| # taz.de -- Stadtforscher über Hamburger Hafen: „Nicht mehr das Tor zur Welt… | |
| > Die Bedeutung des Hafens wird in Hamburg überschätzt, meint Dieter | |
| > Läpple. Das Gelände sollte auch für eine Innovationsoffensive genutzt | |
| > werden. | |
| Bild: Kräne bauen Kräne: Der Hamburger Hafen in permanentem Wandel | |
| wochentaz: Herr Läpple, Sie sagen, Hamburg müsse seinen Hafen neu denken. | |
| Warum? | |
| Dieter Läpple: Der Hafen hat durch den Siegeszug des Containers weitgehend | |
| sein Wertschöpfungs- und Beschäftigungspotenzial verloren. Die Tendenz geht | |
| zur automatisierten Containerschleuse. Beim Umschlag wird immer mehr | |
| Arbeitskraft eingespart. Traditionelle Hafenfunktionen wie Lagerung und | |
| Verarbeitung von Waren verschwinden. Der Hafen wird zu einem reinen | |
| „Umschlaghafen“. | |
| Der Arbeitsplatzeffekt betrifft ja nicht nur das Hafengebiet oder Hamburg, | |
| sondern er macht sich bundesweit bemerkbar. Das kann man ja nicht | |
| vernachlässigen. | |
| Heute sind nicht mehr die Transportkosten, sondern vor allem Forschung und | |
| Entwicklung die entscheidenden Treiber ökonomischer Dynamik. Die Zentren | |
| der dynamischen Industrie haben ihren Standort im Süden Deutschlands. Die | |
| Export- und Importwirtschaft ist zwar immer noch „hafenbezogen“, aber nicht | |
| mehr abhängig vom Hamburger Hafen. Hamburg ist nicht mehr das privilegierte | |
| „Tor zur Welt“. Es gibt viele maritime Alternativen für die deutsche | |
| Wirtschaft. | |
| Diese Alternativen bestehen schon lange. | |
| Aber sie werden zunehmend effizienter. Die Handelsströme verlagern sich. So | |
| hat unter anderem der Mittelmeerraum stark an Bedeutung gewonnen. | |
| Deutschland braucht zwar ein leistungsfähiges Hafensystem und eine | |
| nationale maritime Souveränität, aber die kann Hamburg als Flusshafen mit | |
| seinen Tiefgangsbeschränkungen nicht sichern. Durch die Abhängigkeit vom | |
| Kreislaufbaggern wird nicht nur die Elbe zum toten Fluss, sondern Hamburg | |
| zu einem der unzuverlässigsten Häfen der Welt. Die Lösung liegt auf der | |
| Hand. Zusammenschluss der norddeutschen Häfen: Kooperation statt | |
| Konkurrenz, Bündelung der Ressourcen und gemeinsamer Ausbau eines | |
| verlässlichen Tiefwasserhafens. Hamburg wäre der Gewinner einer solchen | |
| Lösung. | |
| Noch klammert sich der Senat daran, dass [1][die jüngste Elbvertiefung erst | |
| noch voll umgesetzt werden müsse] und der Hafen dann wieder zuverlässig | |
| bedient werden könne. | |
| Da haben sich die Reeder bereits anders entschieden. Die beiden großen | |
| Reedereien Hapag-Lloyd und Mærsk haben angekündigt, dass sie mit ihren ganz | |
| großen Schiffen im Asien-Verkehr Hamburg gar nicht mehr anfahren werden, | |
| sondern nur noch große Zentralhäfen, wie Rotterdam und Tanger, von denen | |
| Verteilschiffe die Landung in die übrigen Häfen wie Hamburg transportieren. | |
| Hamburg würde damit zum Regionalhafen. | |
| Warum will sich dann die weltgrößte Reederei MSC in Hamburgs | |
| [2][wichtigsten Hafenbetrieb HHLA einkaufen]? | |
| Durch seine dominante Marktmacht schwimmt MSC im Geld. Diese Reederei kauft | |
| gegenwärtig weltweit Hafenanlagen und Hinterlandverkehrssysteme, um die | |
| Transportketten von den Fabriktoren bis zum Endkunden zu kontrollieren. Der | |
| HHLA-Deal ist für MSC ein „Schnäppchen“. Sie erwirbt damit die HHLA-Tocht… | |
| Metrans, ein hochmodernes, europaweit aktives Eisenbahn- und | |
| Logistikunternehmen. Vor allem in Südeuropa ist MSC bereits ein führender | |
| Gütertransport-Anbieter. Durch die zunehmende Kontrolle der | |
| Containerverkehre im europäischen Binnenland versucht MSC ihre Marktmacht | |
| weiter auszubauen. Metrans spielt dabei eine zentrale Rolle. | |
| Deckt sich das mit dem Interesse der Stadt? | |
| Der Deal mit MSC ist meines Erachtens eine irreparable Fehlentscheidung. | |
| Die Zukunft des Hamburger Hafens liegt in der Kooperation der norddeutschen | |
| Häfen. Doch durch den MSC-Deal wird das Tischtuch zwischen Hamburg und | |
| Bremen zerschnitten, weil dadurch Ladung und Arbeitsplätze von Bremenhaven | |
| abgezogen werden. Bei dem Deal gibt es zwei entscheidende Probleme: Zum | |
