# taz.de -- Maßnahmen für EU-Wirtschaft: Deutschland muss ran | |
> Sind die EU-Staaten finanziell stark genug, um die Corona-Krise zu | |
> meistern? Möglich ist, dass Deutschland andere Länder mit absichern muss. | |
Bild: In Spanien macht Ikea derzeit null Umsatz | |
BERLIN taz | Der DAX brach am Montag um 5 Prozent ein, mal wieder. Am | |
Dienstag wieder eine leichte Erholung auf dem Ritt nach unten. Was sonst | |
ein Crash wäre, ist [1][das neue Normal]. Die Finanzmärkte preisen die | |
allgemeinen Erwartungen ein: ein Absturz der Realwirtschaft. Am Montag rief | |
mit den drei Luftfahrt-Bündnissen Star Alliance, Skyteam und Oneworld die | |
erste globale Branche nach Staatshilfen, viele stellten den Flugverkehr | |
ein. Nun verkündet VW, [2][die Produktion auszusetzen]. | |
Zuvor senkte die US-Notenbank Fed die Zinsen fast auf null und koordinierte | |
sich mit der Europäischen Zentralbank und den Notenbanken Kanadas, | |
Großbritanniens, Japans und der Schweiz wie schon während der | |
Weltfinanzkrise 2008. Am Freitag vergangener Woche hatten Finanzminister | |
Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) angekündigt, | |
die Wirtschaft mit Krediten in unbegrenzter Höhe stützen zu wollen. Italien | |
will seine Hilfen von 25 Milliarden Euro aufstocken, Frankreich hat ein | |
Paket von 45 Milliarden Euro für seine Unternehmen angekündigt. Die | |
EU-Staaten stützen ihre Wirtschaft also primär auf nationaler Ebene. | |
“Liquiditätshilfen“ ist das Wort der Stunde. Was im Prinzip heißt, dass | |
Staaten die Rolle von Banken übernehmen und dafür sorgen, dass Unternehmen | |
flüssig, also liquide bleiben, Rechnungen bezahlen können und später | |
nahtlos den Betrieb wiederaufnehmen können. Doch viele Banken strauchelten | |
bereits vor der Krise und sind in Europa kaum in der Lage, das Risiko zu | |
tragen, selbst gesunden Unternehmen Kredite zur Krisenfinanzierung zu | |
geben. | |
Was bleibt, sind Staaten. Doch die stehen in der EU finanziell sehr | |
unterschiedlich da. Die Folge ist, dass Italien derzeit Zinsen zahlen muss, | |
wenn es sich Geld leiht, um seine Hilfen zu ermöglichen. Deutschland | |
dagegen gilt als so sicher, dass Investoren dem Land eine Prämie dafür | |
zahlen, wenn sie ihm Geld leihen dürfen. Die Frage ist, ob es deshalb | |
europäische Lösungen geben muss, um die Wirtschaft zu sichern. Sonst retten | |
überschuldete Staaten überschuldete Banken in einer überschuldeten | |
Wirtschaft. Ein Teufelskreis, der [3][zu einer Krise der gesamten Währung] | |
führen könnte. | |
## Der ESM soll einspringen | |
Ein positiver Effekt der vergangenen Krise ist, dass es bereits | |
Institutionen gibt, die gemeinsame Finanzhilfen in die Wege leiten können. | |
Der ESM, der Europäische Stabilitätsmechanismus mit Sitz in Luxemburg, ist | |
eine solche. Er kann zahlungsunfähige Eurostaaten mit Krediten stützen, im | |
Gegenzug müssen Sparmaßnahmen versprochen werden. „Die Zinssätze für | |
Italien gehen hoch, dagegen sollte man das Land jetzt absichern“, sagt | |
deshalb der grüne Finanzexperte Sven Giegold. Er fordert, ESM-Kredite ohne | |
komplizierte Sparauflagen zu gewähren. Schon allein die Ankündigung könnte | |
dafür sorgen, dass Länder wie Italien auch am freien Markt günstiger an | |
Geld kommen. | |
Weil der ESM von allen Euro-Staaten finanziert wird, hieße das nichts | |
anderes als: Der Euroraum handelt gemeinsam gegen die Krise, auch | |
finanziell. Das wäre vor allem ein politisches Signal, denn derzeit hat | |
