# taz.de -- Wirtschaftshilfen in Corona-Krise: Hoffen auf die grüne Bazooka | |
> Weltweit sollen Staatshilfen in Billionenhöhe die Wirtschaft vor dem | |
> Corona-Schock schützen. Umweltschützer wollen die an Öko-Kriterien | |
> binden. | |
Bild: Auf dem Boden, ganz ohne Flugscham: Lufthansa-Airbus | |
BERLIN taz | Das Schreckgespenst heißt „Abwrackprämie“: In der Finanzkrise | |
nach 2008 zahlte die Bundesregierung zwei Millionen Autohaltern, die ihr | |
altes Fahrzeug verschrotten ließen und ein neues kauften, jeweils 2500 | |
Euro. Gedacht war das als Hilfe für die Autoindustrie, verkauft wurde es | |
vom SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel als „Umweltprämie“, weil alte und | |
dreckige Fahrzeuge gegen neue ausgetauscht wurden. | |
Aber die Kritik war groß: Der deutschen Industrie habe das „Strohfeuer“ | |
kaum genutzt, hieß es. Und das Umweltministerium ließ sich zwar in einem | |
Gutachten „positive Wirkungen“ der Prämie bescheinigen, bestätigte aber | |
inhaltlich eigentlich die wütende Kritik der Umweltverbände mit einer ganz | |
eigenen Logik: „Die Umweltprämie wurde nicht in erster Linie zur | |
Umweltentlastung konzipiert. Deshalb kann ihr auch nicht eine zu geringe | |
Umwelteffizienz vorgeworfen werden.“ | |
In der globalen Wirtschaftskrise von 2008/09 wurde weltweit die Wirtschaft | |
mit Milliardenhilfen gestützt. Fortschritte für die Umwelt- oder | |
Klimapolitik brachten die weltweiten Hilfspakete aber kaum. Im Gegenteil | |
legten die weltweiten CO2-Emissionen und der Verlust von Arten nach der | |
Delle wieder kräftig zu. | |
Das soll nach Corona nicht noch einmal passieren. „Wir haben eine | |
Verantwortung, dass sich die Wirtschaft besser als damals erholt“, sagt | |
UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Den „Rahmen fürs Handeln“ sollten die | |
UN-Ziele für Nachhaltigkeit und Klimaschutz setzen | |
## Historische Chance | |
Auch der Chef der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol, mahnte, | |
man habe „eine historische Chance“ der Wirtschaft helfen, „dreckige | |
Investments zu reduzieren und die Energiewende zu beschleunigen“. | |
Als Anfang März die EU-Kommissionspräsidentin die Finanzierung ihres | |
„Europäischen Green Deals“ mit 1 Billion Euro vorstellte, waren dabei für | |
sieben Jahre [1][nur mickrige 7,5 Milliarden Euro frisches Geld | |
vorgesehen]. Plötzlich ist Kapital im Überfluss da. Und die Frage lautet: | |
Finanziert das Steuergeld die alten Strukturen oder den Umbau zur | |
Klimaneutralität? | |
Diese Debatte beginnt nun auch in Deutschland. Schon bevor der Bundestag am | |
Mittwoch den Nachtragshaushalt für das 600-Milliarden-Euro Hilfspaket | |
bewilligt, das SPD-Finanzminister Olaf Scholz die „Bazooka“ nennt, fordern | |
Umwelt- und Klimaschützer Öko-Kriterien für die geplanten massiven | |
Staatsausgaben. | |
Der BUND will ein „weitsichtiges Konjunkturprogramm, das akutes | |
Krisenmanagement mit Investitionen in die sozial-ökologische Transformation | |
verbindet“, Greenpeace fordert einen „grünen Marshallplan“. | |
## Alte Technologien neu stützen? | |
Die Ökonomin Claudia Kemfert warnt vor neuem Geld für alte Technologien und | |
die grüne Abgeordnete Lisa Badum fordert, der „Green Deal muss die | |
Entscheidungsgrundlage für alle Konjunkturhilfen sein“. | |
Für den Thinktank Agora Energiewende wäre ein Investitionsprogramm, das | |
„blind alte Technologien fördert“, sogar [2][schädlich, weil es „höhere | |
Emissionen auf Dauer zementieren würde.“] | |
Eine Online-Petition auf change.org will die [3][„Coronakrise zur | |
Klimachance machen: Rettungsgelder richtig nutzen“]; Eine Sprecherin von | |
„Extinction Rebellion“ fordert, „keine bedingungslosen Finanzspritzen für | |
