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# taz.de -- Neue Serie „Ronja Räubertochter“: Endlich Mut, auch Düsternis…
> Die neue „Ronja Räubertochter“-Serie widersteht der Versuchung einer
> zuckersüßen Geschichte. Sie traut Kindern wie einst Astrid Lindgren was
> zu.
Bild: Angemessene Mischung aus Glück und Trauer: Kerstin Linden als Ronja
[1][„Ronja Räubertochter“] ist eines der Bücher von [2][Astrid Lindgren],
das in seiner märchenhaften Fantastik und gleichzeitigen Erzählung eines
großen Familiendramas Leser jeden Alters bis heute bewegt und berührt. Die
ARD strahlt nun pünktlich zur Weihnachtszeit eine Neuverfilmung aus: Ein
Remake als Serie, das der Versuchung einer zu betulichen Kinderversion
widersteht und die düsteren, schrecklichen Elemente der Räuberwelt
angemessen bedrohlich darstellt.
Lindgrens Bücher sind berühmt für ihren Mut, auch das Dunkle des
menschlichen Lebens zu porträtieren: Der Tod fand wohl selten so ehrlich
und traurig Eingang in die kanonische Kinderliteratur wie in „Die Brüder
Löwenherz“, die Kurzgeschichtensammlung „Klingt meine Linde“ ist geprägt
von Geschichten um dunkle Kräfte und das außerweltlich Bedrohliche.
Auch „Ronja Räubertochter“ wird in seiner literarischen und erzählerischen
Besonderheit einzigartig durch den Wechsel zwischen Hell und Dunkel: Die
einzige Tochter einer Räuberbande wächst auf der Mattisburg auf, verehrt
von ihrem Vater, geliebt von ihrer Mutter und allen anderen Räubern,
besonders dem alten Glatzen-Per.
Ronja freundet sich mit dem in derselben Nacht wie sie geborenen Sohn Birk
der verfeindeten Räuberbande an, der Streit der Familien eskaliert, die
Kinder fliehen in die Natur – schlussendlich versöhnen sich die Familien um
ihrer Kinder willen, die sich von dem Beruf ihrer Vorfahren distanzieren
und ein eigenständiges Leben in der Natur beginnen.
## Durchzogen von Dichotomien
Die Geschichte ist durchzogen von Dichotomien: Die beiden Familien stehen
sich auf der durch einen Blitzschlag getrennten Burg gegenüber. Der Sommer
im Mattiswald ist paradiesisch, der Winter dafür umso unerbittlicher. Der
liebevolle Glatzen-Per stirbt im Laufe der Geschichte und der Sicherheit
der steinernen Burg steht eine tödliche Außenwelt gegenüber. Die Umgebung
der Burg wird bewohnt von bedrohlichen Fabelwesen, den Wilddruden, die
Ronjas Eltern schon bei ihrer Geburt androhen, das Kind zu verschleppen und
zu zerfleischen, den Graugnomen, den Rumpelwichten und den Unterirdischen,
die durch ihre Stimmen Menschen in die Unterwelt locken können.
Eine Neuverfilmung der Geschichte könnte nun Gefahr laufen, in zuckersüßer
Kinderfilmmanier die Druden ein bisschen weniger schlimm und den Wald ein
bisschen weniger bedrohlich zu zeichnen, der Räuberbande noch ein paar
freundliche Räuberinnen hinzuzufügen und alles ein bisschen zu eindeutig
und zu schnell gut ausgehen zu lassen. Regisseurin Lisa James Larsson und
Drehbuchautor Hans Rosenfeldt widerstanden dieser Versuchung und reihen
„Ronja Räubertochter“ nicht in die lange Reihe von nur oberflächlich
gruseligen, aber eigentlich stets positiven Kindergeschichten ein – das
Dunkle aus [3][Lindgrens Literatur] wird beibehalten.
## Gleichzeitigkeit von Glück und Trauer
Die Gefahr der fantastischen Außenwelt, die Einsamkeit Ronjas auf der Burg,
der elterliche Schmerz über das Wissen um die Notwendigkeit, das eigene
Kind loslassen zu müssen – nichts davon wird in Pastelltönen übermalt. Die
Filmästhetik überrascht schon in ihrer Farbgebung im Vergleich zur
mittlerweile üblichen überbelichteten Märchenatmosphäre des heutigen
Kinderfilms. Besonders die intime und von tiefer Liebe, Angst und Reue
durchzogene Vater-Tochter-Beziehung zwischen Ronja und ihrem Vater Mattis
wird durch die Besetzung mit Christopher Wagelin und Kerstin Linden ganz
hervorragend eingefangen.
Damit traut die Neuverfilmung Kindern wie Erwachsenen das zu, was Lindgren
schon immer wusste: dass gute Kinderliteratur – und ihre Verfilmungen –
Kindern eine Gleichzeitigkeit von Glück und Traurigkeit zutrauen darf.
Hinweis: In einer früheren Version hieß es, dass „Mio, mein Mio“ den Tod
thematisiert. Richtig ist: Der Tod wird themaitisiert in „Die Brüder
Löwenherz“.
19 Dec 2024
## LINKS
[1] /Ronja-und-die-Rumpelwichte/!1079012/
[2] /Neue-Biografie-ueber-Astrid-Lindgren/!5252473
[3] /Astrid-Lindgrens-Tochter-ueber-ihre-Mutter/!5285488
## AUTOREN
Marie-Sofia Trautmann
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