# taz.de -- Neue Regeln für Naturschutz in Europa: Der Vorschlag ist erst mal … | |
> Umweltverbände loben die beiden neuen Strategien für mehr Naturschutz der | |
> EU-Kommission. An der Umsetzung allerdings hapere es. | |
Bild: Die Zahl der Brutvögel in Deutschland nimmt ab: Kiebitz in Weinbergen in… | |
Berlin taz | Mit großem Wohlwollen haben Umweltverbände und Bioszene die | |
beiden neuen Strategien der EU-Kommission zum Schutz der Natur in Europa | |
aufgenommen. Am Mittwoch hatte die Kommission ihre Biodiversitäts- und die | |
„From-Farm-to-Fork-Strategie“ in Brüssel vorgestellt. | |
Die Strategien sehen vor, dass bis 2030 insgesamt 30 Prozent der Land- und | |
Meeresfläche in Europa unter Schutz gestellt werden, ein Drittel davon | |
besonders geschützt und quasi naturbelassen. Das wären fast doppelt so | |
viele Schutzgebiete wie heute. Enthalten sind zudem verbindliche Regeln zum | |
Erhalt und zur Wiederherstellung geschädigter natürlicher Flächen. So | |
sollen mindestens 25.000 Kilometer Flüsse renaturiert und bis 2030 drei | |
Milliarden Bäume gepflanzt werden. | |
Um den Verlust von Artenvielfalt vor allem bei Vögeln und Insekten auf | |
ihren Feldern zu stoppen, sollen Landwirte künftig mindestens 25 Prozent | |
der Ackerfläche in Europa ökologisch bewirtschaften. Die nötigen | |
Investitionen zur Umsetzung der Strategie beziffert die Kommission auf | |
jährlich 20 Milliarden Euro, die von der EU, ihren Mitgliedstaaten und | |
privater Seite aufgebracht werden müssten. | |
Der Umweltverband WWF sieht in den Strategien „das Potenzial für | |
bemerkenswerte Fortschritte hinsichtlich eines verbindlicheren Schutzes der | |
biologischen Vielfalt“. Allerdings müssten die Strategien nun auch | |
durchgesetzt werden und dürfen nicht vom EU-Parlament und den | |
Mitgliedstaaten verwässert werden. | |
## „Läuft nicht so gut“ beim Klimaschutz | |
Ähnlich sieht es der Naturschutzbund Nabu: [1][Die für den Natur- und | |
Klimaschutz dringende Renaturierung von Mooren, Grünländern], naturnahen | |
Wäldern und Meeresgebieten würden verbindlich gemacht. Es dürfe aber nicht | |
bei Worten bleiben, jetzt seien vor allem die EU-Mitgliedstaaten am Zug: | |
„Wir fordern von der Bundesregierung, zügig mit der wirksamen Umsetzung | |
beider Strategien in Deutschland zu beginnen“, hieß es vom Nabu. | |
Laut dem Bio-Landwirtschaftsverband BÖLW machten die Strategien der | |
Kommission die Land- und Lebensmittelwirtschaft und die Art, wie wir essen, | |
„enkeltauglich“. Die europäische Strategie verlange Deutschland einen | |
„klaren Strategiewechsel ab, sagte der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu | |
Löwenstein. | |
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hingegen rief | |
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf, es nicht bei den beiden | |
Strategien zu belassen. „Um die Praxis auf den Höfen, in der | |
Ernährungswirtschaft, im Lebensmittelhandel und an den Mittagstischen fair, | |
gesundheits- und umweltfreundlich auszurichten, braucht es einen Neustart | |
in den Verhandlungen zur EU-Agrarpolitik“, sagte die AbL-Vorsitzende | |
Elisabeth Fresen. | |
Der Realitätscheck für mehr Klima-, Gesundheits- und Naturschutz laufe | |
gerade, „und er läuft nicht gut“, so Fresen. Die ungenügenden Vorschläge | |
der Vorgängerkommission zur Reform der EU-Agrarpolitik werden sowohl im Rat | |
der Agrarministerinnen und Agrarminister als auch im Europäischen Parlament | |
Stück für Stück verwässert und drohen gänzlich wirkungslos zu werden“, so | |
Fresen. | |
## Der Bauernverband ist entsetzt | |
Gänzlich [2][ablehnend zeigte sich der Deutsche Bauernverband]. | |
DBV-Präsident Joachim Rukwied sieht in den Strategien einen „Generalangriff | |
auf die gesamte europäische Landwirtschaft“. In den vorgelegten | |
Strategiepapieren seien dringend notwendige Anpassungen, ausgelöst durch | |
die Coronapandemie, nicht berücksichtigt worden. Die Ernährungs- und | |
Versorgungssicherheit der Menschen in Europa mit heimischen Nahrungsmitteln | |
müsse in den Mittelpunkt dieser Strategie gerückt werden. | |
Würden Betriebe auf den Kosten für Natur- und Klimaschutz sitzen bleiben, | |
drohe „eine zunehmende Abwanderung der europäischen Lebensmittelproduktion | |
in Drittstaaten und vor allem die Aufgabe einer großen Zahl an | |
landwirtschaftlichen Betrieben in der Europäischen Union“, so Rukwied. | |
20 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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