Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Werkschau zu Caspar David Friedrich: Photoshop im Kopf
> Die Kunsthalle Hamburg feiert Caspar David Friedrichs 250. Geburtstag mit
> einer großen Schau. Wie wurde der Maler zum Phänomen der Kunstgeschichte?
Bild: Radikale Leere: Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“ (1808–1810…
Noch heute ist der „Mönch am Meer“ ein radikales Bild. So leer: Strand,
Meer, Himmel, Mönch. Ein sinnierender alter Mann in Kutte steht vor der
bleiernen Schwärze des weiten Meeres. Über zwei Jahre hinweg, zwischen 1808
und 1810, hat Caspar David Friedrich an dem Gemälde gearbeitet, das jetzt
in der [1][Hamburger Kunsthalle] zu sehen ist, und hat es bis zu dieser
Radikalität reduziert. Es bleibt sinnoffen: Ging es ihm um Ehrfurcht vor
der Natur, Gottergebenheit, Innerlichkeit?
Wohl deswegen, weil die berühmten vernebelten oder von tiefsitzender
Abendsonne belichteten Landschaften von Caspar David Friedrich so
bedeutungsoffen sind, ist der Künstler ein solches Phänomen. Unzählige
Bücher sind über ihn geschrieben, Ausstellungen ausgerichtet worden. Jetzt
eröffnete mit einer großen Caspar-David-Friedrich-Ausstellung in der
Hamburger Kunsthalle ein regelrechtes Festival zum 250. Geburtsjahr des
Künstlers, das bis 2025 auch in Greifswald, Berlin und Dresden stattfindet.
Es ist die Mehrdeutigkeit seiner Kunst, die Friedrich ideologisch derart
vereinnahmen lassen konnte. Nach seinem Tod 1840 in Dresden war er kaum
mehr bekannt. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte ihn die
Kunstgeschichte als deutschen Romantiker. Von den Nationalsozialisten wurde
er verklärt, hing wohl auch in der Reichskanzlei. Kurt Eberlein sprach in
seiner völkisch motivierten Kunstgeschichte von Friedrichs „gotischem Eis“
und „Rassenwolken“.
In Westdeutschland musste man Caspar David Friedrich erst einmal von dieser
braunen Last befreien, als 1974, im 200. Geburtsjahr des Zeichners und
Malers, eine große Schau in der Hamburger Kunsthalle anstand. Die deutete
ihn als europäisch und kapitalismuskritisch, zeigte ihn – ganz anders als
jetzt – in hellen, cleanen Räumen.
Dank Friedrichs erhaltener Briefe, in denen er die Restauration der
Monarchie nach den napoleonischen Kriegen als „feudale Knechtschaft“
anmahnt, ließ sich der Künstler auch im Sinne der DDR-Kulturpolitik wenden.
Es gab 1974 ebenfalls in Dresden eine große Ausstellung. Nach Hamburg kamen
in jenem Jahr 220.000 Besucher:innen, nach Dresden 250.000 – beides echte
Blockbuster-Schauen.
## Naturmaler seiner Zeit
Die Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle nimmt ihn nicht mehr derart
politisch in Dienst. Hier wird er als ein Naturmaler seiner Zeit
ausgeleuchtet. Der Großteil seines erhaltenen Werks ist in der Kunsthalle
mit rund 60 Gemälden und 100 Zeichnungen versammelt. Darunter Ikonen wie
der „Wanderer über dem Nebelmeer“ von 1817 oder die dramatisch sich
aufbäumenden Eisschollen von „Das Eismeer“, entstanden um 1824.
Es lässt sich nun nachvollziehen, wie sich der junge Caspar David
Friedrich, eines von zehn Kindern eines Talgseifenziehers aus Greifswald,
auf seinen Zeichnungen die eigensinnigen Formen seiner Umwelt, die
Gesteine, Wurzeln, Baumstümpfe präzise aneignete. Seine Panoramen
skizzieren die Borstigkeit nördlicher Landschaften, schon leise lässt sich
darauf die Bedrohung einer frühen Industrialisierung ablesen.
Und immer ist auch eine fromme Demut zu erkennen: In einer Felsenstudie von
1799 legen sich dann die Umrisse eines Christenkreuzes in die Schlucht.
Grob wirken im Vergleich seine Zeichnungen von Menschen. Wie es sein
berühmter „Wanderer“ dann prominent vorführt, konzentrierte sich Friedrich
später lieber auf die Rückenfigur, die heute Anlass für so viele Deutungen
gibt.
