# taz.de -- Verleihung der Alternativen Nobelpreise: Würdigung von Mut und Erf… | |
> Seit 1980 werden die Preise in Stockholm verliehen. Dieses Jahr gehen sie | |
> an Engagierte für Pressefreiheit, Frauenrechte und Geflüchtete. | |
Bild: Can Dundar, Chefredakteur der „Cumhuriyet“, die mit dem Alternativen … | |
STOCKHOLM taz | Die diesjährigen „Alternativen Nobelpreise“ gehen nach | |
Syrien, Ägypten, Russland und in die Türkei. Bei der Auswahl habe man sich | |
diesmal für die als „Weißhelme“ bekanntgewordene „Syria Civil Defence�… | |
Ägypterin Mozn Hassan und die Organisation „Nazra für feministische | |
Studien“, die russische Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina und die | |
türkische Zeitung Cumhuriyet entschieden. | |
„Wir wollen damit nicht nur ihren Mut, ihr Mitgefühl und Engagement | |
auszeichnen“, betonte Ole von Uexküll, Geschäftsführer der „Right | |
Livelihood Award Stiftung“, die den Preis seit 1980 verleiht. „Wir zeichnen | |
auch den Erfolg ihrer Arbeit aus und den konkreten Unterschied, den sie in | |
der Welt machen – allen Widrigkeiten zum Trotz.“ | |
Um so erschreckender sei es, dass solche Menschen, wie die Mitglieder der | |
„Syria Civil Defence“ derzeit selbst unter Beschuss stünden, beklagte von | |
Uexküll. [1][Die 3.000 Freiwilligen der Gruppe] riskieren seit 2013 ihr | |
Leben, um Menschen aus den Trümmern von zerstörten Gebäuden im syrischen | |
Bürgerkrieg zu retten. Zu Friedenszeiten seien diese „Weißhelme“ Bäcker, | |
Schneider, Verkäufer oder Lehrer gewesen und hätten nun als ausgebildete | |
Feuerwehrleute, Such- und Rettungskräfte sowie Sanitäter bereits über | |
60.000 Menschenleben gerettet. | |
Sie seien ein „Rettungsanker und eine seltene Quelle der Hoffnung für die | |
leidende Zivilbevölkerung“ und unterstützten auch den Wiederaufbau der | |
zerstörten öffentlichen Infrastruktur. Ihr großes humanitäres Engagement | |
habe internationale Aufmerksamkeit auf die Notlage der syrischen | |
Zivilbevölkerung gelenkt – unter anderem auch durch die seit vergangener | |
Woche verfügbare Netflix-Doku „The White Helmets“. | |
## „Nazra“ und Swetlana Gannuschkina | |
Aus der festen Überzeugung heraus, dass Feminismus und | |
Geschlechtergerechtigkeit wichtige politische Kategorien in der Entwicklung | |
einer jeden Gesellschaft sind, habe die ägyptische Feministin und | |
Menschenrechtlerin Mozn Hassan 2007 die Organisation „Nazra für | |
feministische Studien“ gegründet. Diese dokumentiere | |
Menschenrechtsverletzungen und stärke Frauen in allen Lebensbereichen. | |
In Reaktion auf die alarmierende Anzahl der sexuellen Übergriffe auf Frauen | |
bei Kundgebungen während und nach der ägyptischen Revolution von 2011 habe | |
„Nazra“ die sexuelle Gewalt im öffentlichen Raum angeprangert und den | |
Opfern medizinisch, psychologisch und juristisch geholfen. Ihr Engagement | |
habe zu der Aufnahme der Frauenrechte in die ägyptische Verfassung 2014 und | |
die Ausweitung der Definition sexueller Straftatbestände im ägyptischen | |
Strafgesetzbuch beigetragen. | |
Swetlana Gannuschkina wird in der Begründung des mit insgesamt drei | |
Millionen Schwedischen Kronen (ca. 313.000 EUR) dotierten „Alternativen | |
Nobelpreises“ als „eine der versiertesten Führungsfiguren der | |
Menschenrechtsbewegung in Russland“ geehrt. Durch die von ihr gegründete | |
und geleitete Organisation „Civic Assistance Committee“ hätten seit 1990 | |
mehr als 50.000 Migranten, Geflüchtete und Binnenvertriebene kostenlose | |
rechtliche Unterstützung, humanitäre Hilfe und Bildungsangebote erhalten. | |
Mit ihrer Zivilcourage und Prozessen vor russischen Gerichten und dem | |
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte habe sie die Zwangsrückführung | |
von Migranten aus Russland in zentralasiatische Länder verhindert, wo ihnen | |
mit großer Sicherheit Haft und Folter gedroht hätten. Als Mitglied des | |
