# taz.de -- Pippi-Langstrumpf-Jubiläum: Das stärkste Kind der Welt wird 75 | |
> Vor 75 Jahren erschien das erste Pippi-Langstrumpf-Buch. Das feiert der | |
> Oetinger Verlag unter anderem mit einem Geburtstagsbuch für Erwachsene. | |
Bild: Für ihre 75 Jahre haben sich Pippi Langstrumpf und Herr Nilsson ganz gut… | |
Pippi Langstrumpf, Lina langsokkur, Pippi Uzunçorap – sie hat viele Namen, | |
die übermenschlich starke Göre mit den abstehenden roten Zöpfen. Als diese | |
ungewöhnliche Kinderfigur vor 75 Jahren die Bühne der Weltliteratur betrat, | |
sorgte sie für große Begeisterung, bei manchen Erwachsenen auch für | |
Verstörung. Mittlerweile sind Pippis Abenteuer in 77 Sprachen übersetzt | |
worden, darunter Grönländisch, Seychellenkreol und Amharisch; und es kommen | |
immer noch neue hinzu. Pippi Langstrumpf ist eine kulturelle Universalie. | |
Das hätte sicher noch niemand so gesehen, als die erste schwedische Ausgabe | |
von „Pippi Långstrump“ erschien. Den Namen hatte [1][Astrid Lindgrens] | |
Tochter Karin sich ausgedacht, als sie einmal krank im Bett lag und von der | |
Mutter eine Geschichte einforderte. Drei Jahre später bekam Karin das erste | |
Pippi-Manuskript als Geschenk zu ihrem zehnten Geburtstag. Wieder ein | |
halbes Jahr später, im November 1945, erschien das erste | |
Pippi-Langstrumpf-Buch im Verlag Rabén & Sjögren. | |
Die Verantwortlichen im marktführenden Bonnier Verlag, dem die Autorin das | |
Manuskript zuerst angeboten hatte, müssen sich seitdem oft schwarz geärgert | |
haben. Sie hatten es zwar sehr freundlich und sehr bedauernd abgelehnt, | |
aber das half nun auch nichts mehr. | |
Die erste deutsche Pippi kam 1949 heraus. Der junge Hamburger Verleger | |
Friedrich Oetinger hatte sie von einer Schwedenreise mitgebracht, auf der | |
er auch Astrid Lindgren traf. Als er die Autorin fragte, ob er ihr Büchlein | |
in Deutschland verlegen dürfe, sagte sie spontan „Von mir aus gern“ – | |
obwohl sie aus der „recht dürftigen“ Kleidung des Besuchers aus | |
Nachkriegsdeutschland schon geschlossen hatte, dass dieser wohl als | |
Verleger nicht sehr erfolgreich sei. | |
Das stimmte vielleicht, sollte sich aber bald gründlich ändern. Der | |
Oetinger Verlag, bei dem Pippis Abenteuer und die ihrer literarischen | |
Lindgren-Geschwister nach wie vor erscheinen, hat jetzt allen Grund, das | |
75-jährige Jubiläum gebührend zu feiern. Man begeht es mit einer ganzen | |
Reihe Neuerscheinungen, darunter auch: die erste deutsche | |
Pippi-Langstrumpf-Ausgabe, die mit den Originalillustrationen von Ingrid | |
Vang Nyman versehen ist. (Endlich! Aber warum hat man darauf eigentlich 71 | |
Jahre warten müssen?) | |
## Mit Liebe und Kennertum gemacht | |
Für jene, die längst keine Kinder mehr, aber mit Pippi aufgewachsen sind, | |
gibt es ebenfalls eine sehenswerte Neuerscheinung. „Pippi Langstrumpf – | |
Ikone, Rebellin, Freundin“ heißt das große Geburtstagsbuch für die | |
Erwachsenen. Spürbar mit Liebe und Kennertum gemacht, versammelt es | |
Beiträge von vielen, vielen Menschen, die Pippi und ihrer Welt persönlich | |
oder beruflich verbunden sind oder waren. | |
Auch die Geschichte des Zusammentreffens von Friedrich Oetinger und Astrid | |
Lindgren ist – aus beider Perspektive – darin nachzulesen. Die zahlreichen | |
Beiträge sind immer kurz, gut auch stückweise zu lesen, mit vielen Fotos | |
und Illustrationen versehen, und ergeben in ihrer Gesamtheit ein | |
facettenreiches und immer wieder überraschendes Wimmelbild von | |
Informationen, Einsichten und Aha-Momenten. | |
Zu den eher unerwarteten Beiträgen gehört etwa ein Text von [2][Björn | |
Ulvaeus (ABBA)], in dem er erzählt, wie sehr er als Kind Pippis | |
Rebellinnentum bewunderte und wie furchtbar nervös er war, als er vor | |
vielen Jahren einmal Astrid Lindgren treffen durfte. Dem Text ist ein | |
kleines Foto beigegeben, auf dem Ulvaeus, kniend, der Schriftstellerin eine | |
Rose überreicht. | |
## In der DDR konnte Pippi erst spät erscheinen | |
Sehr informativ sind vor allem auch die Beiträge der Rubrik „Pippi | |
international“, die von der Pippi-Rezeption und -Übersetzungsgeschichte in | |
einzelnen Ländern handeln. Nicht nur in der DDR konnte Pippi erst spät | |
(1975 – und nur mit einhegendem Vorwort) erscheinen, sondern auch in | |
Frankreich tat man sich lange schwer mit den fantastisch-anarchischen | |
Elementen der Geschichten. | |
Erst seit 1995 darf die französische „Fifi Brindacier“ ein ganzes Pferd | |
hochheben. Vorher hatte nur eine gekürzte/zensierte Fassung aus den | |
sechziger Jahren existiert, die zum Beispiel aus dem Pferd ein Pony machte, | |
weil der damalige Verleger das für „realistischer“ hielt. | |
In Estland wiederum, wo „Pipi Pikksukk“ 1968 erstmals erschien, ist sie | |
längst so sehr Teil der Nationalkultur geworden, dass viele Menschen sogar | |
glauben, Astrid Lindgren sei Estin gewesen. | |
19 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Astrid-Lindgren-und-die-Rechten/!5605205 | |
[2] /Aufstaendische-am-Hindukusch/!5670563 | |
## AUTOREN | |
Katharina Granzin | |
## TAGS | |
Literatur | |
Kinderbuch | |
Astrid Lindgren | |
Pippi Langstrumpf | |
Jubiläum | |
Literatur | |
Greta Thunberg | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Historienfilm | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Buch „Das Evangelium der Aale“: Die Achtung vor dem Unheimlichen | |
Autor Patrik Svensson hat ein wunderbares Buch über das mysteriöse | |
Lebewesen Aal verfasst – und verbindet Biologie, Kulturgeschichte und | |
Philosophie. | |
Alternativer Nobelpreis für Thunberg: „Niemand war erfolgreicher“ | |
Neben Greta Thunberg ehrt die Jury des Right Livelihood Award auch drei | |
weitere „praktische Visionäre“. Wer sind sie? | |
Astrid Lindgren und die Rechten: Kampf um Bullerbü | |
Astrid Lindgrens Geschichten werden von Rassisten als Projektionsfläche | |
genutzt. Nun wehren sich Lindgrens Erben gegen die Vereinnahmung. | |
Historienfilm „Maria Stuart“ – ein Trend: Angst vor der Frau mit der Krone | |
Filme über historische Stoffe wie „Maria Stuart“ liegen im Trend. Können | |
sie ernsthaft Verständnis für politische Zusammenhänge vermitteln? |