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# taz.de -- Alternativer Nobelpreis für Thunberg: „Niemand war erfolgreicher…
> Neben Greta Thunberg ehrt die Jury des Right Livelihood Award auch drei
> weitere „praktische Visionäre“. Wer sind sie?
Bild: Die wohl prominenteste Ausgezeichnete: Klima-Aktivistin Greta Thunberg
Stockholm taz | Überraschung? Es wäre wohl eher eine Überraschung gewesen,
wenn unter den diesjährigen PreisträgerInnen des „Right Livelihood Award“,
der auch als „alternativer Nobelpreis“ bekannt ist, der Name einer
16-jährigen Schwedin gefehlt hätte. Greta Thunberg erhalte den Preis für
das Jahr 2019 als eine von „vier praktischen Visionären, deren Einsatz es
Millionen von Menschen ermöglicht, ihre grundlegenden Rechte zu verteidigen
und für eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten zu kämpfen“, erklärte
Ole von Uexküll, Direktor der [1][Right Livelihood Stiftung bei der
Bekanntgabe der PreisträgerInnen] am Mittwochvormittag in Stockholm.
Greta Thunberg werde geehrt, „weil sie der politischen Forderung nach
dringenden Klimaschutzmaßnahmen weltweit Gehör verschafft hat“. Sie sei
„die Stimme einer Generation, die die Folgen des politischen Versagens bei
der Bekämpfung des Klimawandels tragen muss“, hieß es weiter. „Ihre
Entschlossenheit, die drohende Klimakatastrophe nicht zu akzeptieren, hat
Millionen von Jugendlichen inspiriert, gemeinsam mit Thunberg ihre Stimme
zu erheben und sofortige Klimaschutzmaßnahmen zu fordern.“
Und was die Schwedin von vielen anderen Menschen unterscheide, die
versuchen würden, die Notwendigkeit sofortiger Klimaschutzmaßnahmen
deutlich zu machen: „Niemand war erfolgreicher als Thunberg. Ihre
kompromisslose Art, den Mächtigen der Welt die Wahrheit zu sagen, findet
einen enormen Widerhall. Greta Thunberg hat es geschafft, die Klimakrise
nicht nur zur Schlagzeile zu machen, sondern sie auch im Bewusstsein der
Menschen zu verankern.“
## Unterstützung auch für MenschenrechtlerInnen
Unter 142 Nominierten aus 59 Ländern wählte die Preisjury in diesem Jahr
neben Thunberg die Menschenrechtlerin Aminatou Haidar aus der Westsahara,
die chinesische Juristin Guo Jianmei und den Sprecher der indigenen
Yanomami-Bevölkerung Davi Kopenawa zusammen mit seiner Organisation
Hutukara Associação Yanomami aus Brasilien für den alternativen Nobelpreis
aus.
Der Preis war von seinem Gründer Jakob von Uexküll, der unter anderem
zwischen 1984 und 1989 Europaparlamentarier der deutschen Grünen und danach
zwei Jahre Vorstandsmitglied bei Greenpeace-Deutschland gewesen war,
erstmals 1980 präsentiert worden und wird in diesem Jahr zum 40. Mal
verliehen. Neben dem Preisgeld von jeweils einer Million Kronen
(umgerechnet rund 95.000 Euro) pro PreisträgerIn biete man diesen auch
„eine dauerhafte Begleitung sowie Hilfe, wenn deren Leben und Freiheit in
Gefahr sind“, betonte Ole von Uexküll.
## Die „sahrauische Ghandi“
Wie notwendig das ist und mit welchen Opfern der friedliche Einsatz für
Menschenrechte verbunden sein kann, erfährt Aminatou Haidar mit dem
Beinamen „sahrauische Gandhi“ seit über drei Jahrzehnten. Mit 21 Jahren war
die jetzt 53-Jährige erstmals verhaftet worden, weil sie an einer
Demonstration für eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit der von
Marokko annektierten Westsahara teilgenommen hatte. Eine Annexion, die – so
die Right Livelihood-Jury – „die internationale Gemeinschaft noch immer
duldet oder sogar aktiv unterstützt“.
Haidar, die Demonstrationen organisiert, Folter dokumentiert, mehrfach in
den Hungerstreik getreten war, um auf die Menschenrechtsverletzungen gegen
ihr Volk aufmerksam zu machen, und Mitbegründerin und Präsidentin der
Menschenrechtsorganisation Collective of Sahrawi Human Rights Defenders
(CODESA) ist, habe „einen entscheidenden Anteil daran, internationale
Aufmerksamkeit auf die ungelöste Westsahara-Frage zu lenken – ein Thema,
das von den Vereinten Nationen, der EU und den Medien bis heute
vernachlässigt wird“.
Ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert, geschlagen und gefoltert,
habe Haidar vier Jahre in einem geheimen Gefängnis, isoliert von der
Außenwelt, verbracht. Aber trotz Morddrohungen, Angriffen und Schikanen,
die sich gegen sie und ihre beiden Kinder richten, setze sie sich
„unermüdlich für eine politische Lösung eines der längsten ungeklärten
Konflikte der Welt ein“: „Zugleich versucht Haidar der jungen Generation
von Sahrauis den Wert gewaltfreien Widerstandes zu vermitteln.“ Neben
anderen Ehrungen war Haidar 2009 mit dem „Bremer Solidaritätspreis“
ausgezeichnet worden.
