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# taz.de -- Streit um Verfassungsgerichtsbesetzung: Rechtsaußen nehmen Ann-Kat…
> Nun beginnt auch gegen die zweite SPD-Kandidatin fürs
> Bundesverfassungsgericht eine Kampagne. Die Vorwürfe gegen Kaufhold sind
> ebenfalls hanebüchen.
Bild: Gerät nun ebenfalls ins Visier rechter Hetze: die Münchner Rechtsprofes…
Freiburg taz | Wird Rechtsprofessorin Ann-Katrin Kaufhold das nächste
Kampagnen-Opfer von Rechts-außen-Meinungsmachern? Kaufhold wurde wie ihre
Kollegin Frauke Brosius-Gersdorf von der SPD für die Wahl als
Verfassungsrichterin nominiert. Bisher stand aber vor allem
[1][Brosius-Gersdorf im Feuer], da Teile der CDU und der CSU sie wegen
ihrer Positionen zum Schwangerschaftsabbruch nicht mitwählen wollten. Gegen
Kaufhold ist aus der Union noch kaum etwas zu hören. Doch das könnte sich
bald ändern.
Die Kampagne gegen sie läuft bereits: Ann-Katrin Kaufhold sei „ebenso wenig
wählbar wie Frauke Brosius-Gersdorf“, schreibt Ulrich Vosgerau
(CDU-Mitglied und häufiger Rechtsvertreter der AfD) auf der Plattform X.
„Es gäbe für die Union gute Gründe, Kaufhold ebenso entschieden abzulehnen
wie Brosius-Gersdorf“, befindet auch der frühere Focus- und
Cicero-Redakteur Alexander Kissler auf dem rechtspopulistischen Portal
Nius. Denn angeblich beabsichtige Kaufhold „einen Komplettumbau der
Gesellschaft“. Autor Josef Kraus, der frühere Präsident des Deutschen
Lehrerverbandes, sieht bei Tychis Einblick in Kaufhold „wohl die noch
größere Gefahr für die Demokratie“.
Wer also ist Ann-Katrin Kaufhold? Die 49-Jährige ist Rechtsprofessorin in
München. Sie promovierte und habilitierte in Freiburg bei Andreas Voßkuhle,
der von 2010 bis 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichts war. Fachlich
bekannt wurde sie mit ihrer Arbeit „Systemaufsicht“, in der sie nach der
Lehmann-Finanzkrise komplexe Modelle für eine effiziente
Finanzmarktaufsicht entwickelte.
Vorgeworfen wird Kaufhold zunächst, dass sie sich auch mit Klimaschutzrecht
beschäftigt und dabei Gerichten eine wichtige Rolle zubilligt. In einem
analytischen [2][Interview stellte sie 2023 fest], dass Parlamente dazu
tendieren, „unpopuläre Maßnahmen nicht zu unterstützen“, während Gerich…
(und Zentralbanken) unabhängig seien und sich deshalb besser eignen,
„unpopuläre Maßnahmen anzuordnen“. Obwohl Kaufhold zugleich feststellte,
dass die politische Legitimation von Parlamenten deutlich höher ist als die
von Gerichten, werfen ihr Kritiker:innen nun vor, sie wolle
„Klimapolitik ohne Parlament“ machen und sei eine „Klimaaktivistin“.
## Plumpe rechte Propaganda
Wer sich näher mit ihr beschäftigt, weiß allerdings, dass die Professorin
im großen Klimaverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht auf Seiten
der klagenden Umweltverbände stand, sondern Bundestag und Bundesregierung
vertrat. Zwar hält Kaufhold Klimaschutz für eine wichtige gesellschaftliche
Aufgabe, aber da ist sie ganz auf einer Linie mit dem
Bundesverfassungsgericht, [3][das 2021 den Klimaschutz zum Staatsziel
erklärte].
Dieser Klimabeschluss erging in Karlsruhe einstimmig, also auch mit den
Stimmen der von Union und FDP nominierten Richter:innen. Was die
Kritiker:innen auch übersehen: Ann-Katrin Kaufhold soll an den Zweiten
Senat des Bundesverfassungsgerichts berufen werden. Für Klimapolitik ist
aber der Erste Senat zuständig.
