| # taz.de -- Gutachten der Öko-Weisen: Blick nach vorn im Zorn | |
| > Der Sachverständigenrat für Umweltfragen warnt: Die deutschen Klimaziele | |
| > seien nicht gut begründet, Nachhaltigkeit werde nicht anerkannt. | |
| Bild: Klimapolitik im Zwielicht: Berater der Regierung fordern mehr Transparenz | |
| Berlin taz | In seinem abschließenden Gutachten nach vier Jahren Arbeit hat | |
| der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) der Bundesregierung | |
| fehlenden Mut in der Klimapolitik und große Defizite in vielen anderen | |
| Bereichen bescheinigt. | |
| Die Ziele des Klimaschutzgesetzes seien „nicht wissenschaftlich hergeleitet | |
| und basieren nicht auf einem entsprechenden Transformationspfad bis 2050“, | |
| heißt es in dem Bericht mit dem Titel „Für eine entschlossene Umweltpolitik | |
| in Deutschland und Europa“, der am Donnerstag öffentlich vorgestellt wird. | |
| Eine Kurzform des Gutachtens liegt der taz vor. | |
| Der SRU besteht aus sieben Experten unter Führung von Claudia Hornberg, | |
| Professorin für Umwelt und Gesundheit, und Manfred Niekisch, Professor für | |
| internationalen Naturschutz. Außerdem sind ExpertInnen für Klima, | |
| Ressourcen, Energie, Bauen und Recht im SRU vertreten. Ende Juni endet die | |
| vierjährige Amtszeit der „Umwelt-Weisen“, die Bundesregierung wird dann | |
| einen neuen SRU berufen. | |
| In den eher unspektatulären Kapiteln geben die ExpertInnen der Regierung | |
| wie üblich Ratschläge. So sollten Bund, Länder und Gemeinden zum Beispiel | |
| den Ausbau der Flüsse ökologischer gestalten, eine Recyclingabgabe für | |
| Altautos und Elektrogeräte einführen, den Lärmgrenzwert deutlich senken | |
| oder flächendeckend Nachtflugverbote und Tempo 30 in Städten einführen. | |
| ## Experten fordern CO2-Budget | |
| Darüber hinaus aber kritisiert das Gutachten heftig die Klimapolitik. Da es | |
| kein offizielles „Budget“ gibt, wie viele Treibhausgase Deutschland | |
| ausstoßen darf, „wird ein Abgleich der politischen Vereinbarungen mit den | |
| tatsächlich notwendigen Emissionsreduzierungen unmöglich“. | |
| Nach Kalkulationen des SRU stehen Deutschland insgesamt noch 6,7 Milliarden | |
| Tonnen CO2 zu, wenn jeder Mensch weltweit das gleiche Recht auf CO2-Ausstoß | |
| hat. Beim jetzigen Stand der Emissionen wäre dieses Budget 2029 | |
| aufgebraucht. Und auch wenn die Emissionen kräftig und regelmäßig sänken, | |
| „müsste Deutschland ab 2038 klimaneutral wirtschaften“ – und nicht erst | |
| 2050, wie es die Regierung plant. | |
| Die bisherigen Klimaziele „sind nicht ausreichend“, um das Pariser Abkommen | |
| einzuhalten, schreiben die ExpertInnen. Ganz im Gegenteil: „Die | |
| Emissionsmenge, die sich gemäß der aktuellen Klimaziele ergibt, ist nahezu | |
| doppelt so groß wie das vom SRU berechnete Budget.“ | |
| Der Streit um ein CO2-Budget ist nicht neu. Seit Langem weigert sich das | |
| Bundesumweltministerium unter Svenja Schulze (SPD), eine solche Rechnung zu | |
| veröffentlichen. Zur Kritik des SRU sagt ein Sprecher auf Anfrage der taz: | |
| „Mathematisch ist der Ansatz überzeugend. Politik ist aber nicht nur | |
| Mathematik.“ | |
| Auch das Pariser Abkommen habe auf einen Budgetansatz verzichtet, weil dies | |
| international nicht durchsetzbar sei. In der EU gelte bereits eine | |
| „budgetartige Zielaufteilung“, und national habe das Klimaschutzgesetz mit | |
| den jährlich sinkenden Sektorzielen „etwas Vergleichbares erfolgreich | |
| eingeführt“. Damit werde sichergestellt, dass die deutschen CO2-Emissionen | |
| von 800 Millionen auf 543 Millionen Tonnen in 2030 sinken. „Mit einer | |
| derart hohen Verbindlichkeit sind wir international führend“, heißt es aus | |
| dem Ministerium. | |
| Es gehe nicht darum, die Regierung zu kritisieren, sagte Wolfgang Lucht, | |
| Klimawissenschaftler und SRU-Mitglied, der taz. Aber die Regierung könne | |
| mit einem Budget transparent machen, wo sie beim Klimaschutz stehe. „Die | |
| Lücken bei der Ambition und bei der Umsetzung im Klimaschutz müssen offen | |
| benannt werden“, so Lucht. Entscheidend sei etwa, wie schnell der Umbau des | |
| Energiesystems auf 100 Prozent Erneuerbare vorankomme. | |
| Ohnehin mahnt der SRU zum Ende seiner Amtszeit, die Politik müsse sich | |
| entscheiden, wie sie mit „immer häufiger werdenden Zielverfehlungen“ | |
| umgehe. Bei 20 von 25 Umweltzielen der Nachhaltigkeitsstrategie liege das | |
| Land nicht auf Kurs, „auch rechtlich verbindliche Vorgaben werden häufig | |
| nicht erreicht“, etwa bei Gewässern oder Luftqualität. | |
| Schließlich sei die „zentrale Frage der Umweltpolitik“ weiter ungelöst: | |
| „Solange beispielsweise der Verkehrssektor, die Landwirtschaft, die | |
| Produktpolitik und die Finanzpolitik den Schutz der natürlichen Ressourcen | |
| nicht ernst nehmen, können die Umwelt- und Klimaziele nicht erreicht | |
| werden.“ | |
| 14 May 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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