# taz.de -- Indigena warnt vor Präsidenten: „Bolsonaro spricht nicht für un… | |
> Die Aktivistin Vândria Borarí wettert gegen den brasilianischen | |
> Präsidenten und erklärt, wie lukrativ eine schonende Nutzung des Amazonas | |
> sein könnte. | |
Bild: Angehörige der Tembé im Amazonas wollen selbst über ihr Lebensumfeld b… | |
taz: Frau Borarí, Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat bei der | |
UN-Vollversammlung in New York angekündigt, keine weiteren indigenen | |
Schutzgebiete ausweisen zu wollen. Was bedeutet das? | |
Vândria Borarí: Wir kämpfen seit 10 Jahren dafür, dass unser Gebiet | |
offiziell ausgewiesen wird, damit wir selbst darüber bestimmen können. Die | |
Regierung blockiert den Prozess, obwohl der brasilianische Staat laut | |
Verfassung zur Ausweisung verpflichtet ist. Aber es gibt Interessen an | |
unserem Land. Dort liegt der ganze Reichtum, den Amazonien zu bieten hat: | |
Holz, Edelmetalle, Wasser, schöne Sandstrände. | |
Bolsonaro hat auch gesagt, dass die indigenen Völker Brasiliens ein ebenso | |
gutes Leben haben wollen, wie der Rest der Brasilianer:innen. | |
Er kann nicht für uns sprechen. Bolsonaro will, dass wir so leben, dass es | |
zu seinen Ausbeutungsplänen passt. Er stellt uns Indigene als Feinde dar, | |
als diejenigen, die den Fortschritt bremsen. Wir dürfen aber selbst | |
entscheiden, wer Zugang zu unserem Gebiet hat und wer nicht. Das heißt | |
auch, dass wir Projekten der Regierung kollektiv zustimmen müssen. Aber die | |
heutige Regierung verletzt dieses Recht, indem sie Konzerne widerrechtlich | |
auf indigenen Gebieten ansiedelt. | |
Das Problem ist ja nicht neu. Die Ausbeutung Amazoniens schreitet schon | |
seit Jahrzehnten voran. | |
Sie hat bereits in der Kolonialzeit begonnen. Viele Völker wurden seither | |
ausgerottet. Während der Militärdiktatur in den 1980er Jahren war es sogar | |
noch schlimmer. Damals wurde die Transamazônica gebaut, eine Autobahn, die | |
mitten durch indigene Territorien ging. Für sie wurden Millionen Hektar | |
Wald zerstört, um Gold, Erz und Holz ausbeuten und transportieren zu | |
können. | |
Und heute? | |
Heute geht diese Form der Ausbeutung weiter. Es gibt Projekte wie das | |
Wasserkraftwerk Belo Monte, das einen ganzen Fluss und viele traditionelle | |
Lebensweisen zerstört hat. Die Menschen dort können nicht mehr wie früher | |
vom Fischen und Jagen leben. Und Bolsonaro plant noch mehr solcher | |
Projekte: Er will Häfen, Schienennetze und Wasserkraftwerke jetzt auch im | |
gesamten Amazonasgebiet bauen. Das wird den Wald zerstören. Und wir werden | |
sterben. Schon jetzt sterben viele Indigene. | |
Warum? | |
Sie werden bedroht und umgebracht. Von Holzfällern und Großgrundbesitzern. | |
Unser Kampf wird nun sogar noch gefährlicher, seitdem Bolsonaro die | |
Waffengesetze gelockert hat. | |
Wurden Sie auch bedroht? | |
Noch nicht. Aber ich bin heute hier in Deutschland, um den Staat Brasilien | |
anzuklagen und Öffentlichkeit zu erzeugen. Und ich weiß nicht, was mich bei | |
meiner Rückkehr erwartet. Wir können auch nicht einfach schweigen. Wir | |
müssen informieren und dadurch Schutz suchen. | |
Auch auf dem Land Ihres Volkes hat es kürzlich gebrannt. Was ist da | |
passiert? | |
Das war am 15. September, ein großes Feuer zerstörte riesige Teile unserer | |
Savanne. Fünf Tage hat es gedauert, bis wir es gelöscht hatten. Alle haben | |
geholfen, auch das Militär. | |
Wer hat das Feuer gelegt? | |
Das wissen wir nicht genau, die Zivilpolizei ermittelt noch. Aber um das | |
Land, auf dem das Feuer ausbrach, gibt es viele Konflikte. Jemand hat es | |
verkauft, obwohl es ihm nicht gehört. Wahrscheinlich haben die | |
vermeintlichen neuen Eigentümer das Feuer gelegt. | |
Was sagt man nun den Holzfällern, die ja auch Familien haben, die sie | |
ernähren müssen, wenn sie kein Holz mehr schlagen sollen? | |
Es gibt andere Möglichkeiten, den Wald zu nutzen, ohne ihn abzuholzen, zu | |
zerstören und zu vergiften, wie es die Agrarwirtschaft tut. Es gibt zum | |
Beispiel medizinische Produkte, die Krankheiten heilen können, die die Welt | |
bislang nicht heilen konnte. Die Pará-Kastanie, das Acaí, das Copaiba-Öl, | |
das Gengiroba-Öl. Vor Kurzem hat eine brasilianische Studie gezeigt, dass | |
diese Produkte Amazoniens siebenmal lukrativer sind als die der | |
Agrarindustrie. Auch, weil man dafür nicht zerstören muss. Diese Früchte | |
wachsen hier, nähren Tiere und Menschen. | |
Und die Agrarunternehmer? | |
Die benutzen Monokulturen und laugen damit den Boden aus. Sie beuten ihre | |
Mitarbeiter aus, weil sie Kampfpreise auf ihre Produkte erheben, um für die | |
europäischen und chinesischen Märkte konkurrenzfähig zu sein. Sie vergiften | |
unseren Boden, unsere Flüsse, unsere Tiere mit scharfen Pestiziden. Es gab | |
schon viele Fälle von Atemwegserkrankungen und Krebs im Amazonas. | |
Sollte der Mensch den Regenwald am besten wieder verlassen? | |
Es ist einer der größten Mythen, dass der Regenwald unberührt ist. Er wird | |
schon seit vielen tausend Jahren bevölkert – und zwar von den Indigenen. | |
Und später auch von den Quilombolas, entflohenen Sklaven, die sich im Wald | |
versteckt hielten. Die Indigenen halfen ihnen damals, und später haben die | |
Quilombolas an der Seite der Indigenen für die Verfassung von 1988 | |
gekämpft. Die Menschen müssen den Wald nicht verlassen, sie können in und | |
mit ihm leben. Ohne ihn zu zerstören. | |
12 Oct 2019 | |
## AUTOREN | |
Sunny Riedel | |
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