# taz.de -- Ölpest an Brasiliens Stränden: Knietief im schwarzen Schlamm | |
> Eine Ölpest verseucht die Strände im Nordosten von Brasilien. Während die | |
> Regierung abtaucht, räumen Freiwillige auf. | |
Bild: Bislang zu beschäftigt für die Ölpest an Brasielens Stränden: Präsid… | |
São Paulo taz | Nach [1][den verheerenden Waldbränden im Amazonas] steckt | |
Brasilien in der nächsten Umweltkatastrophe. Eine Ölpest breitet sich an | |
der nordöstlichen Küste des Landes aus. Anfang September tauchten die | |
ersten schwarzen Klumpen auf, mittlerweile sind mehr als 160 Strände in | |
neun Bundesstaaten betroffen. Hubschraubervideos zeigen riesige Ölteppiche, | |
die vor der Küste im Meer schwimmen. | |
Wissenschaftler*innen warnen vor schweren Schäden des Ökosystems. „Es | |
handelt sich um die schlimmste Umweltkatastrophe an der Küste in der | |
Geschichte Brasiliens“, sagt Pedro Luiz Côrtes, Geologe und Professor an | |
der Universität von São Paulo (USP). „Die Reinigung der Strände ist mühsa… | |
aber möglich, da man den Sand austauschen kann. Die Reinigung der | |
Korallenriffe wird aber viele Jahre dauern.“ Außerdem ist das Öl in | |
zahlreiche Mangroven und Flussmündungen vorgedrungen, es drohen irreparable | |
Schäden. Ein weiteres Problem: Da das Öl recht dickflüssig ist, schwimmt es | |
nicht an der Wasseroberfläche und ist schwieriger zu sichten. | |
Freiwillige haben sich über soziale Netzwerke zusammengeschlossen und | |
begonnen, die Strände zu reinigen. Videos zeigen Bewohner*innen, die | |
knietief im Schlamm stehen und versuchen, die Ölteppiche – zum Teil ohne | |
Schutzkleidung und mit bloßen Händen – wegzutragen. Für die Bewohner*innen | |
der Küstenregion steht viel auf dem Spiel. Die Ölpest bedroht die | |
Lebensgrundlage von 144.000 Fischer*innen. Da viele Urlaubsstrände | |
betroffen sind, bedroht dies den Tourismus. | |
Die Herkunft des Öls ist unklar. Der anfängliche Verdacht, es stamme aus | |
einer brasilianischen Leitung oder von Off-shore-Ölplattformen, wurde | |
verworfen. Untersuchungen des halbstaatlichen Erdölkonzerns Petrobras | |
zeigen, dass das Öl nicht aus Brasilien kommt. Die brasilianische Marine | |
hat zudem bestätigt, dass zwar ein Fass mit 200 Liter Öl mit dem Logo von | |
Shell an der Küste des Bundesstaates Rio Grande do Norte gefunden wurde. | |
Aus dem Fass soll jedoch kein Öl ausgelaufen sein, ob ein Zusammenhang mit | |
der Ölpest besteht, ist unklar. Und die These, es sei aus einem gesunkenen | |
deutschen Frachtschiff aus dem Zweiten Weltkrieg entlaufen, halten | |
Expert*innen für unwahrscheinlich. Die brasilianische Regierung verdächtigt | |
den Nachbarn Venezuela. In den sozialen Netzwerken verbreiten Rechte wilde | |
Verschwörungstheorien: Die Maduro-Regierung habe mit Absicht das Öl | |
freigesetzt, um Brasilien zu schaden. | |
## Venezuela weist Vorwürfe zurück | |
Venezuela weist jegliche Verantwortung von sich und erklärt, dass es keine | |
Lecks bei Tankern oder auf Plattformen gegeben habe. Jedoch könnte das Öl | |
beim Umfüllen von venezolanischen Schmuggelschiffen auf hoher See | |
ausgelaufen sein. Auch der Geologe Côrtes hält dies für wahrscheinlich. | |
Durch die Embargo-Politik gegen Venezuela floriert der illegale Ölhandel. | |
Für Brasilien kommt die Umweltkatastrophe zum schlechtesten Zeitpunkt. Nach | |
den Waldbränden im Amazonas und der internationalen Kritik an der | |
Umweltpolitik ist die Regierung angeschlagen. Auch diesmal handelte sie | |
nicht schnell genug, Präsident Jair Bolsonaro wird Untätigkeit vorgeworfen. | |
„Die Regierung tritt eher wie ein Zuschauer aus der Distanz auf“, meint | |
Côrtes. Bolsonaro besuchte weder die betroffenen Regionen noch traf er sich | |
mit den Gouverneuren oder rief den Notstand aus. Außerdem schlägt ihm viel | |
Kritik entgegen, weil er im April zwei Komitees zur Bekämpfung von | |
Ölkatastrophen schließen ließ. | |
Umweltminister Ricardo Salles verteidigte die Arbeit der Regierung und | |
erklärte im Interview mit dem Fernsehsender BandNews TV: „Wir haben alles | |
getan, was getan werden musste.“ Das sehen nicht alle so. „Die | |
Bundesregierung hat bei der Bekämpfung der Ölpest versagt und uns mit dem | |
Problem alleingelassen“, sagte José Berotti, Umweltsekretär des | |
Bundesstaats Pernambuco für die Kommunistische Partei von Brasilien (PCdoB) | |
der taz. „Die Bundesregierung hat uns noch nicht einmal Ausrüstung zur | |
Reinigung der Strände bereitgestellt, alles musste von der Landesregierung | |
und den lokalen Regierungen angeschafft werden.“ | |
Laut dem Geologen Côrtes sei es schwierig vorauszusagen, ob mit weiterem Öl | |
zu rechnen sei, es sehe aber so aus, als ob die Katastrophe ihren Höhepunkt | |
noch nicht erreicht habe. Eine klare Botschaft sendete der Fußballklub EC | |
Bahia am Montagabend. Um auf die Ölpest aufmerksam zu machen, trugen die | |
Spieler des Fußball-Erstligisten beim Spiel gegen Ceará SC Trikots mit | |
schwarzen Flecken. | |
22 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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