| # taz.de -- 20 Jahre Erneuerbare-Energien-Gesetz: Erstens Sonne, zweitens Wind | |
| > Seit 20 Jahren gibt es das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Nun steht die | |
| > Energiewende unter Druck. Dabei könnte es so einfach sein. | |
| Bild: Sie wollen schnell mehr Windkraft: Demonstrant*innen vor dem Kanzleramt i… | |
| Berlin taz | Heftige politische Kämpfe gibt es heute um fast jedes neue | |
| Windrad. Anwohner*innen regen sich auf, es wird demonstriert und geklagt, | |
| Verwaltungen fordern ein Gutachten nach dem anderen. Und auf Bundesebene | |
| können sich Union und SPD nicht darüber einigen, wie groß künftig der | |
| [1][Abstand zwischen Windkraftwerken und Siedlungen] sein soll. | |
| Dabei ließe sich die Sache relativ einfach gestalten. Denn trotz der | |
| Regierungsplanung, den Ökostrom-Anteil von heute etwa 42 Prozent bis 2030 | |
| auf 65 Prozent zu steigern, werden dafür wohl nicht erheblich mehr | |
| Windräder an Land benötigt. Der Grund: Die modernen Anlagen können mehr | |
| Energie liefern als die alten. Und für zusätzliche Photovoltaikmodule auf | |
| Hausdächern und Freiflächen gibt es jede Menge Platz – wenn die Gesetze den | |
| Ausbau erleichterten, statt ihn zu behindern. | |
| Vor 20 Jahren ging es plötzlich schnell. Zum 1. April des Jahres 2000 setze | |
| die damalige rot-grüne Bundesregierung das Erneuerbare-Energien-Gesetz | |
| (EEG) in Kraft und löste den Boom des Ökostroms aus. Dieser durfte mit | |
| Vorrang in die Netze eingespeist werden. Betreiber von Wind- und | |
| Solaranlagen erhielten eine feste Vergütung, die deutlich über dem | |
| Marktpreis lag. Das schuf Investitionssicherheit. | |
| Nach Berechnungen der Organisation [2][Agora Energiewend]e müssten, um das | |
| 65-Prozent-Ziel bis 2030 zu erreichen, von nun an jährlich Windräder an | |
| Land mit einer Leistung von 4,1 bis 5,1 Gigawatt (Milliarden Watt) | |
| hinzugebaut werden. Damit kämen in den nächsten zehn Jahren 41 bis 51 | |
| Gigawatt Wind dazu, wodurch sich die Gesamtleistung in etwa auf rund 100 | |
| Gigawatt verdoppelte. Bei der Solarenergie müssten laut Agora 5,8 bis 10 | |
| Gigawatt (GW) jährlich errichtet werden, insgesamt also 58 bis 100 GW. Das | |
| liefe im Vergleich zu heute auf eine Verdoppelung oder Verdreifachung | |
| hinaus. | |
| ## Keine Verspargelung der Landschaft | |
| Was heißt das für die [3][Windkraft] an Land konkret – ist mit der | |
| sogenannten Verspargelung der Landschaft zu rechnen? Eher nicht. Nimmt man | |
| an, dass die Leistung der zusätzlichen Windanlagen auf durchschnittlich 4 | |
| Megawatt (MW) steigt, braucht man 12.500 neue Rotoren, um die benötigten 50 | |
| GW bereitzustellen. Gleichzeitig werden viele der heute rund 30.000 | |
| bestehenden Anlagen durch stärkere ersetzt, wodurch ihr Bestand auf etwa | |
| 20.000 sinken dürfte. | |
| Unter dem Strich könnte das für die kommenden zehn Jahre bedeuten: 20.000 | |
| alte plus 12.500 neue macht 32.500 im Vergleich zu derzeit 30.000. „Im | |
| Ergebnis bleibt die Zahl der Anlagen also in etwa gleich“, sagt Thorsten | |
| Lenck von Agora. Allerdings räumt er ein, dass die Windparks künftig mehr | |
| Fläche einnehmen – und zwar etwa das 1,7-fache der heutigen Ausdehnung. | |
| Erklärung: Die Rotoren werden stärker, größer und höher, weshalb sie | |
| drumherum mehr Platz brauchen. | |
| ## Genug Flächen für Solarenergie | |
| Und wie sieht es für die Entwicklung der Solarenergie aus? Unterstellt, es | |
| kommen bis 2030 etwa 100 Gigawatt Photovoltaikmodule in Deutschland hinzu, | |
| könnte man sie je zur Hälfte auf Hausdächern und Freiflächen errichten. | |
| Aber sind diese Flächen überhaupt vorhanden? „Ja“, sagen Experten, | |
| „locker“. | |
| Etwa Harry Wirth vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in | |
| Freiburg beziffert „das Potenzial für Dachanlagen auf 387 Gigawatt“. Da | |
| sollte es grundsätzlich kein Problem darstellen, 50 GW zusätzlich auf den | |
| Dächern von Wohnhäusern, Fabriken, Baumärkten oder Verwaltungsgebäuden | |
| unterzubringen. Und was die Freiflächen betrifft, verweist Wirth auf eine | |
| Studie für das Bundesverkehrs- und Digitalministerium (BMVi). Demnach | |
| stehen genug Flächen beispielsweise in der Landwirtschaft zur Verfügung, um | |
| bis zu 226 Gigawatt Solarleistung anzubieten. „Mit Agrophotovoltaik lassen | |
| sich Landwirtschaft und Stromproduktion auf derselben Fläche kombinieren“, | |
| so Wirth. Einige Nutzpflanzen würden kaum weniger Ertrag bringen, wenn sie | |
| unter Sonnenmodulen wüchsen, andere sogar mehr. | |
| ## Irre kompliziertes Stromgesetz | |
| So scheint sowohl der Wind- als auch der Solarausbau bis 2030 grundsätzlich | |
| keine Hürde zu sein. Wobei es politisch sinnvoll sein mag, sich mehr auf | |
| Sonne als auf Wind zu konzentrieren. Möglicherweise sind bei dieser | |
| Variante weniger Konflikte zu erwarten. Photovoltaikanlagen fallen nicht so | |
| störend auf wie die riesigen Rotoren, die Hügel und Horizonte garnieren. Im | |
| Gegenteil lassen sich die Module in vielen Fällen nutzen, um brachliegende | |
| Flächen zu verwenden. Von der Straße sind die Dächer von Fabriken, | |
| Bürohäusern und Wohnblöcken oft nicht einzusehen, der Ausblick wird nicht | |
| verschandelt. | |
| Sowieso ist es erstaunlich, dass bisher so wenige Gebäudedächer vor allem | |
| in Städten mit Solaranlagen belegt sind. Das liegt unter anderem an dem | |
| irre komplizierten Mieterstromgesetz, das Produzenten von Dachstrom | |
| verpflichtet, erstmal ein Energieversorgungsunternehmen zu gründen. „Das | |
| ist kein praktikabler Rechtsrahmen“, sagt Fraunhofer-Experte Wirth. Auf | |
| Appelle zur Vereinfachung hat die Bundesregierung bisher nicht reagiert. | |
| 1 Apr 2020 | |
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| [1] /Nach-Scheitern-der-Verhandlungen/!5671616 | |
| [2] https://www.agora-energiewende.de/ | |
| [3] /Gemischte-Bilanz-der-Erneuerbaren-2019/!5650202 | |
| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
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