## Düstere Tiefen eines Tannenwalds
In dieser Ausstellung kann man Caspar David Friedrich ein wenig auf die
Schliche kommen, wie er seine Gemälde zu solch suggestiven Naturszenen
zusammenmontierte. Naturalistisch legte er etwa 1813 gekrümmte Baumstümpfe
und knorrige Äste in den Vordergrund seines „Chasseur im Walde“, um die
kleine Rückenfigur des einsamen Soldaten dann in die düsteren Tiefen eines
Tannenwalds schreiten zu lassen. Die Konturen der alten Fichten in Braun-
und Grüntönen verschwimmen darauf derart flirrend, als wäre der Künstler
mit der Brush-Funktion eines digitalen Bildbearbeitungsprogramms
darübergefahren.
Mit diesem Kunstgriff, Konkretes und Entrücktes malerisch
zusammenzubringen, hat er schließlich geheimnisvolle Landschaften
geschaffen, die bis heute – ja, man kann sagen: weltweit – im
Bildgedächtnis bewahrt sind.
Man sieht sie in [2][Walt Disneys] „Bambi“, wie Florian Illies in seinem
aktuellen Friedrich-Buch beobachtet, man sieht sie in [3][Murnaus
„Nosferatu“], und sie ziehen sich weit bis in die heutige bildende Kunst,
wenn etwa Kehinde Wiley auf seinen Malereien mit den Sehgewohnheiten bricht
und Schwarze Personen vor Friedrich’sche Kreidefelsen setzt. Wiley und
andere zeitgenössische Künstler sind auch in der Hamburger Ausstellung zu
sehen.
Man kann dieser großen Schau den Versuch ablesen, Caspar David Friedrich zu
säkularisieren. Doch seine Bilder sind von christlicher Frömmigkeit kaum zu
trennen. Die ungreifbaren Weiten seiner Wolkenhimmel, die dunklen Tiefen
der Wälder und Abgründe, vor die er seine Figuren und Ruinen stellt, haben
auch etwas Gottgegebenes. Friedrichs Klosterruinen, Grabmäler und
Kreuzdarstellungen stammen aus der Zeit der Restauration.
Das subjektive Glaubensbekenntnis, das in seinen Bildern steckt, es ließ
sich damals auch als politischer Widerstand gegen die Monarchie lesen. Doch
schauen wir uns Friedrichs Bilder heute an. Sie dürfen einem, ob ihrer
melancholischen Frömmigkeit, etwas unbehaglich sein.
16 Dec 2023
## LINKS
[1] /Hamburgs-Kunsthalle-feiert-das-Jahr-1923/!5940742
[2] /100-Jahre-Disney/!5965273
[3] /Ausstellungen-zu-Filmklassiker-Nosferatu/!5900806
## AUTOREN
Sophie Jung
## TAGS
Malerei
Ausstellung
Romantik
Geburtstag
Jubiläum
Kunsthalle Hamburg
wochentaz
Malerei
Ökologie
Theater
Kunst
Kunsthalle Hamburg
Kunst
Kunst
## ARTIKEL ZUM THEMA
Caspar David Friedrich als Student: Spurensuche in Kopenhagen
Caspar David Friedrich ist 2024 in aller Munde. Von seiner Studentenzeit in
Kopenhagen ist allerdings wenig bekannt. Was ist das Dänische an ihm?
Geburtstag von Caspar David Friedrich: Als wäre die Zeit angehalten
Am 5. September vor 250 Jahren wurde Caspar David Friedrich geboren. Warum
erfasst gerade dieser Maler die Betrachtenden bis heute so?
Kunst und Kulturgeschichte des Waldes: Lernen, wie ein Baum zu denken
Die Trennung von Natur und Kultur wollte schon die Romantik überwinden.
Daran knüpfen drei Ausstellungen über den Wald im Raum Frankfurt an.
Jelinek in den Kammerspielen München: Die Reichen baden, der Planet ächzt
Elfriede Jelineks neues Stück „Asche“, inszeniert von Falk Richter, stimmt
zur Totenmesse für die Menschheit und einen persönlichen Gefährten an.
Philip Guston in London: Wie viel Eigenes im Anderen steckt
Die Tate Modern zeigt den satirischen Maler Philip Guston. Der Künstler
fragte das gesellschaftliche Gewissen ab und polarisiert damit bis heute.
Hamburgs Kunsthalle feiert das Jahr 1923: Chaotische Tage
Das Jahr 1923 war auch für heutige Verhältnisse ein wildes Jahr. Wie sich
das in der Kunst spiegelt, ist in der Hamburger Kunsthalle zu sehen.
Ausstellung „Femme Fatale“ in Hamburg: Männer in Angst
Eine Ausstellung zu problematischen Frauenbildern? „Femme Fatale“ in der
Hamburger Kunsthalle ist nicht perfekt, macht aber manches richtig.
Kunst und Landschaft: Die blaue Avantgarde
Vielfältige Perspektiven auf den Expressionismus: Ein Streifzug durch die
„MuSeenlandschaft“ zwischen München und Murnau.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.