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# taz.de -- Streit um Oben-Ohne-Baden in Berlin: Gleiches Recht für alle Brüs…
> Der Bezirk Treptow-Köpenick erlaubt auf seinem Wasserspielplatz künftig
> nackte Frauenbrüste. Gut so: Regeln sind dafür da, dass man sie
> hinterfragt.
Bild: Teilnehmer*innen einer Fahrraddemo in Reaktion auf den Polizeieinsatz an …
Bei manchen Debatten weiß man ja gar nicht, wie dringend man sie führen
muss, bis sie tatsächlich jemand ernsthaft anstößt. Zum Beispiel die Frage,
wo frau ihre Brüste in der Öffentlichkeit entblößen darf.
Der Bezirk Treptow-Köpenick hat das jetzt offiziell auf dem
[1][bezirkseigenen Wasserspielplatz „Plansche“ im Plänterwald erlaubt] –
beziehungsweise die Bekleidungsordnung entsprechend geändert. „Die
Badebekleidung muss die primären Geschlechtsorgane vollständig bedecken.
Dies gilt für alle Geschlechter“, heißt es jetzt auf der Website des
Bezirksamts.
Es reicht also künftig, wenn man sich in Badehose auf die Wiese legt: Die
Brust darf raus, egal ob man eine Frau ist oder ein Mann oder sich keinem
der beiden Geschlechter zuordnet. Erkämpft hat diesen Passus in der
Kleiderordnung eine Berlinerin, die sich im vergangenen Jahr „oben ohne“
auf der Liegewiese der „Plansche“ gesonnt hatte, während ihr Sohn dort
spielte.
Der Aufforderung eines Security-Diensts, sich obenrum etwas anzuziehen,
widersetzte sich die Frau: Männer dürften schließlich auch ihr Shirt
ausziehen, sie werde also als Frau wegen ihres Geschlechts diskriminiert.
Die herbeigerufenen Polizist*innen erteilten ihr einen Platzverweis –
mit Verweis auf die nun mal herrschende Zucht und (Kleider-)Ordnung.
Die Frau reichte daraufhin Klage gegen den Bezirk nach dem Berliner
Landesantidiskriminierungsgesetz ein, das die Diskriminierung durch
Behörden verbietet. Das Verfahren läuft noch. Trotzdem reagiert der Bezirk
bereits.
Haben wir nicht wichtigere Kämpfe zu kämpfen, wenn es um Gleichberechtigung
geht?, kann man jetzt fragen. Ist es nicht viel entscheidender, dass Männer
endlich mehr Elternzeit nehmen oder selbstverständlich halbtags arbeiten,
damit die Frau den Vollzeitjob machen kann – wofür sich freilich auch erst
mal die berühmte „Lohnlücke“ zwischen Männern und Frauen ein Stückchen
schließen müsste.
Warum nervt die Frau uns also mit ihren Brüsten? Es gibt doch FKK-Bereiche,
soll sie doch da ihren BH ausziehen, warum denn ausgerechnet auf einem
Wasserspielplatz. Muss man denn ausgerechnet hier aus Prinzip das große
Fass Gleichberechtigung aufmachen?
## Potenziell anstößig
Ja, das muss man. Weil die Kleiderordnung, wie sie zuvor Bestand hatte –
die BH-Pflicht für die weibliche Brust – viel darüber aussagt, was wir
gesellschaftlich an welchen Orten als „akzeptiert“ betrachten, als
„angemessen“, und was nicht. Die Vorstellung, dass Frauen ihre Brüste in
der Öffentlichkeit bedecken müssen, sagt letztlich vor allem etwas darüber
aus, wie wir die weibliche Brust wahrnehmen: nämlich als potenziell
anstößig, die „öffentliche Ordnung“ gefährdend. Die Frauenbrust wird
sexualisiert, die Männerbrust nicht.
Was wiegt schwerer: Dass sich Menschen gestört fühlen könnten von nackten
weiblichen Brüsten oder aber der individuelle Anspruch auf
Gleichberechtigung der Geschlechter nach dem Antidiskriminierungsgesetz? Es
wird interessant sein, wie das Gericht über die Klage der Frau entscheidet.
Sollte die Frau die von ihr eingeklagte Entschädigung zugesprochen
bekommen, werden sicher einige fragen: Wo ist denn die Grenze, sollen
Frauen etwa auch oberkörperfrei zum einkaufen gehen dürfen? Mal abgesehen
davon, dass vermutlich gar nicht mal so viele dieses dringende Bedürfnis
verspüren dürften (bei den Männern hält sich das ja auch in Grenzen): Ja,
auch das wäre dann letztlich eine gesellschaftliche und vielleicht auch
juristische Aushandlungssache.
Das Moralempfinden, was Menschen in einer Gesellschaft als anstößig
empfinden, ändert sich. Und deshalb sind Regeln und Ordnungen, die aus
diesen Moralvorstellungen irgendwann mal erwachsen sind, nicht per se dafür
da, dass man sie befolgt – sondern von Zeit zu Zeit mal in Frage stellt.
Denn vielleicht muss sie ja ändern.
## In den meisten Schwimmbädern bleibt oben ohne verboten
Das Bezirksamt Treptow-Köpenick hat das, wenn auch mit etwas Verspätung, im
Fall der „Plansche“ erkannt. Vielleicht ja ein gutes Vorbild für andere
Orte in Berlin: Die Kleiderordnung der Berliner Bäderbetriebe erlaubt
Frauen das oberkörperfreie Schwimmen nicht. Noch nicht. Andere Städte, und
auch einzelne privat betriebene Strandbäder in Berlin, [2][sind da schon
weiter:] In Göttingen zum Beispiel ist das Schwimmen oben ohne auch für
Frauen seit kurzem erlaubt. Im Strandbad Jungfernheide bereits seit drei
Jahren ebenso. Die Zahl der Beschwerden seither, hatte der Pächter kürzlich
dem RBB erzählt: keine.
23 Jul 2022
## LINKS
[1] /Antidiskriminierung-in-Berlin/!5865642
[2] /Antrag-auf-Gleichbehandlung-in-Baedern/!5859455
## AUTOREN
Anna Klöpper
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Wochenkommentar
Gleichberechtigung
Brüste
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