## Kämpferin für Frauenrechte in China
Auch für die chinesische Rechtsanwältin Guo Jianmei ist der alternative
Nobelpreis nicht die erste Ehrung. 2010 hatte sie den
Simone-de-Beauvoir-Preis und 2011 den vom US-Außenministerium vergebenen
„International Women of Courage Award“ erhalten. Sie sei „eine der
bedeutendsten Frauenrechtsanwältinnen Chinas“, heißt es in der
Preisbegründung der Jury. Als erste Anwältin des Landes, die hauptberuflich
in der gemeinnützigen Rechtshilfe tätig war, hätten die 57-Jährige und ihr
Team seit 1995 mehr als 120.000 Frauen kostenlosen Zugang zur Justiz
verschafft und sich „beharrlich mit der Ungleichbehandlung von Frauen im
Justizsystem auseinandergesetzt und dazu beigetragen, das
Gleichberechtigungsbewusstsein in China zu stärken“.
2005 hatte Guo das China Public Interest Lawyers Network gegründet, über
das nun 600 Rechtsanwältinnen kostenlose Rechtshilfe leisten und über das
auch „im ländlichen China, wo patriarchalische Strukturen noch tief
verwurzelt sind, rechtliche Unterstützung für Frauen angeboten wird“. In
einem Land, „wo jede vierte verheiratete Frau häusliche Gewalt durch den
Ehemann erfährt und geschlechtsspezifische Diskriminierung am Arbeitsplatz
zum Alltag gehört“, wirke sich diese Arbeit „positiv auf das Leben von
Millionen von Frauen aus“.
## Indigenen Gemeinschaften in Brasilien
Das Volk der Yanomami gehört mit rund 35.000 Mitgliedern zu den
bevölkerungsreichsten indigenen Stämmen Brasiliens. Ihr Territorium zählt
zu den wichtigsten Reservoirs genetischer Vielfalt der Welt und ihr
Lebensraum ist durch den Raubbau im Amazonas bedroht. Davi Kopenawa vom
Volk der Yanomami ist einer der angesehendsten Sprecher der indigenen
Völker Brasiliens und spiele eine entscheidende Rolle dabei, „indigene
Gemeinschaften zusammenzubringen, um sich gemeinsam gegen Bergbau,
Viehzucht und andere Wirtschaftsinteressen zu wehren, die das Land und die
Lebensgrundlage der Yanomami zerstören“, heißt es in der Begründung für
seinen alternativen Nobelpreis: „Er war maßgeblich daran beteiligt, dass
1992 ein über 96.000 Quadratkilometer großes Areal in Brasilien zum
Yanomami-Schutzgebiet erklärt wurde. Kopenawas langjähriger Aktivismus hat
ihm viele mächtige Feinde eingebracht. Er ist fortdauernd Morddrohungen
ausgesetzt.“
Der 63-Jährige ist Mitbegründer und Präsident der 2005 gegründeten Hutukara
Associação Yanomami, die die unterschiedlichen Yanomami-Gemeinschaften in
Brasilien vertritt und die Rechte der indigenen Bevölkerung im Land
fördert. „Angesichts des rapiden Rückgangs der Artenvielfalt und der
zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels ist das Wissen der Yanomami
darüber, wie sie ihr Land zum Wohle aller erhalten und nachhaltig bewohnen
können, von höchster globaler Bedeutung“, betont die
Right-Livelihood-Stiftung und stellt die jetzige Ehrung Kopenawas in einen
direkten Zusammenhang mit „der erneuten Bedrohung der Rechte und der
Territorien der indigenen Völker unter der Präsidentschaft von Jair
Bolsonaro“.
Was alle PreisträgerInnen laut Stiftungsdirektor Ole von Uexküll verbindet:
Sie bewiesen eindrucksvoll, dass jede und jeder Einzelne die Möglichkeit
habe, Veränderungen zu bewirken. Die Verleihung der Preise findet im Rahmen
einer feierlichen Veranstaltung am 4. Dezember in Stockholm statt. An ihr
soll auch der 2014 mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnete Edward
Snowden per Liveschaltung aus Moskau teilnehmen.
Ob Greta Thunberg, die nach Astrid Lindgren, die den Preis 1994 erhalten
hatte, die zweite mit dem alternativen Nobelpreis geehrte Schwedin ist, für
die persönliche Entgegennahme des Preises die Reise über den großen Teich
antreten wird, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Sie hatte angekündigt, an
der Klimakonferenz COP23 teilnehmen zu wollen, die vom 2. bis 13. Dezember
in Santiago de Chile stattfindet. Von der Stockholmer Tageszeitung Dagens
Nyheter zu weiteren Plänen interviewt, sagte sie vor einigen Tagen: „Sollte
ich eine Einladung nach China erhalten, würde ich versuchen, dorthin zu
reisen.“ Und Greta Thunberg ist auch eine von 209 für den diesjährigen
Friedensnobelpreis nominierten Personen. Wer ihn erhält, wird am 11.
Oktober in Oslo bekannt gegeben.
25 Sep 2019
## LINKS
[1] https://www.rightlivelihoodaward.org/2019_wcx2whedeytyvygkbtfbtzy2hr4tdxdn/
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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