, die laut
Prognosen zum Jahresbeginn weltweit im Jahr 2019 in Betrieb gehen sollten,
wurden nur sechs tatsächlich fertig. In der selben Zeit gingen fünf AKWs
vom Netz.
## Alternde Atommeiler
Die Kraftwerke altern unterdessen erheblich. Im Juli 2020 waren die
Reaktoren weltweit im Mittel bereits 30,7 Jahre alt, jeder fünfte ist heute
älter als 40 Jahre. Besonders in den USA und Frankreich sind die Meiler
hochbetagt – die AKW-Flotte erreicht dort ein mittleres Alter von 40
beziehungsweise 35 Jahren. Mycle Schneider prägte in diesem Kontext einmal
den Begriff „Technologie-Geriatrie“.
Zum 1. Juli 2020 waren laut Report weltweit 408 Reaktoren in Betrieb, neun
weniger als ein Jahr zuvor. Die internationale Atomenergiebehörde (IAEA)
zählt etwas anders und kommt zum Stichtag auf 440 Reaktoren. Der
entscheidende Unterschied: Der WNISR rechnet jene Reaktoren heraus, die
sich in „Long-Term Outage“ befinden – also seit mindestens anderthalb
Jahren ruhen.
Die Atombehörde hingegen zählt noch alle Anlagen mit, die nicht offiziell
stillgelegt wurden. Zum Beispiel wertete sie vier Fukushima-Reaktoren noch
bis 2019 in der Kategorie „in Betrieb“, obwohl diese seit 2011 keine
Kilowattstunde Strom mehr erzeugt hatten. Der World Nuclear Industry Status
Report gewährt somit immer den realistischeren Blick auf die Branche.
24 Sep 2020
## LINKS
[1] https://www.worldnuclearreport.org/
[2] https://www.chathamhouse.org/
## AUTOREN
Bernward Janzing
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