# taz.de -- Alternativer Nobelpreis: Schwedische Angst | |
> Der Alternative Nobelpreis ist im schwedischen Parlament nicht mehr | |
> willkommen. Menschenrechtler reagieren mit Unverständnis. | |
Bild: Hier soll kein Platz mehr für die Nobelpreis-Verleihung sein: Reichstag … | |
STOCKHOLM taz | Seit 30 Jahren hat die Right Livelihood Stiftung ihre | |
jährliche Preiszeremonie im schwedischen Reichstag abgehalten. An 162 | |
Personen und Organisationen aus 62 Ländern ist diese gemeinhin als | |
„Alternativer Nobelpreis“ bezeichnete Auszeichnung, die Verdienste im Kampf | |
für nachhaltige Entwicklung, soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte | |
würdigt, bisher verliehen worden. | |
Nun aber soll der angesehene Preis dort nicht mehr willkommen sein. Die | |
Entscheidung traf der Parlamentspräsident, der Sozialdemokrat Urban Ahlin. | |
Die Begründung: Platzmangel. Die Preisverleihung fand bislang im Saal der | |
„Zweiten Kammer“ des 1905 eingeweihten Reichstagsgebäudes in Stockholm | |
statt. | |
Seit diese „Zweite Kammer“ nach einer Verfassungsreform 1970 abgeschafft | |
worden war, dient der Saal vorwiegend zeremoniellen Zwecken und steht zu 90 | |
Prozent der Normalarbeitszeit leer. Der eine Tag im Dezember, an dem die | |
Right Livelihood Stiftung ihn formell auf Einladung einer Gruppe von | |
Reichstagsabgeordneten benutzen darf, könne schwerlich Platzmangel | |
verursachen, wurde kritisiert. | |
Die einladende Parlamentariergruppe, der bis auf die „Schwedendemokraten“ | |
VertreterInnen aller Parlamentsparteien angehören, reagierte mit | |
Unverständnis auf die Entscheidung. Der Reichstag sei der passende Ort für | |
einen Preis, der Probleme benenne, die – wie Migration, Welthandel und | |
Klima – in wachsendem Maße auch die Realität in Schweden bestimmten. Zudem | |
gebe eine international viel beachtete Feier im Parlament verfolgten | |
Preisträgern stärkeren Schutz vor Repressalien und Drohungen. | |
## Ein unglückliches Signal | |
Helen Mack Chang, Menschenrechtsaktivistin aus Guatemala, die für ihre | |
Arbeit 1992 den Alternativen Nobelpreis erhalten hatte, bestätigt das. Ihre | |
Schwester war von Militärs ermordet worden. Der Preis und die Zeremonie im | |
Reichstag hätten ihr Leben gerettet, schreibt sie an Urban Ahlin: Die | |
Ehrung habe sie „untouchable“ gemacht. | |
Sie appelliert an den Präsidenten, seine Entscheidung zu überdenken. Dem | |
schließt sich Stiftungschef Ole von Uexküll an. In einer Zeit, in der in | |
mehr und mehr Ländern Menschenrechte immer weiter eingeschränkt werden, | |
würde der schwedische Reichstag „ein sehr unglückliches Signal aussenden“. | |
Durch den Hinauswurf könne der Preis abgewertet werden, befürchtet auch der | |
Staatsrechtler Ulf Bjereld. Er kann sich als eigentlichen Hintergrund des | |
Beschlusses eigentlich nur übertriebene diplomatische Rücksichtnahme | |
vorstellen. Vielleicht habe man ja Bedenken in Bezug auf das Verhältnis zu | |
Staaten wie den USA bekommen, als der Preis 2014 an Edward Snowden | |
verliehen wurde. | |
Auch andere Kommentare vermuten politische Ängstlichkeit. Solange der | |
Parlamentspräsident seinen Beschluss nicht nachvollziehbar begründet, ist | |
kaum eine andere Erklärung plausibel. | |
2 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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