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# taz.de -- Hamburger Hafenkrise: Eine Frage der Identität
> Hamburg kann nicht ohne Hafen – doch der steckt in der Krise. Wie sehr
> soll der Senat um Reedereien buhlen, damit die der Stadt treu bleiben?
Bild: Umschlagplatz in der Krise: Containerterminal Altenwerder
Hamburg taz | Dass sich gleich die ganze Stadt nur zu gern als „Tor zur
Welt“ ansprechen lässt, entspricht ja eigentlich nicht dem Klischee des
hanseatischen Understatements. Aber da ist nun mal das tolle Bildmotiv an
den Landungsbrücken, da fließt die Elbe so breit gen Nordsee, da stehen im
Hintergrund die hohen Kräne, an denen riesige Containerpötte halten – da
ist nun mal [1][der identitätsstiftende Hafen, an dem die ganze Welt die
Waren ab- und auflädt.]
Wie es also dem Hafen geht, das ist in Hamburg immer ein bisschen mehr als
trockene Wirtschaftspolitik. Schließlich: Hat Hamburg nicht seinen
vergangenen wie auch immer noch gegenwärtigen Reichtum vor allem seinem
Hafen zu verdanken?
Blöd also, dass sich der Hafen in einer Krise befindet, denn die
allerwichtigste Kennzahl ist in den vergangenen Jahren gesunken und
stagniert aktuell: Nur noch 7,8 Millionen Container wurden im vergangenen
Jahr umgeschlagen. Zu Spitzenzeiten kratzte die Zahl mal an den 10
Millionen – und soll sich den Plänen der Stadt nach eigentlich längst auf
dem Weg zur 12,5-Millionen-Marke bewegen.
Macht der rot-grüne Senat also die falsche Hafenpolitik? Ein Jahr ist es
nun her, dass Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in einer
Regierungserklärung klar machte, was er von all seinen Kritiker:innen
hält: Es sei „offenbar nötig“, auf die Bedeutung des Hafens für den
Hamburger Wohlstand hinzuweisen, „weil es immer wieder Vorschläge gibt, die
Bedeutung der maritimen Wirtschaft zurückzustufen, die Hafenflächen für
andere Dinge zu nutzen“, las Tschentscher den Abgeordneten die Leviten.
„Solche Vorschläge sind mutlos und erfolgen ohne Kenntnis der globalen
Entwicklungen. Sie schaden dem Hafen und unserer Stadt.“
## Umstrittene Teilprivatisierung
Anlass war der zuvor im Geheimen ausgehandelte MSC-Deal: Mit der
weltgrößten Reederei vereinbarte Tschentscher die Teilprivatisierung des
städtischen Hafenbetreibers HHLA, dem drei der vier Hamburger
Containerterminals gehören. Tschentscher erhofft sich frisches Geld für
Investitionen und eine Bindung der Reederei an Hamburg, um dem Hafen eine
Perspektive zu geben.
Ein Befreiungsschlag sollte der Deal werden. Doch kaum jemanden außerhalb
des rot-grünen Senats überzeugte er: Die Hafenarbeiter:innen
demonstrierten gegen den „Ausverkauf“ des Hafens, es kam zu wilden Streiks.
Auch die CDU stellte sich gemeinsam mit der Linksfraktion quer. Und in
parlamentarischen Anhörungen hagelte es [2][Kritik von
Wirtschaftsexpert:innen an dieser Jahrhundertentscheidung.]
Im Kern geht es schließlich um die Frage, wie sehr der Hamburger Hafen um
Containerreedereien buhlen oder sich gar an sie verkaufen soll, dass sie
ihre Container hier statt in Antwerpen, Rotterdam oder Wilhelmshaven
umschlagen. Und da ist der MSC-Deal der Höhepunkt einer langjährigen
Entwicklung: Unter Tschentscher wurde die neunte Elbvertiefung gegen
Widerstände durchgedrückt, damit Hamburg jedes noch so große
Containerschiff erreichen kann. Schon das war für Hamburg teuer.
## Eine andere Hafenpolitik ist nicht möglich
Und weil der Fluss ständig mit Schlick versandet, müssen schwimmende Bagger
pausenlos schaufeln, damit ihn die Containerschiffe mit ihrem hohen
Tiefgang befahren können. Für den Unterhalt und Ausbau der Infrastruktur –
der Hafenflächen, Kaimauern, Liegeplätze, Zufahrten und der Hafenbecken –
fließen dreistellige Millionenbeträge pro Jahr aus dem Hamburger Haushalt.
2023 ermöglichte die Stadt der [3][chinesischen Staatsrederei Cosco schon
den Einstieg bei einem Containerterminal] – was zur Hamburger Verwunderung
beinahe an einer sich entflammenden bundespolitischen Sicherheitsdebatte
über die heimische kritische Infrastruktur gescheitert wäre.
Ob es dem Hafen mit dem roten Teppich für die Reedereien in naher Zukunft
wieder gut gehen wird, er also weiter das Tor zur Welt bleibt, ist noch
offen. Eine andere Hafenpolitik, [4][eine Abkehr vom nahezu reinen
Containerumschlaghafen,] ist nun aber erst mal nicht mehr möglich:
Mindestens 40 Jahre lang bestimmt die Reederei MSC, die über liquide Mittel
von über 60 Milliarden Euro verfügen soll und damit das Dreifache des
Hamburger Landeshaushalts, nun im Hafen mit. Immerhin: Ein schönes
Bildmotiv bleibt der Hafen mit seinen Kränen, auch wenn noch weniger
Schiffe davor halten.
27 Feb 2025
## LINKS
[1] /Belegschaft-gegen-Privatisierung/!5996056
[2] /Streit-um-MSC-Einstieg/!6014919
[3] /Chinesischer-Konzern-im-Hamburger-Hafen/!5888553
[4] /Stadtforscher-ueber-Hamburger-Hafen/!5996055
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Wahl in Hamburg 2025
Hamburger Hafen
Kritische Infrastruktur
Schwerpunkt Stadtland
Schwerpunkt Stadtland
China
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