Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Betriebsrats-Chef darf bleiben: Hafeninvestor MSC verliert Prozess
> Kommende Woche entscheidet Hamburg über den Teilverkauf des Hafens an die
> Großreederei MSC. Deren Tochterfirma scheiterte nun vor dem
> Arbeitsgericht.
Bild: Viel zu tun für Betriebsräte: Arbeitskampf bei Medrepair 2019
Hamburg taz | Bis vor zwei Monaten war Wjatscheslaw Fur formal noch als
Staplerfahrer bei Medrepair angestellt. Schon im April hatte ihn die auf
Containerreparaturen und -dienstleistungen spezialisierte Tochterfirma der
italienischen Großreederei MSC fristlos freigestellt – aus gesundheitlichen
Gründen. Seit dem 30. Juni erhält er wegen der folgenden Kündigung keinen
Lohn mehr.
Das ist brisant, denn Fur ist Betriebsratsvorsitzender. Er klagt nun gegen
die Entlassung, am Donnerstag fand die Verhandlung vor dem Hamburger
Arbeitsgericht statt. Dieses urteilte zugunsten von Fur.
Bereits vor der Verhandlung wirkt „Slawa“, wie ihn seine
Unterstützer*innen hier vor dem Gericht nennen, entschlossen. Er und
sein Anwalt Michael Sommer sind sich einig, dass das Urteil zu ihren
Gunsten ausgehen muss. „Der Arbeitgeber hat unserer Ansicht nach formale
Fehler bei der Kündigung gemacht und inhaltlich ist das Vorgehen auch mehr
als fragwürdig“, sagt Sommer.
Der Grund der Kündigung ist für Fur nicht nachvollziehbar: „Ich habe schon
länger gesundheitliche Probleme, wurde nach meinem Schlaganfall deshalb
innerhalb des Unternehmens woanders eingesetzt, wo es nicht so viel Stress
gibt.“ Auch der Betriebsarzt habe dem zugestimmt. Nach einiger Zeit wurde
ein neues Attest beantragt, Slawa ging zu einer anderen Ärztin. Das
Ergebnis war inhaltlich das Gleiche, aber die Wortwahl ein bisschen
stärker.
## Erst Attest, dann Freistellung
Danach ging alles ganz schnell: Am 10. April reichte Fur das neue Attest
ein, nach einem Gespräch wurde er direkt freigestellt und nach Hause
geschickt. Am gleichen Tag noch fand das regelmäßige Gespräch von
Mitarbeiter*innen mit den Führungspersonen statt, ohne ihn. Der
Betriebsrat, dessen Vorsitzender er ist, entschied über seine Kündigung,
diese fand er zwei Tage später in seinem Briefkasten.
Im Gericht möchte Anwalt Helmut Naujoks, der die hundertprozentige
MSC-Tochter Medrepair vertritt, noch mal für einen Vergleich werben: „Wir
sind dem Kläger schon entgegengekommen, indem wir die verhaltensbedingte
Kündigung zurückgezogen haben. Ich würde mich freuen, wenn das Gericht
einen Vergleichsvorschlag machen könnte.“ Die Gegenseite lehnt das
allerdings ab, sodass das Gericht keinen Sinn darin erkennt.
Mit Helmut Naujoks hat die Firma einen Anwalt beauftragt, dessen Position
in Arbeitnehmerfragen nicht klarer sein könnte: Ein von ihm
veröffentlichter Ratgeber trägt den Titel „Kündigung von ‚Unkündbaren�…
die Süddeutsche Zeitung bezeichnet ihn als „Rausschmeißer“.
Bei Fur hatte die Kündigung vorerst keinen Erfolg, am heutigen Freitag ab
sechs Uhr will er wieder arbeiten gehen. Und auch sein Betriebsratsmandat
möchte er wieder aufnehmen. „Ob ich wieder Vorsitzender werde oder nicht,
das werden wir sehen, aber ich freue mich, wieder arbeiten zu können.“ Denn
zu Hause sei ihm die Decke auf den Kopf gefallen und die anderen
Mitarbeiter*innen freuten sich schon auf ihren Kollegen. Bei der
letzten Wahl zum Betriebsrat habe er 41 von 56 Stimmen erhalten, berichtet
er der taz.
Für Lars Stubbe von der Gewerkschaft Ver.di ist es ein „Sieg auf ganzer
Linie“. Man wisse zwar noch nicht, ob das Gericht wegen der formalen Fehler
bei der Kündigung oder aufgrund der Einschätzung der gesundheitlichen
Atteste der Klage recht gegeben habe, aber das sei erst mal nebensächlich.
## Für MSC kommt das Urteil zeitlich ungelegen
MSC erklärt der taz, man habe das Urteil zur Kenntnis genommen, warte jetzt
auf die Begründung und verweist auf die Zustimmung der
Arbeitnehmervertreter zur Kündigung. Die Tochterfirma Medrepair wollte sich
nicht äußern.
In der kommenden Woche entscheidet die Hamburger Bürgerschaft, ob MSC 49,9
Prozent der Anteile an der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA)
übernehmen darf. Bisher besitzt die Stadt 70 Prozent und der Rest ist in
Streubesitz. Lars Stubbe und die anderen rund 30 Unterstützer*innen
von Fur machten am Donnerstag vor dem Gericht deutlich, was sie davon
halten: Nichts. „Es werden die gleichen Fehler gemacht wie damals bei der
Privatisierung der Krankenhäuser“, gibt ein älterer Mann zu bedenken.
Für Samstag (14 Uhr, Landungsbrücken) mobilisieren politische Gruppen und
Gewerkschaften zu einer Demonstration gegen den teilweisen HHLA-Verkauf an
MSC.
29 Aug 2024
## AUTOREN
Mika Backhaus
## TAGS
Arbeitskampf
Hamburger Hafen
Hamburg
Schifffahrt
Union Busting
Verdi
Gewerkschaft
Hamburger Hafen
Schifffahrt
Hamburger Hafen
IG Metall
## ARTIKEL ZUM THEMA
Teilverkauf des Hamburger Hafens: Ende der demokratischen Kontrolle
Die Reederei MSC darf im Hamburger Hafen einsteigen, das haben SPD und
Grüne am Mittwoch beschlossen. Doch die Entscheidung schadet der ganzen
Stadt.
Teilverkauf des Hamburger Hafens: Reedereien auf Shopping-Tour
Die Containerreederei MSC will von der Stadt Anteile am Hamburger Hafen
kaufen. Dagegen stemmt sich ein breites Bündnis mit einer Protestewoche.
Streit um MSC-Einstieg: Kein sicherer Hafen für Hamburg
Bei einer öffentlichen Anhörung hagelt es Kritik: Der geplante Einstieg der
Reederei MSC im Hamburger Hafen gefährde nicht nur Arbeitsplätze.
Autohändler feuert Betriebsrat: „Skandalöser Angriff“
Der Autohändler „Nord Ostsee Automobile“ hat dem Vorsitzenden des
Betriebsrats in Hannover gekündigt. Die IG Metall geht auf die Barrikaden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.