Zweitens wird Kaufhold vorgeworfen, sie sei eine
„Enteignungsbefürworterin“, weil sie Mitglied einer Berliner Kommission
war, [4][die sich mit der „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“
beschäftigte]. Allerdings ging es in dieser Kommission nicht um das Für und
Wider von Sozialisierungen. Für Vergesellschaftungen hatte sich die
Berliner Bevölkerung bereits [5][2021 bei einem Volksentscheid] mit einer
Mehrheit von 57,6 Prozent der Abstimmenden ausgesprochen. Die daraufhin vom
Berliner Senat eingesetzte Kommission sollte vielmehr Wege zu einer
rechtssicheren Umsetzung des Volksentscheids erarbeiten.
Sozialisierungen sind in Artikel 15 des Grundgesetzes als Möglichkeit
ausdrücklich vorgesehen. In Berlin soll davon nun erstmals Gebrauch gemacht
werden – [6][zumindest theoretisch]. Es wird zwar damit gerechnet, dass das
Sozialisierungsgesetz vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden muss,
weil die Wohnungskonzerne klagen. Allerdings ist auch hier der Erste Senat
zuständig und nicht der Zweite Senat, in den Kaufhold gewählt werden soll.
## Aberwitzige Verschwörungstheorie
Schließlich wird Kaufhold als Teil eines „Staatsstreich“-Projekts der SPD
gesehen, wie es etwa Vosgerau oder auch der Augsburger Rechtsprofessor
Josef Franz Lindner an die Wand malen: Die SPD schlage als
Verfassungsrichterinnen gezielt Personen vor, die ein AfD-Verbot
befürworten – und wenn die AfD dann verboten ist, fielen alle AfD-Sitze im
Bundestag weg und die SPD könne eine rot-rot-grüne Koalition bilden, mit
Lars Klingbeil als Kanzler.
An dieser aberwitzigen Verschwörungstheorie ist aber schon die Vorannahme
falsch: Das Bundesverfassungsgericht kann auf absehbare Zeit gar kein
[7][AfD-Verbot] beschließen, weil es schon keinen Verbotsantrag geben wird,
solange die Union ein Verbot der größten Oppositionspartei ablehnt.
Für Parteiverbote wäre zwar tatsächlich der Zweite Senat zuständig. Doch
die von den Kritiker:innen zitierte Aussage Kaufholds ist nicht so
eindeutig, wie sie behaupten. Tatsächlich hatte sich Kaufhold in einer
Talkshow nur über die „Ängstlichkeit“ mancher
Verbotsbefürworter:innen mokiert, die aus Angst vor dem Scheitern
erst gar keinen Antrag stellen wollen. Das fände sie „nicht überzeugend“,
sagte Kaufhold, denn der politische Prozess könne ein Scheitern in
Karlsruhe durchaus aushalten. Mit so einer vagen Aussage wäre Kaufhold im
Verfahren wohl nicht einmal befangen.
Mal sehen, ob es den Rechts-außen-Meinungsmachern auch bei Kaufhold
gelingt, so viele CDU/CSU-Abgeordnete zu agitieren, dass im Bundestag keine
Wahl mit Zweidrittelmehrheit möglich ist. Am 11. Juli war die Abstimmung
über Frauke Brosius-Gersdorf, Ann-Katrin Kaufhold und den CDU-Kandidaten
Günter Spinner, einen Bundesarbeitsrichter, ausgesetzt worden. Nach der
Sommerpause soll erneut gewählt werden. Ob dieselben Kandidat:innen
dann zur Wahl stehen werden, gilt mittlerweile als offen.
20 Jul 2025
## LINKS
[1] /Wahl-zur-Verfassungsrichterin/!6099841
[2] https://www.lmu.de/de/newsroom/newsuebersicht/news/klima-wer-kann-es-soll-e…
[3] /Entscheidung-zum-Klimaschutzgesetz/!5763553
[4] /Gutachten-zu-Enteignungen-in-Berlin/!5932840
[5] /Enteignungsvolksentscheid-in-Berlin/!5803784
[6] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!6092920
[7] /!vn6088915/
## AUTOREN
Christian Rath
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