# taz.de -- Österreich führt Pauschal-Ticket ein: Mit Bus und Bahn in die Zuk… | |
> Österreich rettet mit viel Steuergeld die Fluglinie Austrian Airlines – | |
> und verbindet den Schritt mit ökologischen Maßnahmen. | |
Bild: Für das Klima: Millioneninvestitionen gehen in den Nachtzug | |
Wien taz |Österreich bekommt 2021 ein Klimaticket. Das 1-2-3-Ticket, eines | |
der wichtigsten Wahlversprechen der Grünen im vergangenen Jahr, wird | |
unbeschränkte Nutzung von Zügen und öffentlichen Verkehrsmitteln im | |
gesamten Bundesgebiet für 3 Euro täglich ermöglichen. Umweltministerin | |
Leonore Gewessler (Grüne) verkündete diesen Durchbruch am Montag am Rande | |
einer Pressekonferenz. Dort ging es um die Rettung der Austrian Airlines | |
(AUA) mit Steuergeld. Gewessler hofft, dass ihr „Herzensprojekt“ im ersten | |
Halbjahr Realität wird. | |
In Wien und Vorarlberg haben die Grünen schon vor Jahren ein 365-Euro | |
Jahresticket durchgesetzt. Die Auslastung von U-Bahn, Bus und Straßenbahn | |
hat sich seither deutlich erhöht. Jetzt wird diese Idee auf ganz Österreich | |
ausgedehnt. Förderungen von 240 Millionen Euro seien fest zugesagt, so | |
Gewessler. Das Jahresticket wird 1.095 Euro kosten. Die Variante, die | |
unbegrenztes Reisen in einem oder zwei Bundesländern für 1 Euro | |
beziehungsweise 2 Euro täglich vorsieht, muss noch warten. | |
Die Tarifreform geht einher mit einer Offensive, die das Bahnreisen | |
attraktiver machen soll. So wird die ÖBB eine halbe Milliarde Euro in | |
zusätzliche Nachtzüge investieren. Ab 2024 sollen jährlich weitere 10 | |
Millionen Euro für Investitionen bereitstehen. Die ÖBB zeigen sich in einem | |
Tweet erfreut über neue Nachtzugverbindungen und das 1-2-3-Ticket: „Ziel | |
ist, Menschen für Bus und Bahn zu begeistern und mit Nachtzügen | |
klimafreundliche Alternative zu Flugreisen bieten zu können.“ | |
Schnelle Städteverbindungen spielen auch eine Rolle bei dem Paket, das mit | |
der Lufthansa über die AUA ausgehandelt wurde. So sollen Flüge in | |
Destinationen, die in „deutlich unter drei Stunden“ mit der Bahn erreichbar | |
sind, nicht mehr angeflogen werden. Namen werden zwar keine genannt, doch | |
sind die Landeshauptstädte Linz (circa 180 Kilometer von Wien) und Salzburg | |
(300 Kilometer) die ersten Kandidaten. Nach Eröffnung von zwei Tunnels | |
werden auch Graz und Klagenfurt über die Schiene schneller erreichbar sein. | |
Dagegen protestiert die rechte FPÖ: „An unseren heimischen Flughäfen hängen | |
Aberhunderte Arbeitsplätze“. Man fürchte um die Industrie- und | |
Zulieferunternehmen im Grazer Umland. | |
## Das Besäufnis auf Mallorca wird teurer | |
[1][Gleichzeitig will die AUA ökologischer und leiser werden.] Bis 2030 ist | |
eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 30 Prozent zum Vergleichsjahr 2005 | |
vereinbart worden. Der Fluglärm ist bis dahin um ganze 60 Prozent zu | |
drosseln. Das soll vor allem durch technische Verbesserungen bei der | |
Landung erreicht werden. Umweltministerin Gewessler hat auch ein | |
Antidumpinggesetz durchgesetzt, das verhindern soll, dass Fluglinien ihre | |
Tickets unter den gesetzlichen Gebühren und Abgaben anbieten. Das sind | |
derzeit rund 40 Euro. Der Unfug, für ein Besäufnis über den Samstag nach | |
Mallorca zu fliegen, würde damit aufhören. Eine zusätzliche Ticketsteuer | |
von 12 Euro, die in naher Zukunft erhoben werden soll, würde vor allem die | |
Kurzstrecke belasten. | |
Anders als die deutsche Bundesregierung haben die österreichischen | |
Amtskollegen keine Beteiligung am Lufthansa-Konzern ausgehandelt. | |
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nannte als Ziele der Verhandlungen, „die | |
Masse der Arbeitsplätze retten, eine Garantie fürs Drehkreuz Wien und | |
notwendige Maßnahmen zum Klimaschutz“. | |
Das ist der Republik immerhin 450 Millionen Euro wert. 150 Millionen sind | |
ein Zuschuss, weitere 300 Millionen werden von einem Bankenkonsortium als | |
Kredit vergeben. Für 90 Prozent davon haftet die Republik. Sollte das | |
Unternehmen nicht zahlen können, fiele es ins Eigentum der Republik, wie | |
Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) verkündete. Gesichert wird das Darlehen | |
mit Flugzeugen und Aktien. Ursprünglich hatte die AUA fast 800 Millionen | |
Euro an Staatshilfe beantragt. Schon im Mai wurde mit dem Betriebsrat | |
vereinbart, dass die Belegschaft zeitweise auf bis zu 15 Prozent ihres | |
Gehalts verzichtet. Damit sollen bis 2024 mindestens 300 Millionen Euro | |
eingespart werden. | |
## 10 Jahre Sicherheit | |
Die Lufthansa verpflichtete sich ihrerseits, 150 Millionen in ihre Tochter | |
zu investieren. Obwohl die Lufthansa-Aktie seit dem Tiefststand im April | |
wieder um 70 Prozent zugelegt hat, rechnet Konzernchef Carsten Spohr, der | |
zur Vertragsunterzeichnung nach Wien kam, nicht damit, dass das | |
Vor-Corona-Niveau in weniger als drei Jahren erreicht wird. | |
Trotzdem geht der Konzern die Verpflichtung ein, nicht nur den Markennamen | |
Austrian Airlines beizubehalten, sondern auch den Hub Wien zehn Jahre lang | |
nicht anzutasten. Des Weiteren sieht das Abkommen vor, dass das Drehkreuz | |
Wien gegenüber den Hubs Frankfurt, München und Zürich nicht benachteiligt | |
wird. | |
Der linke Wirtschaftswissenschaftler Stephan Schulmeister bemängelt, dass | |
die ökologischen Auflagen mangels internationaler Schiedsgerichtsbarkeit | |
nicht einklagbar seien: „Der Kauf aus der Konkursmasse wäre billiger, dann | |
hätte die Republik gestalten können.“ Nämlich als Eigentümer. Jetzt darf | |
sie lediglich einen Posten im AUA-Aufsichtsrat besetzen und zwei Vertreter | |
in den Stiftungsvorstand der Luftverkehrsholding entsenden. | |
9 Jun 2020 | |
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[1] /Wien-rettet-Airline-mit-Oekobedingungen/!5678585 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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