# taz.de -- Studie zu Klima- und Artenschutz: Die halbe Welt als Schutzgebiet | |
> Ein „globales Sicherheitsnetz“ soll Klima und Arten schützen, schlagen | |
> Wissenschaftler*innen vor. Menschenrechts-NGOs sind skeptisch. | |
Bild: Auf den „Wilden Weiden“ nahe Kappel-Grafenhausen leben ganzjährig fr… | |
Um Krisen wie den Klimawandel, den Verlust von Biodiversität und das | |
Aufkommen neuartiger Viren wie Corona effektiv zu bekämpfen, müssen gut 35 | |
Prozent der globalen Landmasse zusätzlich unter Schutz gestellt werden. Das | |
ist das Hauptergebnis einer [1][im Fachmagazin Science Advances | |
veröffentlichten Studie] von Wissenschaftler*innen und Expert*innen um den | |
US-amerikanischen Naturschützer Eric Dinerstein. | |
Die in zweijähriger Arbeit gesammelten Daten arbeitete das Team in eine | |
[2][interaktive Online-Karte] ein. Dabei handele es sich um „die erste | |
digitale Karte ihrer Art, die eine Art Blaupause für den Schutz des Lebens | |
auf der Erde kreiert“, sagte Dinerstein, der für die | |
Naturschutzorganisation Resolve tätig ist. Dieses „globale Sicherheitsnetz“ | |
umfasst insgesamt gut 50 Prozent der globalen Landmasse, von der etwa 15 | |
Prozent bereits unter Schutz stehen. | |
Die zu bewahrenden Regionen haben die Autor*innen außerhalb stark | |
besiedelter und bewirtschafteter Areale so ausgewählt, dass ein besonders | |
großer Effekt erreicht würde. Der Schutz von rund 2,3 Prozent der Landmasse | |
sei am dringendsten, um die am stärksten bedrohten Pflanzen- und Tierarten | |
vor dem Aussterben zu bewahren, rechnen sie vor. Hinzu kommen fünf weitere | |
Kategorien: Gebiete mit hohem Artenreichtum, Lebensräume großer Säugetiere, | |
intakte Wildflächen und andere Ökosysteme, CO2-Senken und Korridore und | |
Verbindungen der unterschiedlichen Gebiete. | |
Das Besondere des Ansatzes ist, dass Artenschwund und Klimawandel nicht als | |
separate Krisen betrachtet werden. Während beide für sich schon bedrohlich | |
genug sind, beeinflussen und verstärken sie einander nämlich auch noch. Die | |
Studienautor*innen zeigen, dass beide Megaprobleme der Menschheit durch die | |
gleichen Maßnahmen gelindert werden könnten. Somit hoffen sie, eine | |
verbesserte Grundlage für die Verknüpfung von Klima- und Artenschutzpolitik | |
zu bieten. | |
## Eine problematische Utopie? | |
Die Forderung, die Hälfte der Welt zu Schutzgebieten zu erklären, dürfte in | |
der Praxis allerdings utopisch sein. Bereits der [3][noch nicht | |
beschlossene Plan der UN-Biodiversitätskonvention], bis 2030 30 Prozent der | |
Landflächen zu schützen, gilt vielen als ambitioniert. | |
Zudem gibt es Bedenken, was die Verträglichkeit von Naturschutz und | |
Menschenrechten angeht. Erst Anfang September hatten 128 | |
Nichtregierungsorganisationen und Expert*innen [4][in einem offenen Brief | |
gewarnt], dass [5][300 Millionen Menschen durch das UN-Abkommen vertrieben] | |
werden könnten. | |
„Indigenes Land überschneidet sich beträchtlich mit dem globalen | |
Sicherheitsnetz“, heißt es auch in der neuen Studie. Aber ein Problem sehen | |
die Autor*innen darin nicht, im Gegenteil: Indigene sollen nicht | |
vertrieben, sondern in den Umweltschutz eingebunden werden. | |
Fiore Longo von der Organisation Survival International widerspricht am | |
Montag entschieden: „In der Regel werden Schutzgebiete umgesetzt, ohne die | |
Rechte der indigenen Bevölkerung zu respektieren. Warum sollte es diesmal | |
anders sein?“ | |
Außerdem, sagt die Menschenrechtlerin, würden derartige Ansätze von der | |
eigentlichen Ursache der ökologischen Krise ablenken: dem wachsenden | |
Überkonsum vor allem der Reichen. „Die Idee, dass wir im Globalen Norden | |
einfach so weitermachen können, wenn wir 50 Prozent der Erde für unsere | |
eigenen Privilegien ‚beiseitelegen‘, ist ökofaschistisch“, meint sie. | |
8 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://advances.sciencemag.org/content/6/36/eabb2824 | |
[2] https://stage.globalsafetynet.app/viewer | |
[3] /Abgesagtes-Jahr-der-Biodiversitaet/!5677431 | |
[4] https://assets.survivalinternational.org/documents/1957/de-ngo-concerns-ove… | |
[5] /Archiv-Suche/!5712221&s=andrew+m%C3%BCller&SuchRahmen=Print/ | |
## AUTOREN | |
Andrew Müller | |
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