russischen Menschenrechtsrates habe Gannuschkina erfolgreich für eine | |
Änderung des Geflüchtetenrechts gekämpft, mit der Folge. Mit Ihrer Arbeit | |
habe sie dazu beigetragen, öffentliche Aufmerksamkeit auf | |
Menschenrechtsverletzungen in Konfliktregionen, vor allem im Kaukasus zu | |
lenken. | |
## Stimme der Demokratie | |
Die unabhängige türkische Tageszeitung Cumhuriyet erhält den Preis „für i… | |
bedingungsloses Bekenntnis zur Meinungsfreiheit trotz Unterdrückung, | |
Zensur, Gefängnis und Morddrohungen“. Seit 1924 sei sie „allen Widrigkeiten | |
zum Trotz dem Grundsatz der Pressefreiheit verpflichtet“. Ihre Mitarbeiter | |
hätten „immense persönliche Risiken wie Attentate und Haft in Kauf | |
genommen, um weiterhin frei über Fragen von Menschenrechten, Gleichstellung | |
der Geschlechter, Säkularismus und Umweltschutz berichten zu können“. | |
In einer Zeit, in der die Meinungsfreiheit in der Türkei zunehmend bedroht | |
sei, beweise Cumhuriyet, dass „die Stimme der Demokratie nicht zum | |
Schweigen gebracht werden kann“. | |
Die Preisverleihung wird Anfang Dezember in Stockholm stattfinden. Der | |
genaue Ort ist noch offen, weil das Präsidium des schwedischen Reichstags | |
[2][den traditionellen Veranstaltungsort im Parlament bislang nicht zur | |
Verfügung stellen will]. | |
22 Sep 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.whitehelmets.org/ | |
[2] /Alternativer-Nobelpreis/!5308401/ | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Alternativer Nobelpreis | |
Cumhuriyet | |
Frauenrechte | |
Alternativer Nobelpreis | |
Journalismus | |
Juan Manuel Santos | |
taz-Debatte Syrien | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Pressefreiheit in der Türkei | |
Pressefreiheit in der Türkei | |
Alternativer Nobelpreis | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Alternativer Nobelpreis | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Alternative Nobelpreise bekanntgegeben: Gegen die Übel der Welt | |
Korruption, Umweltsauereien von Chemiefirmen, Diskriminierung von | |
Minderheiten: Dagegen kämpfen die diesjährigen Preisträger. | |
Otto-Brenner-Preis für Arno Widmann: Er ließ sich nicht beirren | |
Arno Widmann gehörte zu den Gründern der taz. Jetzt erhielt er mit dem | |
Otto-Brenner Preis ein fettes Lob für sein Lebenswerk. | |
Friedensnobelpreis 2016: Kolumbiens Präsident Santos geehrt | |
Der Friedensnobelpreis geht an den kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel | |
Santos. Er erhält ihn für seine Anstrengung, den Bürgerkrieg im Land zu | |
beenden. | |
Nach erfolglosen Syrien-Gesprächen: „Aleppo bebt“ | |
Assad bombardiert Aleppo, eine Waffenruhe ist nicht in Sicht. Aber: Eine | |
erste Hilfslieferung erreicht die Menschen in Moadamiya nahe Damaskus. | |
Alternativer Nobelpreis: Die Frau mit den Äpfeln | |
Für viele Flüchtlinge in Russland ist Swetlana Gannuschkina die letzte | |
Hoffnung. Ihr Credo: Sprich immer mit beiden Seiten. | |
Verbot kurdischer Zeitung in der Türkei: Vorzeichen für Schlimmeres | |
Die prokurdische Zeitung „Özgür Gündem“ wurde am Dienstag geschlossen. Es | |
ist das 51. Mal, dass die Arbeit der JournalistInnen verboten wurde. | |
Can Dündar tritt als Chefredakteur zurück: Kein Vertrauen mehr | |
Der regierungskritische „Cumhuriyet“-Chefredakteur kündigt seinen Rückzug | |
an. Mit einem fairen Prozess in seinem Fall rechnet er nicht mehr. | |
Alternativer Nobelpreis: Schwedische Angst | |
Der Alternative Nobelpreis ist im schwedischen Parlament nicht mehr | |
willkommen. Menschenrechtler reagieren mit Unverständnis. | |
Alternativer Nobelpreis 2015: Für die gute Sache | |
Die „Right Livelihood Stiftung“ ehrt den Einsatz gegen Krieg, Klimawandel | |
und Diskriminierung. Nun wurden die Kandidaten bekanntgegeben. | |
Verleihung des Alternativen Nobelpreises: Vier ausgezeichnete Männer | |
2013 werden nur Männer geehrt. Sie kämpfen gegen Chemiewaffen, | |
Menschenrechtsverletzungen, Vergewaltigung – und Schädlinge. |