# taz.de -- Finanzexperte Schick für Corona-Bonds: „Mangel an Solidarität w… | |
> Wir sollten aus den Fehlern der Eurokrise lernen, sagt Finanzexperte | |
> Gerhard Schick – und plädiert für gemeinsame europäische Staatsanleihen. | |
Bild: 2011 protestierten Arbeiterinnen gegen die Sparpläne in Griechenland | |
taz: Herr Schick, haben Sie angesichts der Coronakrise Angst um Europa? | |
Gerhard Schick: In der Finanzkrise ab 2008 haben wir erlebt, dass die | |
Euro-Staaten jeweils alleine versuchten, ihre Banksysteme und ihre | |
Wirtschaft zu stabilisieren. Länder wie Spanien oder Irland häuften dadurch | |
so viele Schulden an, dass teure europäische Rettungsprogramme nötig | |
wurden. Diesen Fehler sollten wir diesmal vermeiden, indem gemeinsame | |
europäische Staatsanleihen in Form von Corona-Bonds ausgegeben werden. | |
Die Europäische Zentralbank will Unternehmen und Regierungen stützen. | |
Außerdem werden die Schuldenregeln des Maastricht-Vertrags ausgesetzt. | |
Reicht das nicht? | |
Diese Ansätze taugen nur kurzfristig. Vor allem aber haben sie | |
Nebenwirkungen: Die Staatsschulden beispielsweise Italiens könnten derart | |
steigen, dass Investoren zweifeln, ob das Land die Last tragen kann. Dann | |
wäre die Eurokrise in neuer Form wieder da: Italien hätte Schwierigkeiten | |
sich zu finanzieren, Massenarbeitslosigkeit wie früher in Griechenland | |
könnte die Folge sein. Das müssen wir dringend vermeiden. | |
Gemeinsame EU-Anleihen, Euro-Bonds, sind rechtlich schwierig, unter anderem | |
CDU/CSU lehnen sie ab. Diese Debatte steckt seit zehn Jahren in der | |
Sackgasse. | |
Wir sollten aus 2008 lernen. Die deutsche und einige andere Regierungen | |
haben damals eine gemeinsame Bankenrettung blockiert. Man dachte, wir haben | |
weniger Kosten, wenn wir das alleine machen. Deutschland hat aber mehr für | |
die Bankenrettung hingeblättert als Frankreich und andere Staaten. Unseren | |
Mangel an Solidarität haben wir teuer bezahlt. | |
Führende Ökonom*innen fordern, der bestehende Europäische | |
Stabilitätsmechanismus ESM solle eine gemeinsame Kreditlinie einrichten, | |
aus der sich auch Italien bedienen könne. Ein guter Kompromiss? | |
Nein. Denn ein Kredit bleibt ein Kredit. Italiens Schuldenstand stiege, es | |
bestünde die Gefahr, dass das Land unter den Druck der Finanzmärkte | |
geriete. | |
Euro-Bonds sind auch Schulden, die zurückgezahlt werden müssen. | |
Für gemeinsame Anleihen steht jedoch nicht ein Land alleine gerade, sondern | |
die gesamte Euro-Gemeinschaft. Das ist der entscheidende Unterschied. | |
Gemeinsam ist Euroland so stark, dass niemand an seiner | |
Schuldentragfähigkeit zweifelt. | |
Außerdem fordern Sie, dass sogenannte Leerverkäufe an den Börsen verboten | |
werden. Um welche Papiere geht es? | |
Um Anleihen von Staaten, Unternehmen und Banken. Bestimmte Geschäfte sind | |
heute noch möglich, bei denen die Papiere den Händlern nicht gehören. Sie | |
leihen sie sich nur. Dadurch können sie Druck aufbauen und die Werte in den | |
Keller treiben. Es besteht die Gefahr von Krisengewinnen, die wir | |
unterbinden sollten. Während Belgien oder Spanien diese Transaktionen | |
verboten haben, zögert die deutsche Finanzaufsicht noch. Auch hier brauchen | |
wir ein gemeinsames Vorgehen. | |
25 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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