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# taz.de -- Caspar David Friedrich als Student: Spurensuche in Kopenhagen
> Caspar David Friedrich ist 2024 in aller Munde. Von seiner Studentenzeit
> in Kopenhagen ist allerdings wenig bekannt. Was ist das Dänische an ihm?
Bild: Die Königliche Kunstakademie im Schloss Charlottenborg in Kopenhagen
Betrachtet man ein Gemälde von Caspar David Friedrich, ist da mehr als das,
was man auf den ersten Blick erkennt. Wie bei „Der Mönch am Meer“. 2015
wurden mittels Infrarotreflektografie unter der Farbschicht drei Schiffe
sichtbar, Fischer, Fischernetze. Mit dem Wissen um das Verborgene blickt
man jedoch auf eine andere Art und Weise auf das Bild: Ist da nicht doch
noch etwas?
So ähnlich fühlt es sich an, wenn man sich nach Kopenhagen begibt, um auf
den Spuren von Caspar David Friedrich zu wandeln. Der Maler war hier, das
weiß man. An der Kunstakademie hat er zwischen 1794 und 1798 studiert,
bevor er zurück nach Greifswald ging und von da aus nach Dresden. Aber was
genau er dort erlebte, wie er lebte, wo er wohnte, was er mitnahm – darüber
weiß man fast nichts. Unweigerlich befragt man alles, was man sieht: Gibt
es dazu Bezugspunkte in seinen Gemälden? Was ist das Dänische, das
Kopenhagensche an CDF?
Fünf Deutsche in Kopenhagen, eingeladen von der Dänischen Botschaft in
Berlin. Frühsommerliche Tage, die Stadt ist heiter, Menschen fahren Rad,
Menschen springen ins Hafenbecken, Menschen leben diese Stadt. Das Licht
nie grell, immer sanft, bis abends leuchtend und klar. Dieses Licht könnte
Friedrich von hier mitgenommen haben. Seine Gemälde speichern die
Himmelsspektren, die er während seiner Zeit in Kopenhagen gesehen hat;
abends etwa, wenn über dem Hafen die Sonne untergeht, es aber noch lange
zarthell bleibt.
Am [1][5. September war der 250. Geburtstag] von Caspar David Friedrich,
anlässlich dessen rollt in diesem Jahr eine CDF-Welle durch Deutschland,
eine Ausstellung nach der anderen, erst „Kunst für eine neue Zeit“ in der
[2][Hamburger Kunsthalle], anschließend „Unendliche Landschaften“ in der
Alten Nationalgalerie Berlin und seit wenigen Wochen und noch bis Anfang
2025 „Wo alles begann“ im Albertinum Dresden.
Wo alles begann. Dabei begann ja hier in Kopenhagen alles. Hier lernte
Friedrich Zeichnen – nicht Malen, weil das gar nicht auf dem Lehrplan stand
–, also mindestens die Grundlagen für sein weiteres Schaffen. Die
Kopenhagener Akademie galt damals als die fortschrittlichste der Welt, was
einhergeht mit dem Ruf, die Professoren hätten sich nicht sonderlich um
ihre Schüler gekümmert.
In Kopenhagen hätten sie locker mehr aus ihrer CDF-Vergangenheit machen und
vom Jubliäumsrausch profitieren können. Den – vor allem – deutschen Fans
kann man in diesen Zeiten alles unterjubeln, in Museumsshops kaufen sie
sogar Socken mit dem Wanderer über dem Nebelmeer drauf. Aber in Kopenhagen
tragen sie nie dick auf, wenn es um die Bedeutung ihrer Stadt geht. Die,
die das herumposaunen, sind die Besucher, die zu Hause ungläubig davon
erzählen: Die Radwege! Die Badestellen am Hafenbecken! Die selbstfahrende
U-Bahn, die pünktlich kommt!
Von Caspar David Friedrich sieht man hingegen wenig, man hört höchstens
hier und da ein Wispern, ein Könntesein, ein Vielleicht. Der Versuch, ihn
aufzuspüren, lohnt sich dennoch. Man lernt Zeitgenossen Friedrichs kennen,
die jene Jahre prägten, die Goldenes Zeitalter genannt werden. Ab 1800
etwa, als Dänemark wegen des Verlusts seiner Gebiete im heutigen
Schleswig-Holstein und Norwegens einen heftigen Machtverlust erlitt, in
dessen Schatten aber Kunst und Kunstartiges blühte. Nur etwas zugespitzt
gesagt: Alles, was uns heute in Dänemark so schön und vorbildlich vorkommt,
Design, Architektur, Interieur, wurde in dieser Zeit angelegt.
Zu Beginn unserer Suche treffen wir Lilian Munk Rösing, die – ohne je an
das CDF-Jahr gedacht zu haben – ein Buch namens „Friedrichs Farver“
schrieb, Friedrichs Farben. Eines der wenigen dänischen Bücher über den
Maler.
Munk Rösing betrachtet sein Werk phänomenologisch und bricht mit
Sehgewohnheiten. Etwa die „Frau am Fenster“: die traditionelle Lesart
beschreibt das Gemälde als Allegorie auf die Sehnsucht nach dem befreienden
Naturraum einer Eingesperrten am Fenster. Munk Rösing sieht eine Frau, die
sich wohlfühlt; Schönheit, erzeugt durch tiefe Farben. Was Friedrichs
Mitbringsel aus seiner Kopenhagener Zeit angeht, verweist sie auf Jens Juel
als Vorbild, einen von Friedrichs dänischen Lehrern an der Kunstakademie,
bekannt für horizontal komponierte Landschaften und sehr viel Himmel.
