| # taz.de -- 250 Jahre Caspar David Friedrich: Die Welt mit Friedrich sehen | |
| > Das Jahr von Caspar David Friedrich neigt sich dem Ende zu. Die | |
| > Ausstellungen zu seinem 250. lockten auf eine Deutschlandreise mit dem | |
| > Maler der Romantik. | |
| Bild: Friedrichs Kunst animiert dazu, sich auf Reisen selbst ein Bild zu machen… | |
| Der Mann war ein geübter Wanderer, aber seinen Bewunderern mutet er keine | |
| langen Wege zu. Genauer genommen ist es natürlich nicht Caspar David | |
| Friedrich, der einen da auf kurzem Fußweg vom Hamburger Hauptbahnhof in die | |
| kaum 5 Minuten entfernte Kunsthalle geführt hat, aber nett ist es allemal. | |
| Wir sind auf Deutschlandreise durch ein Jahr voller Ausstellungen, die an | |
| [1][die Geburt von Deutschlands romantischstem Maler] vor 250 Jahren | |
| erinnern. Eine Reise, die mit den weiteren Stationen Berlin und Greifswald | |
| zuletzt nach Dresden führt. Den Auftakt aber macht eben Hamburg mit der | |
| Jubiläumsausstellung „Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit“. | |
| Frisch bläst der Wind über die nahe Alster. Mehr als 100 Meter vor dem | |
| Eingang schon flankieren Gitter und orangerote Banner den Weg, auf dem sich | |
| an den Wochenenden offenbar die Besucher drängeln. [2][335.000 Besucher] | |
| werden die Ausstellung schließlich gesehen haben – so viele wie nie zuvor | |
| in der Kunsthalle. Drinnen herrscht andächtige Stille bei gedimmtem Licht, | |
| und es staut sich nur vor dem Hamburger Highlight, dem „Wanderer über dem | |
| Nebelmeer“. | |
| Der „Wanderer“ ist in der Kunsthalle zu Hause, er war nicht eigens von | |
| anderswo auszuleihen. Anders als andere Großwerke Friedrichs wie etwa der | |
| „Watzmann“, sein Bild von Deutschlands zweithöchstem Berg, aus der Alten | |
| Nationalgalerie in Berlin oder „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ aus | |
| Dresden. Überhaupt ist es so, dass es die Museen mit reichlich | |
| Friedrich-Bestand sind, die die großen Sonderausstellungen in dem | |
| Friedrich-Jahr anbieten – und nicht etwa die Pinakothek in München [3][mit | |
| ihren nur sechs eigenen Bildern] aus zweiter Reihe. | |
| ## Zusammenpuzzeln und verpflanzen | |
| Ergänzt wird die Hamburger Ausstellung mit Annäherungen heutiger Künstler | |
| an Bilder Friedrichs, etwa Fotos von Menschen in ähnlicher Kleidung und | |
| Pose vor demselben Hintergrund wie auf den Ölgemälden. | |
| Wobei das mit „demselben Hintergrund“ so eine Sache ist. Wer Friedrichs | |
| Eigenheiten nämlich nicht schon kennt, den kann die Untertitelung „Ruine | |
| Eldena im Riesengebirge“ durchaus durcheinander und fast dazu bringen, die | |
| Aufsicht auf einen doch offensichtlichen Fehler hinzuweisen. Denn diese | |
| Ruine, das müsste man jetzt eigentlich sagen, die stehe nicht im | |
| Riesengebirge, sondern auch heute noch bei Greifswald, wo der Maler 1774 | |
| geboren wurde. | |
| So ein Hinweis wäre ein peinlicher Moment geworden. Denn wie auf einer der | |
| vielen Infotafeln zu lesen ist, hat Friedrich oft Dinge zusammengepuzzelt | |
| und hier eben die Ruine vom Meer ins Gebirge verpflanzt oder vor die | |
| ansonsten realitätsnahe Abbildung des Watzmanns – Friedrich war gar nicht | |
| am Berg bei Berchtesgaden und malte ihn nach Vorlagen – noch eine kleine | |
| Extrakuppe gesetzt. | |
| ## „Unendliche Landschaften“ in Berlin | |
| Drei Monate später und rund 250 Kilometer südöstlich. Es ist Frühling | |
| geworden, die Hamburger Ausstellung ist seit Anfang April geschlossen, nun | |
| ist die Alte Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel das Ziel von | |
| Friedrich-Fans mit der „Unendliche Landschaften“-Schau. Dort hängen die | |
| Werke ganz anders als in Hamburg, im großen Saal, bei voller Beleuchtung, | |
| nicht wie in Hamburg, wo einen das gedimmte Licht fast im Bild versinken | |
| lassen konnte. Im Fokus steht „Der Mönch am Meer“, wie der „Watzmann“ … | |
| 1,70 auf 1,10 Metern ein großformatiges Bild, auf dem eine schier winzige | |
| Mönchsgestalt an leerem Strand vor dunklem Meer samt leerem Horizont zu | |
| sehen ist. | |
| Dass das mit dem leeren Hintergrund erst gar nicht so gedacht war, zeigt | |
| eine kleine Extraschau im Nebenraum. Mit Röntgen- und anderer Untersuchung | |
| hat sich nämlich gezeigt, dass Friedrich in die Wellen voll getakelte und | |
| bis ins Kleinste ausgearbeitete Schiffe gemalt hatte – bloß um sie später | |
