# taz.de -- Wien rettet Airline mit Ökobedingungen: Klimaschutz geht auch mit … | |
> Die Lufthansa trudelt wegen Corona – und der Bund hilft wohl ohne | |
> Ökobedingungen. Österreich dagegen nutzt die Krise für Klimapolitik. | |
Bild: Sollen nur unter Bedingungen wieder abheben: Flugzeuge der AUA in Wien | |
Berlin taz | Das Arbeitsprogramm klingt vielversprechend: Wenn sich an | |
diesem Montag und Dienstag etwa 30 UmweltministerInnen aus der ganzen Welt | |
zum diesjährigen „[1][Petersberger Klimadialog]“ per Videokonferenz | |
zusammenschalten, liegt der Fokus darauf, „wie die internationale | |
Gemeinschaft die Erholung nach der Corona-Pandemie so gestalten kann, dass | |
Jobs geschaffen werden und Fortschritt beim Klimaschutz gemacht wird“, | |
heißt es in der Einladung aus dem Bundesumweltministerium. | |
Die Realität ist dagegen ernüchternd. Kaum eines der Länder, die in Berlin | |
über eine grüne Neuausrichtung der Wirtschaft debattieren wollen, nutzt | |
dabei bisher seine Spielräume für eine Kursänderung Richtung Klimaschutz. | |
So sind aktuell bei Staatshilfen für trudelnde Airlines in Europa | |
klimapolitische Auflagen kein Thema, [2][zeigt eine neue Studie]. Und auch | |
in Deutschland gibt es keine Hinweise darauf, dass eine Rettung der | |
Lufthansa mit Steuergeld für mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz sorgen wird. | |
Seit Wochen verhandelt die Bundesregierung mit der Konzernspitze der | |
Lufthansa über eine Rettung des angeschlagenen Konzerns. Anfang dieser | |
Woche will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr | |
dafür über ein Rettungspaket verhandeln. Angeblich geht es um Hilfen in | |
Höhe von bis zu 10 Milliarden Euro – und möglichweise auch einen Einstieg | |
des Bundes bei Europas größtem Luftfahrtkonzern. | |
## Die Lage für Lufthansa ist dramatisch | |
Die Lage für die Airline mit weltweit 130.000 MitarbeiterInnen ist | |
dramatisch: Die Lufthansa fliegt nur noch jeden 20. geplanten Flug, 700 von | |
763 Flugzeugen sind stillgelegt. Pro Stunde verliert der Konzern eine | |
Million Euro an Liquidität. Zu Ablauf und Inhalt der Verhandlungen hinter | |
verschlossenen Türen wollen weder Regierung noch Konzern etwas sagen: | |
„Grundsätzlich“ gebe man „keine Auskunft zu etwaigen Staatshilfen und | |
Gesprächen hierzu in Hinblick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“, | |
erklärt das Wirtschaftsministerium. | |
Die Lufthansa verweist darauf, Nachhaltigkeit bleibe ein „zentrales | |
Leitmotiv“, und man mustere bereits jetzt vor allem ältere Flugzeuge aus, | |
die mehr Sprit verbrauchen. | |
Könnte ein mit Staatsgeld geretteter Konzern seine Geschäftspolitik ändern, | |
um der Regierung zu helfen, ihre Klimaziele zu erreichen? Dazu sagen auf | |
taz-Anfrage weder Regierung noch Lufthansa etwas. Das Umweltministerium | |
erklärt nur, alle bisherigen Schritte im Klimaschutzprogramm blieben gültig | |
und in der Branche müssten „noch umfangreiche Veränderungen“ angestoßen | |
werden. | |
Zwar dürfe es „in der Coronakrise kein Business-as-usual geben, auch nicht | |
in der Klimapolitik“, sagt SPD-Umweltministerin Svenja Schulze. Aber zur | |
Forderung nach einer Verpflichtung der Lufthansa bleibt sie stumm. | |
## 100 Flugzeuge weniger | |
Der SPD dürfte es weniger um das Klima als um bedrohte Jobs gehen – und | |
damit um eine direkte Einflussnahme des Bundes: „Wenn Unternehmen wie | |
Lufthansa aus Steuergeldern Staatshilfen in Milliardenhöhe bekommen, müssen | |
auch Mitspracherechte für den Bund gewährleistet sein“, sagte | |
SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich der Bild-Zeitung. Lufthansa-Chef | |
Spohr hat die Beschäftigten der Airline bereits auf harte Zeiten | |
eingestimmt. | |
Nach der Krise werde Lufthansa voraussichtlich eine um 100 Flugzeuge | |
kleinere Flotte haben, sagte der Vorstandsvorsitzende am Freitag in einer | |