Italien noch keine Probleme, sich Geld zur Krisenbekämpfung zu leihen. Das | |
aber könnte sich mittelfristig ändern. Auch der Ökonom Markus Brunnermeier | |
von der Princeton University stützt die Forderung, den ESM entsprechend | |
einzusetzen, und fordert europäische Solidarität. “Wenn sie nicht kommt, | |
werden sich die Bürger fragen, ob wir Europa wirklich brauchen, wenn die EU | |
in einer solchen Krise die Auswirkungen nicht abfedert“, schreibt er der | |
taz. | |
Das würde auch nicht zu Anreizverzerrungen führen. Während der Eurokrise | |
herrschte bei der Bundesregierung die Meinung vor, wenn Länder wie Italien | |
schlampig haushalten, dürfte man ihnen danach nicht die Schulden abnehmen. | |
Solche falschen Anreize würden nur erneut zu schlechtem Haushalten führen. | |
Brunnermeier hält das Argument nun für überholt: Die Coronavirus-Krise habe | |
niemand durch schlechte Haushaltsführung verschuldet. | |
Der Ökonom Peter Bofinger geht sogar noch einen Schritt weiter. Er fordert, | |
die EU sollte zur Bekämpfung der Krise gemeinsame Anleihen ausgeben. Also | |
als Gemeinschaft kollektiv Schulden aufnehmen, in Form einer | |
Corona-Anleihe. Während der Eurokrise ist das bereits unter dem Stichwort | |
Eurobonds diskutiert worden, fand aber nie eine Mehrheit. „Viele | |
argumentierten damals, gemeinsame Anleihen würden Schlendrian und | |
Reformmüdigkeit belohnen“, sagte Bofinger er taz. Das sei aber nun obsolet. | |
„Es wäre vollkommen gerechtfertigt, die Risiken jetzt gemeinsam | |
abzusichern“, sagte er. | |
17 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Lagarde-ruft-zum-Handeln-auf/!5667595 | |
[2] /Ueberblick-zur-Corona-Pandemie/!5672040 | |
[3] /Corona-Folgen-fuer-Suedeuropa/!5668519 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
ESM | |
Peter Bofinger | |
Fed | |
Fed | |
Green Deal | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
DAX | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kurswechsel der US-Notenbank Fed: Machtlos, aber ehrlich | |
Die Fed gibt mit ihrem Kurswechsel zu, dass sie die Wirtschaft nicht | |
steuern kann. Jetzt muss sie noch Goldfans überzeugen, dass Panik | |
überflüssig ist. | |
US-Notenbank ändert Strategie: Fed will Arbeitsmarkt unterstützen | |
Die US-Notenbank ändert mitten in der Coronakrise ihre Geldpolitik. Geringe | |
Zinsen sollen Geringverdiener*innen unterstützen und die Wirtschaft | |
ankurbeln. | |
Wirtschaftshilfen in Corona-Krise: Hoffen auf die grüne Bazooka | |
Weltweit sollen Staatshilfen in Billionenhöhe die Wirtschaft vor dem | |
Corona-Schock schützen. Umweltschützer wollen die an Öko-Kriterien binden. | |
Luftfahrt-Drehkreuz Frankfurt: Cancelled | |
Leere Terminals, stillgelegte Flugzeuge, verunsicherte Beschäftigte: Corona | |
hat die Luftfahrtbranche in die größte Krise ihrer Geschichte gestürzt. | |
Corona-Folgen für Südeuropa: Die Eurokrise kommt zurück | |
Die Pandemie trifft die Volkswirtschaften von Griechenland, Italien und | |
Spanien besonders hart. Die Risikoaufschläge für Staatskredite steigen. | |
Lagarde ruft zum Handeln auf: Zeit für Staatswirtschaft | |
Corona löst eine Wirtschaftskrise aus, der Dax fällt ins Bodenlose. | |
Ökonomen aller Lager rufen nach Staatsintervention, die Zentralbank stimmt | |
mit ein. | |
Ökonom über Corona-Folgen: „Für Kleinunternehmen hammerhart“ | |
Trotz Corona müssen wir keine Wirtschaftskrise wie vor zwölf Jahren | |
erwarten – sagt Ökonom Marcel Fratzscher. Eng werde es aber für kleine | |
Betriebe. |