| wieder zu übermalen. | |
| Knapp drei Stunden im Regionalexpress und etwa 175 Kilometer weiter | |
| nördlich geht die Reise nach Greifswald ins Vorpommersche Landesmuseum. | |
| Klein, aber äußerst fein zeichnet eine Ausstellung hier seinen Werdegang | |
| nach. Und führt dabei mit vielen Skizzen und Pinselzeichnungen klar vor | |
| Augen, dass Friedrich schon 33 Jahre war und damit sein Leben bereits halb | |
| gelebt hatte, bevor er anfing, in Öl zu malen und seine bekannten Bilder zu | |
| schaffen. | |
| Die Erinnerung an Friedrichs Geburt vor 250 Jahren beschränkt sich in | |
| Greifswald aber durchaus nicht auf das Museum. In der ganzen Stadt finden | |
| sich immer wieder gelbe Hinweisschilder auf sein Treiben in seinem | |
| Geburtsort, den er mit 20 zum Studium in Kopenhagen verließ, um vier Jahre | |
| später nach Dresden umzuziehen, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. | |
| Nicht ohne Stolz ist auf einem Banner über dem örtlichen Fluss Ryck zu | |
| lesen, nur in der Landschaft Greifswalds habe Friedrich zu so einem tollen | |
| Maler werden können. Und manche seiner Motive lassen sich hier weiter | |
| begucken: fünf Extrakilometer am Fluss entlang etwa führen zur bereits | |
| erwähnten Klosterruine im Vorort Eldena. | |
| ## Zum Schluss nach Dresden, wo alles begann | |
| Es ist Herbst geworden, als unsere Deutschlandreise 340 Kilometer südlich | |
| von Greifswald in Dresden ankommt, wo Friedrich ab 1798 den Großteil seines | |
| Lebens verbrachte. Noch bis zum 5. Januar kann man hier einen Eindruck | |
| davon bekommen, welche Künstler ihn angeregt haben dürften. Denn im | |
| Albertinum haben die Ausstellungsmacher für die Schau „Wo alles begann“ | |
| seine Werke mit den wichtigsten Landschaftsbildern aus der Gemäldegalerie | |
| ergänzt, die auch Friedrich selbst bei seinen Museumsbesuchen dort gesehen | |
| hat. | |
| Auch sein „Hünengrab im Schnee“ hängt dort. Laut Infotafel ließ sich | |
| Friedrich dabei von einem Hünengrab bei Gützkow inspirieren. Gützkow? Zu | |
| dumm: Das ist bei Greifswald, da hätte man ja auf dem Weg nach Dresden | |
| einen Abstecher, um das mal in echt … Doch da wäre nichts zu sehen gewesen: | |
| „…wurde 1819 zur Steingewinnung gesprengt“, heißt es in der Bild-Info | |
| weiter. | |
| Hamburg, Berlin, Greifswald, Dresden. Das sollte es eigentlich gewesen sein | |
| mit der von Friedrich angeleiteten Deutschlandreise. | |
| ## Der Kreis zurück zum Start | |
| Aber wenn schon in Dresden, warum dann nicht noch einen Abstecher dorthin | |
| machen, wo auch der Maler wanderte und skizzierte, in die Sächsische | |
| Schweiz? Mit S-Bahn und Bus ist es über Pirna kaum eine Stunde bis zum | |
| Beginn des Malerwegs, einer in den vergangenen Jahren auch international | |
| bekannt gewordenen Wanderroute. Von dort geht es bald in den Uttewalder | |
| Grund, einen tiefen Einschnitt zwischen Felswänden, der mit seinen moosigen | |
| Steinblöcken auch die Kulisse für so manchen Märchenfilm abgeben könnte. | |
| Enger und enger wird der Weg, bis er durch einen Spalt führt, über dem sich | |
| ein irgendwann mal abgestürzter Brocken verklemmt hat. Urzeitlich wirkt | |
| das, Dresden und Albertinum und sämtliche Museen scheinen hier draußen | |
| Lichtjahre entfernt. | |
| Doch was steht ein paar 100 Meter weiter am Wegesrand? Eine kleine Tafel, | |
| die [4][eine Pinselzeichnung dieses Felsentors] zeigt – samt der Info, | |
| Friedrich habe hier „einst mehrere Tage lang einsam in dem wilden Felsental | |
| verbracht, um dessen düster-romantische Stimmung aufzunehmen“. | |
| Und als ob sich der Kreis zurück zum Start der Friedrich-Deutschlandreise | |
| wieder schließen will: Ein paar Kilometer weiter elbaufwärts wird die | |
| Kaiserkrone sichtbar. Es ist einer der für diese Gegend so typischen | |
| Tafelberge und ein Caspar-David-Friedrich-Motiv – und eben auch der Felsen, | |
| auf dem in Hamburg der „Wanderer über dem Nebelmeer“ steht. | |
| 21 Dec 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Geburtstag-von-Caspar-David-Friedrich/!6030808 | |
| [2] https://www.hamburger-kunsthalle.de/de/rekordergebnis | |
| [3] https://www.br.de/nachrichten/kultur/250-jahre-caspar-david-friedrich-der-r… | |
| [4] https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Caspar_David_Friedrich_-_Felsentor_im… | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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