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# taz.de -- Streit um MSC-Einstieg: Kein sicherer Hafen für Hamburg
> Bei einer öffentlichen Anhörung hagelt es Kritik: Der geplante Einstieg
> der Reederei MSC im Hamburger Hafen gefährde nicht nur Arbeitsplätze.
Bild: Sind immer noch wütend: Hafenarbeiter protestieren vergangene Woche vor …
Hamburg taz | Eine Vielzahl von Einwänden gegen den geplanten Teilverkauf
des Hamburger Hafens und eine politische Befürchtung sind am Donnerstag bei
einer öffentlichen Anhörung der Hamburgischen Bürgerschaft vorgetragen
worden. Die Befürchtung: Die Abgeordneten, insbesondere der
Regierungsfraktionen von SPD und Grünen, könnten mögliche persönliche
Bedenken bei dieser Jahrhundertentscheidung der Koalitionsräson
unterordnen.
„Ist ein Jahr Machterhalt wichtiger als eine Weichenstellung für die
nächsten 40 Jahre?“, fragte der Ingenieur Ulrich Malchow. Die Bürgerschaft
soll noch vor der Sommerpause am 10. Juli über den sogenannten MSC-Deal
abstimmen. Die Anhörung war auf Antrag der Linken angesetzt worden.
Hamburgs Senatsspitze hatte im vergangenen September angekündigt, [1][sich
für den wichtigsten Umschlagbetrieb im Hafen die weltgrößte Reederei als
Partner zu holen]. Künftig soll die Schweizer MSC-Reederei 49,9 Prozent an
der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) halten, die Stadt 50,1 Prozent.
Der Senat erhofft sich dadurch frisches Geld für Investitionen und eine
Bindung der Reederei an Hamburg, um dem Hafen eine Perspektive zu geben.
Bisher gehören der Stadt knapp 70 Prozent der HHLA.
[2][Drei der vier Hamburger Containerterminals betreibt die HHLA]. Im
vergangenen Jahr wurden darüber 5,9 der insgesamt 7,7 Millionen
Standardcontainer in Deutschlands wichtigstem Hafen umgeschlagen – 7,5
Prozent weniger als im Jahr davor. Der Umschlag stagniert seit Jahren. Der
Senat befürchtet, dass der Hamburger Hafen von seinen Konkurrenten
abgehängt werden könnte.
## Ausgerechnet die SPD privatisiert
Die HHLA war bis 2007 komplett in Besitz der Stadt, ehe der damalige Senat
unter Ole von Beust (CDU) beschloss, rund 30 Prozent der Aktien in den
Streubesitz zu verkaufen. Den Einstieg einer Reederei hatte der Senat
bislang immer ausgeschlossen. Nur an einzelnen Terminals kam es in der
Vergangenheit zur Beteiligung von Reedereien. Für bundesweite Diskussionen
sorgte die [3][Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco am
HHLA-Containerterminal Tollerort].
Die in der Anhörung geäußerten Sorgen bezogen sich auf die Privatisierung
an sich und mögliche negative Folgen für die Beschäftigten. Es ging um die
Zukunft der betrieblichen Mitbestimmung, die Arbeitsplatzsicherheit und die
Enttäuschung darüber, dass ausgerechnet die SPD das Herzstück des Hafens
quasi aus der Hand geben werde.
Mit MSC hole sich die Stadt einen Partner ins Haus, der ein paar Nummern zu
groß für sie sei und sie dominieren könnte. Die Größe sei kein Vorteil,
sondern ein Nachteil für Hamburg. Zudem stärke der Senat die ohnehin schon
gewaltige Macht der großen Reedereien, indem er MSC den Zugriff auf das
HHLA-Bahnunternehmen Metrans verschaffe.
