# taz.de -- Erneuerbare Energien in Gewässern: Wie Windräder schwimmen lernen | |
> Ein Energieunternehmen stellt eine Windkraftanlage auf ein schwimmendes | |
> Fundament. Für Länder mit Steilküsten ist das eine attraktive Technik. | |
Bild: Nezzy² auf einem Baggersee bei Bremerhaven | |
Freiburg taz | In einem Baggersee bei Bremerhaven hat am Montag der | |
Energiekonzern EnBW zusammen mit dem norddeutschen Ingenieurunternehmen | |
Aerodyn Engineering einen 18 Meter hohen Prototyp einer schwimmenden | |
[1][Windkraftanlage] errichtet. Die Konstruktion mit dem Namen Nezzy² soll | |
sich ab dem Sommer auch in der Ostsee beweisen. | |
Nezzy² ist eines von vielen Projekten, mit denen die Grenzen der | |
klassischen Offshore-Windkraft überwunden werden sollen. Denn bei etwa 50 | |
Meter Wassertiefe stoßen die Fundamente der bisherigen Windkraftanlagen | |
schnell an ihre Grenzen. Mit Hilfe schwimmender Tragstrukturen sollen auch | |
tiefere Meere für die Energiegewinnung durch Windkraft nutzbar gemacht | |
werden – und so die maritimen Energiepotenziale deutlich erhöhen. | |
Mindestens 35 solcher Projekte gebe es derzeit weltweit, sagt Mareike | |
Leimeister, Wissenschaftlerin am Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme | |
(Iwes) in Bremerhaven. | |
Es sind – grob betrachtet – drei verschiedene Bauformen, an denen die | |
Ingenieure forschen. Eine basiert auf der Stabilisierung durch einen tiefen | |
Massenschwerpunkt. Diesen schafft man durch eine lange zylindrische | |
Struktur, die mehrere tausend Tonnen wiegt und bis zu 120 Meter in die | |
Tiefe reicht. Bekanntestes Projekt dieser Art ist Hywind, der erste | |
kommerzielle Windpark auf schwimmendem Fundament. Er wurde im Jahr 2017 vor | |
der Küste Schottlands errichtet. | |
Hinter diesem Projekt steht der norwegische Erdöl- und Erdgaskonzern | |
Equinor (einst Statoil), was kein Zufall ist: Man griff auf das Wissen vom | |
Bohrinselbau zurück. Die zweite Technik ist der Halbtaucher, eine | |
schwimmende Struktur, deren Merkmal eine große Querschnittsfläche auf der | |
Wasserlinie ist. Die Konstruktion, die deutlich weniger Tiefgang erreicht, | |
besteht zumeist aus einem liegenden Dreieck aus Röhren, an dessen Enden | |
tonnenförmige Auftriebskörper befestigt sind. | |
Und schließlich gibt es noch das ebenfalls bei der Öl- und Gasförderung | |
verbreitete TLP-Konzept (tension leg platform, also die Plattform mit | |
verspannten Beinen). Diese Tragstruktur besteht aus einem zentralen | |
Auftriebskörper, der durch stark gespannte Stahltrossen aufrecht gehalten | |
wird. Diese sind am Meeresgrund verankert. „Vermutlich werden Mischkonzepte | |
sich durchsetzen“, sagt Forscherin Leimeister. Ein solches Mischkonzept ist | |
auch das Forschungsprojekt Aflowt vor der Westküste Irlands, in das auch | |
das Iwes eingebunden ist. | |
Deutschland steht bei diesem Thema ein wenig abseits, weil die hiesigen | |
Seegebiete recht flach sind, was bodenfixierte Tragstrukturen ermöglicht. | |
Wollen jedoch Länder mit steil abfallenden Küsten die Windkraft auf See | |
erschließen, kommen sie an schwimmenden Varianten nicht vorbei. Zu diesen | |
Ländern zählt auch Japan. Neben den Asiaten forschen derzeit vor allem | |
Frankreich, Spanien und die USA auf diesem Gebiet. Die erste entsprechende | |
Anlage Frankreichs – Name: Floatgen – wurde 2018 mit einer Leistung von 2 | |
Megawatt im Atlantik in Betrieb genommen. Das Fundament, Bauform | |
Halbtaucher, stammt von der französischen Firma Ideol. | |
Bislang ist die Floating-Technik noch teurer als die bodenfixierte, was | |
angesichts der noch jungen Entwicklung nicht überrascht. Doch die Kosten | |
dürften sinken, sobald sich die Konstruktionen eines Tages etablieren. Sie | |
haben sogar potenzielle Kostenvorteile, weil die Maschinen bereits im Hafen | |
montiert und dann an ihren Standort geschleppt werden können. Der teure | |
Aufbau mit Spezialkränen auf See wird so verzichtbar. Ebenso können die | |
Maschinen im Falle einer größeren Reparatur im Hafen preiswerter versorgt | |
werden. | |
Auch beim aktuellen EnBW-Projekt sind die Akteure optimistisch: Man sei | |
überzeugt, dass Nezzy² helfen werde, „in Zukunft noch kostengünstiger | |
Windstrom vom Meer zu erzeugen“, sagt Aerodyn-Geschäftsführer Sönke | |
Siegfriedsen. | |
9 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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