| einen bekommt MSC mit Metrans die Kontrolle über die Hinterlandverkehre und | |
| kann die Preise diktieren. Zum anderen wird durch den Deal eine | |
| Hafenallianz zwischen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven blockiert. | |
| Eine solche Allianz wäre entscheidend, um eine Gegenposition gegen die | |
| dominante Marktmacht der Reeder aufzubauen. | |
| Sie haben geschrieben, dass der Hafen Hamburgs Entwicklung zunehmend im | |
| Wege stehe. Wie das? | |
| Hamburg hat sich zu lange verlassen auf die natürlichen Standortvorteile | |
| des Hafens und Wissenschaft und Forschung vernachlässigt. Heute sind die | |
| natürlichen Standortvorteile weitgehend entwertet und Hamburg ist – vor | |
| allem im Vergleich mit den süddeutschen Städten – mit einer weit | |
| unterdurchschnittlichen Innovationskapazität konfrontiert. Erforderlich ist | |
| eine strategische Neuorientierung in Form einer Innovationsoffensive. Mit | |
| dem Hafenentwicklungsgebiet verfügt Hamburg über ein einmaliges Potenzial. | |
| Dieses innerstädtische, gut erschlossene Gebiet birgt mit seinen unter- und | |
| ungenutzten Flächen im östlichen und südlichen Bereich Räume für Reallabore | |
| und Experimentierfelder. Aber die Nutzung der potenziellen Innovationsräume | |
| ist gesetzlich blockiert. Das geltende Hafenentwicklungsgesetz erweist sich | |
| als ein Innovationsverhinderungsgesetz. Es verbannt alle | |
| nichthafenbezogenen Funktionen aus dem Hafengebiet. Es erlaubt nur | |
| ökonomische Aktivitäten, die dem Hafen ein Ladungsaufkommen sichern. All | |
| das, was man für eine Innovationsoffensive bräuchte – Flächen und Räume f… | |
| Forschungs- und Entwicklungslabore, Start-ups, Experimentierbauten, | |
| attraktive Nutzungsmischung – verbietet dieses Gesetz. Die Folge: eine | |
| hochgradige Unternutzung der Flächen mit vier bis fünf Beschäftigten pro | |
| Hektar. Es ist überfällig, dass das östliche Hafengebiet aus dem | |
| Hafenentwicklungsgesetz entlassen wird. Aber die Hafenwirtschaft, an die | |
| die Flächen spottbillig verpachtet sind, verteidigt den Status quo. Dabei | |
| haben wir einen unglaublichen Flächenmangel in Hamburg. | |
| Wenn es denn möglich würde, einen Teil des Gebiets durch eine | |
| Gesetzesänderung anders zu nutzen: Welche Zukunftsbranchen und | |
| -technologien könnten das sein? | |
| Es könnte ein Innovationshafen entstehen mit Reallaboren und | |
| Experimentierfeldern für die wirtschaftliche, technologische und soziale | |
| Transformation unserer fossilen Lebens- und Produktionsweise. Die zentralen | |
| Stichworte sind Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft, Digitalisierung und | |
| künstliche Intelligenz. Ein zentrales Themenfeld könnte der Komplex | |
| zirkuläres Bauen, postfossiles Wohnen und nachhaltige Quartiersentwicklung | |
| sein. Hamburg hat bereits große Expertise auf diesem Feld und hier besteht | |
| großer sozialer und ökonomischer Bedarf. Über das Konzept der Reallabore | |
| könnten mit spezieller Förderung und unter regulativen Sonderbedingungen | |
| Forschung, Entwicklung, Entwurf, Bau von Prototypen verknüpft werden. Im | |
| südlichen Bereich des Hafens könnte ein Cluster Erneuerbare Energien mit | |
| einem entsprechenden Forschungscampus entstehen. | |
| Was könnte sich im Hafen entwickeln? | |
| Ich stelle mir eine Zweiteilung des Hafens vor: Containerumschlag im | |
| Westteil und im Osten einen Innovationshafen, ähnlich wie ihn Rotterdam | |
| geschaffen hat. Rotterdam hat den Container- und Massengutumschlag aus der | |
| Stadt in Richtung See verlagert und innerstädtische Flächen in einen | |
| pulsierenden Innovationshafen transformiert. Zusammen mit Universitäten, | |
| Forschungsinstitutionen und Start-ups hat die Stadt ein sehr vitales | |
| Innovationsökosystem aufgebaut. Wenn wir nach Rotterdam schauen, sollten | |
| wir nicht nur nach dem Containerumschlag schauen, sondern vor allem auf | |
| diese Innovationsstrategien, von denen Hamburg einiges lernen könnte. | |
| 20 Mar 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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