Claus Bunk, nach eigener Aussage 30 Jahre in der Transportberatung tätig,
wies darauf hin, das MSC wohl vor allem Interesse an dieser Bahntochter
habe, die Container vom Hafen weit ins Binnenland transportiert. „Durch
Metrans fahren fast keine LKW nach Tschechien“, sagte Bunk. MSC sei im
Begriff, in ganz Europa Bahnunternehmen zu kaufen und damit einen weiteren
Teil der Transportkette zu beherrschen. „Ich würde niemals die
Bahntransporte in die Hände eines Reeders geben“, sagte Bunk. „Das ist
tödlich.“
Ein Gewerkschafter warnte „aus beruflicher Erfahrung“, dass selbst eine
Stadt wie Hamburg einem Konzern wie MSC unterlegen sei. MSC verdiente im
gerade glänzenden Jahr Medienberichten zufolge 36 Milliarden Euro und
verfügt über liquide Mittel von 63 Milliarden. Hamburg plant 2024 mit
Einnahmen von 19 Milliarden. Die begrenzte Kompetenz der Hamburger
Verhandler habe sich etwa dabei gezeigt, dass sie geglaubt hätten, die
Immobilien der HHLA ohne Weiteres aus dem Deal ausnehmen zu können.
## Hamburg für MSC nur ein kleiner Fisch
Malchow argumentierte wie viele andere, dass MSC Metrans zu billig bekomme.
Die Zusage, in Zukunft eine Million MSC-Container bei der HHLA
umzuschlagen, sei letztlich nicht verbindlich. Dass Hamburg ein „Hub“, also
eine Umschlagdrehscheibe für MSC in Europa werden solle, sei nicht seriös,
denn MSC betreibe gar keine Hubs. Und die neue Zentrale in Hamburg gehe
bloß zu Lasten Bremens. Bei 70 Terminalbeteiligungen von MSC weltweit sei
Hamburg nur ein kleiner Fisch.
Christian Baranowski, Konzernbetriebsratsvorsitzender der HHLA, warnte,
dass, anders als vom Senat behauptet, die Mitbestimmung eben nicht erhalten
bleibt. Das liege daran, dass über der HHLA und ihrem
mitbestimmungspflichtigen Aufsichtsrat eine Beteiligungsgesellschaft
vorgesehen ist, in der nur der Senat und die MSC-Geschäftsführung das Sagen
haben. Mehrere Arbeitnehmervertreter wiesen darauf hin, das MSC die
Tarifverträge infrage stellen und die Arbeitsbedingungen verschlechtern
könne. [4][Betriebsbedingte Kündigungen] sind nur für fünf Jahre
ausgeschlossen.
Kleinaktionäre wiesen darauf hin, dass selbst das kleine bisschen Mitreden,
das der Besitz einer Aktie mit sich bringe, in Zukunft wegfalle, wenn alle
Aktien der Stadt und MSC gehören. „Ich appelliere an Ihr Gewissen, dass Sie
den Hafen nicht aus der Hand geben“, sagte Baranowski, an die Abgeordneten
gewandt.
Der ehemalige HHLA-Betriebsrat Gerd Müller warf der SPD eine Abkehr von
ihrem Standpunkt vor, die Stadt müsse beim Hafen Herr im eigenen Hause
bleiben. Im Übrigen könne er keine Strategie des Senats erkennen. Aus
seiner Sicht wäre die vielfach geforderte Kooperation der deutschen
Seehäfen eine Möglichkeit, der Macht der Reeder etwas entgegenzusetzen.
Senatsvertreter kamen bis Redaktionsschluss nicht zu Wort.
20 Jun 2024
## LINKS
[1] /Hamburg-will-Reederei-MSC-beteiligen/!5956838
[2] https://hhla.de/medien/news/detailansicht/konjunkturelle-gesamtwirtschaftli…
[3] /Umstrittene-Planung-fuer-Hamburger-Hafen/!5886028
[4] /Reeder-Einstieg-in-den-Hamburger-Hafen/!5992229
## AUTOREN
Gernot Knödler
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