Verschmutzer“, alle öffentlichen Gelder müssten an Standards zur Erreichung | |
des Klimaziels von 1,5 Grad gekoppelt werden. | |
Und der Chef des Umweltbundesamts (UBA), Dirk Messner, sagt: | |
„Konjunkturpakete müssen grün aufgelegt werdenund neben Beschäftigung und | |
Wirtschaft auch den Green Deal und den Klimaschutz voranbringen.“ Erreichen | |
könne man das zum Beispiel mit Investitionen in die Infrastruktur für | |
E-Autos, Sanierung von Gebäuden oder in mehr Energieeffizienz für die | |
Industrie. | |
## Grünes Gedöns | |
Die Forderungen nach einer grünen Bazooka sollen auch der Gegenbewegung den | |
Schwung nehmen. Denn in der Krise mehren sich Stimmen, das Öko-Gedöns jetzt | |
erst einmal zu lassen: Der parlamentarische Staatsekretär im | |
CDU-Wirtschaftsministerium, Thomas Bareiß twitterte zu den Forderungen, die | |
Fragen von Solardeckel und Abstandregeln für Windkraft endlich zu lösen: | |
„Wir haben gerade noch ein paar andere drängendere Themen zu bewältigen, | |
die unser ganzes Land betreffen“. | |
Sein Fraktionskollege Klaus-Peter Willsch will die Luftverkehrssteuer für | |
ein Jahr aussetzen, um die Airlines zu entlasten. Und durch die Diskussion | |
schwirren drastische Vorschläge: Den CO2-Preis oder die Düngeverordnung für | |
Bauern aussetzen, die Autoindustrie bei den EU-CO2-Grenzwerten zu | |
entlasten, den [4][EU-Emissionshandel auszusetzen] oder gleich „den Green | |
Deal zu vergessen und sich auf Corona zu konzentrieren“, wie es der | |
tschechiche Premier Andrej Babis formuliert. | |
Dieses „Falsche zu lassen“ ist dann auch der erste Rat eines | |
[5][Schnellgutachtens], das das „Forum Ökologisch-soziale Marktwirtschaft“ | |
(FÖS) zu dieser Frage für Greenpeace erstellt hat. Außerdem solle das Geld | |
vor allem in den Strukturwandel zur Klimaneutralität fließen: In Busse, | |
Bahnen und Radverkehr, die Dämmung von Gebäude, in mehr Solar- und | |
Windenergie. | |
Der notleidende Luftverkehr solle sich für Hilfen zu mehr Klimaschutz | |
verpflichten, die Erfahrung des flächendeckenden „Home Office“ könne zu | |
mehr Telearbeit und weniger Berufspendlern führen, Kurzarbeit als | |
Weiterbildung genutzt werden. Die niedrigen Ölpreise könnten helfen, die | |
weltweit 160 Milliarden Dollar an jährlichen Subventionen für Sprit | |
abzubauen, schreiben die Autoren. | |
## Es ist niemals zu früh | |
Für konkrete Festlegungen sei es noch zu früh, heißt es zu dieser Frage aus | |
der Bundesregierung. Allerdings hat zumindest das SPD-geführte | |
Umweltministerium die im Blick. „Das Haus bereitet sich darauf vor, dass | |
die Konjunkturprogramme möglichst so ausgestattet werden, dass sie Wachstum | |
und Klimaschutz voranbringen“, so ein Sprecher. | |
Das UBA hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, in der Fachleute zu Konsum, | |
Sozialwissenschaft und Klimaschutz nach solchen Lösungen suchen. | |
Denn zu früh ist es für solche Entscheidungen offenbar nicht. Zumindest aus | |
China, das die Corona-Epidemie erst einmal eingedämmt zu haben scheint, | |
mehren sich nach einem Bericht von Bloomberg News die Anzeichen, dass die | |
Regierung massiv in bereits fertige Projekte investieren will, um das | |
Wachstum anzukurbeln – ohne große Rücksichten auf die Umwelt. | |
24 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Von-der-Leyens-European-Green-Deal/!5665102 | |
[2] https://www.agora-energiewende.de/presse/neuigkeiten-archiv/corona-krise-un… | |
[3] https://www.change.org/p/angela-merkel-cdu-coronakrise-zur-klimachance-mach… | |
[4] https://de.reuters.com/article/health-coronavirus-poland-ets-idAFL8N2BA2X9 | |
[5] https://foes.de/publikationen/2020/2020-03-FOES-Wirtschaftshilfen-Corona-Kr… | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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