Im Statens Museum for Kunst, der dänischen Nationalgalerie, erleben wir
einen echten Caspar David Friedrich, der kam aber erst 2016 dorthin,
angekauft aus München, ein lang gehegter Wunsch des Museums: „Nach dem
Sturm“, ein zerborstenes Schiff in stürmischer See. „Wir wollten unbedingt
einen eigenen Friedrich haben“, sagt Peter Nørgaard Larsen, der
Chefkurator, der, wie alle Wichtigen, die wir treffen, so
dänisch-understatementmäßig aussieht, dass er – äh – auch der Hausmeist…
des Museums sein könnte. Neben dem CDF-Wrack hängt ein ähnliches Motiv von
Johan Christian Clausen Dahl, dem norwegischen Maler, der in Dresden lebte,
der jüngere Freund Friedrichs, von ihm beeinflusst.
Kurzer Abstecher in die Ny Carlsberg Glyptotek. Eigentlich ein Haus der
Skulpturen, Gemälde gibt es auch: In einem lachsfarbenen Raum im
Obergeschoss zeigt uns die Direktorin des Hauses Studien eines weiblichen
Aktes aus der Kunstakademieklasse von Christoffer Wilhelm Eckersberg. Auch
er ein Friedrich-Freund, auch er geprägt von ihm, den er in Dresden
besuchte.
Caspar David Friedrich in Kopenhagen? Man weiß so wenig. Aber man sieht
erstaunliche Kulturimporte von hier nach dort und zurück. Der in Dänemark
ausgebildete CDF, der in Dresden wirkte, seinerseits aber dänische und
norwegische Romantiker prägte, so dass man mitunter vor Bildern steht und
denkt, das muss ein Friedrich sein, und dann ist es ein Dahl, ein Rørbye,
ein Eckersberg.
Um die Welt der dänischen Romantik noch besser kennenzulernen, lohnt der
Besuch im Bakkehus im Stadtteil Frederiksberg, ein Landhaus unter einer
kleinen, stattlichen Kastanie, vielleicht der wichtigste Ort des Goldenen
Zeitalters. Das Schriftstellerpaar Knud und Kamma Lyne Rahbek bat hier zu
Salons, es kamen Literaten, Denker, Intellektuelle.
## Einer, der lernen will
War CDF auch mal da? Birgitte Vase Agersnap, Kuratorin am Bakkehus, schenkt
kühlen Riesling nach und verneint. „Ziemlich sicher nicht.“ Enttäuschung
macht sich breit in unserer Gruppe, hier war er also auch nicht. Aber
vielleicht betrachten wir Friedrich zu sehr von heute aus, den – unseren –
wichtigsten Maler der Romantik. Damals war er ein kleiner Kunststudent, der
selbst lernen wollte und dessen Weg erst begann.
Am dritten Tag besuchen wir endlich den Ort, an dem wir uns zum ersten Mal
sicher sein können: Hier war er. Hier hat er nämlich studiert. An der
Königlich Dänischen Kunstakademie, zu Caspar David Friedrichs Zeiten
Maler-, Billedhugger- og Bygnings-Academiet, seit ihrer Gründung 1754 im
Schloss Charlottenborg am Kongens Nytorv 1, also mittendrin in Kopenhagen.
Allerdings sagen sie dort nicht Hier! War! Er! mit einem Gesicht, nach dem
das Verkündet-eine-Sensation-Emoji entwickelt wurde, sondern sie sagen es
so nonchalant lässig, wie es nur Dänen können: Ja, hier war er, möchte noch
jemand eine Zimtschnecke?
Wir haben uns im Zimmer von Lars Bent Petersen versammelt; ein heller,
freundlicher Raum mit einer typisch dänischen Poul-Henningsen-Lampe an der
Decke, die leuchtet, aber nie blendet. Petersen ist Rektor an der
Kunstakademie, Bildhauer, früher hat er hier selbst studiert. Noch viel
früher war sein Büro das Wohnzimmer von Christoffer Wilhelm Eckersberg, dem
schon erwähnten Friedrich-Freund. Die Professoren wohnten in der Akademie,
Petersen zeigt zum nächsten Raum, da schlief Eckersberg. Wo Friedrich
wohnte, weiß man nicht, „wahrscheinlich in der Nähe“, sagt Petersen, wobei
damals alles in der Nähe war, denn Kopenhagen war noch längst keine
Großstadt.
Philipp Otto Runge, Malerkollege Friedrichs und im Jahr nach dessen
Abschied aus Kopenhagen Student an der dortigen Kunstakademie, beklagte
sich über miese Bedingungen: Bilder sollten kopiert werden, die hinter Glas
und wegen der Lichtreflexe schlecht zu erkennen waren, es gab nicht
höhenverstellbare starre Zeichentische und Professoren, die sich kaum für
die Studenten interessierten, meist abwesend waren und kaum redeten, wenn
sie überhaupt zur monatlichen Sprechstunde erschienen.
Hat Caspar David Friedrich es ähnlich erlebt? Man weiß es nicht. Am Ende
bleibt wohl das Licht in seinen Bildern, das er hier in Kopenhagen sah, es
mitnahm und bewahrte.
18 Sep 2024
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## AUTOREN
Felix Zimmermann
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