internen Botschaft an die MitarbeiterInnen. Daraus ergebe sich ein | |
rechnerischer Überhang von 10.000 MitarbeiterInnen. Von der Einsparung von | |
CO2 und der Erreichung der Pariser Klimaziele war dabei nicht die Rede. | |
## „Klare klimapolitische Bedingungen“ | |
Anders in Österreich. Dort nimmt Umweltressortchefin Leonore Gewessler kein | |
Blatt vor den Mund: „Wenn eine Fluglinie mit vielen hundert Millionen Euro | |
Steuergeld gerettet werden will, muss es auch klare klimapolitische | |
Bedingungen dafür geben“, sagt die grüne Umweltministerin zur taz. Die | |
konservativ-grüne Regierung und Wien debattieren über die Rettung der | |
Lufthansa-Tochter Austrian Airlines (AUA) mit angeblich 800 Millionen Euro | |
Staatsgeld. | |
Gewessler verlangt, dass die Fluglinie sich zu einem Klimaschutzvertrag | |
verpflichtet. Der könne beinhalten, weniger Kurzstreckenflüge und mehr | |
Kooperationen mit der Bahn anzubieten oder mehr und schneller alternative, | |
CO2-arme Treibstoffe einzusetzen. Der Staat wiederum könnte die | |
Ticketabgabe für Kurzstreckenflüge verdreifachten, so die Überlegungen. | |
„Wir sind erst am Anfang der Gespräche“, so Gewessler, „aber wir müssen | |
jetzt die Weichen richtig stellen, damit am Ende der Steuerzahler und der | |
Klimaschutz etwas davon haben.“ | |
Bislang steht Österreich, das am Petersberger Klimadialog nicht teilnimmt, | |
mit dieser Debatte allein auf weiter europäischer Flur. In der Krise | |
greifen viele Staaten ihren Airlines ohne Öko-Bedingungen unter die Flügel. | |
## Die EU-Kommission ist gespalten und hilflos | |
Die Konzerne haben insgesamt 12,8 Milliarden Euro an Hilfen angefordert, | |
haben die Umweltverbände „Transport & Environment“ (T&E), Greenpeace und | |
Carbon Market Watch in einer Übersicht zusammengetragen. Demnach sind die | |
ersten 3,3 Milliarden bereits zugesagt, unter anderem an easyjet, TUI oder | |
Scandinavian Airlines. Weitere etwa 9,5 Milliarden sind für Firmen wie KLM, | |
Air France, Lufthansa, Alitalia oder British Airways im Gespräch. | |
„Die Fluggesellschaften suchen nach öffentlichem Geld, um zum | |
Normalgeschäft mit rasant steigenden Emissionen bei laxen Regeln und | |
Steuervergünstigungen zurückzukehren“, kritisiert Andrew Murphy von T&E. | |
„Jetzt muss sichergestellt werden, dass die Luftfahrt eine grüne Wende | |
hinlegt, indem Hilfen an Steuern und grüneren Treibstoffen geknüpft | |
werden.“ Die CO2-Emissionen im innereuropäischen Flugverkehr haben seit | |
2013 um fast 28 Prozent zugelegt, zeigen Daten des Emissionshandels. Auf | |
einer Liste der zehn größten CO2-Emittenten in Europa stuft T&E neben | |
großen Kohlekraftwerken auch den Billigflieger Ryanair auf Platz sieben | |
ein. | |
Die EU-Kommission ist bei der Frage gespalten und hilflos. Erst lehnte | |
Verkehrskommissarin Adina Valean die Idee ab, die Airlines in der Krise zu | |
mehr Klimaschutz zu verpflichten. Dann erklärte der mächtige Vizechef der | |
Kommission, Frans Timmermans, vor dem EU-Parlament, die Kommission würde | |
solche Regeln begrüßen: „Können die Mitgliedstaaten ihre Staatshilfen mit | |
grünen Kriterien versehen? Die Antwort ist: ja.“ | |
Entscheiden werden über die konkreten Hilfen aber die nationalen | |
Regierungen. Und da hat die deutsche Entscheidung zu Lufthansa auch einen | |
Einfluss auf die österreichische Vorstellung eines Deals „Staatsgeld nur | |
gegen Klimaschutz“. Denn die AUA ist seit 2009 eine Tochter der Lufthansa. | |
Nur wenn die Mutter gerettet wird, könnte die Tochterfirma zu | |
Öko-Konzessionen bereit sein. | |
26 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Petersberger-Klimadialog/!5591540 | |
[2] https://www.transportenvironment.org/press/polluting-european-airlines-seek… | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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