# taz.de -- Sorge vor Eskalation in Deutschland: Bangen und Zeichen setzen | |
> Mobilisierungsaufrufe der Hamas für Freitag beunruhigen die jüdische | |
> Community und Behörden. Hamas und Samidoun sollen in Deutschland verboten | |
> werden. | |
Bild: 150 Unterstützer der Hamas protestieren nach den Anschlägen in Israel a… | |
BERLIN taz | Die Ansage des früheren Hamas-Führers Chalid Maschal ist | |
deutlich. [1][Am Freitag solle die islamische Welt „auf die Straße“ gehen]. | |
Man wolle zeigen, dass man „Teil des Kampfes“ für Palästina sei, und eine | |
„Botschaft der Wut“ aussenden. Jetzt sei die Zeit, „mitzukämpfen“. Es … | |
ein Aufruf, der weiteren Terror gegen Israel befeuert – und der auch | |
hierzulande die jüdische Community und Sicherheitsbehörden in große Sorge | |
versetzt. | |
So wurde in der Community diskutiert, ob man aktuell Synagogen, besonders | |
an Shabbat, oder jüdische Einrichtungen besuchen sollte. Die Fußballvereine | |
[2][Makkabi Berlin] und Bad Segeberg setzten ihren Spielbetrieb aus. Der | |
Zentralrat der Juden warnte, dass in sozialen Medien zu Gewalt gegen | |
jüdische Einrichtungen am Freitag aufgefordert werde. Es bestehe eine | |
„abstrakt erhöhte Gefährdungslage“ und mindestens die Gefahr von | |
Trittbrettfahrern. Die Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen | |
seien „erneut hochgefahren worden“, man sei im ständigen Austausch mit | |
Sicherheitsbehörden. Beide Seiten unternähmen „alles Mögliche, um die | |
Sicherheit zu gewährleisten“. | |
Auch ein Sprecher des Bundeskriminalamts sagte am Donnerstag der taz, die | |
Entwicklungen in Israel seien geeignet, „eine hohe Gefährdungsrelevanz auf | |
die Sicherheitslage in Deutschland zu entfalten“. Neben Demonstrationen mit | |
Unmutsbekundungen sei auch mit Sachbeschädigungen an oder nahe von | |
israelischen Einrichtungen zu rechnen. | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) tauschte sich zuletzt dazu mit den | |
InnenministerInnen der Länder aus. „Wir haben den [3][Schutz jüdischer und | |
israelischer Einrichtungen] bundesweit weiter verstärkt“, erklärte sie am | |
Donnerstag. Die Sicherheitsbehörden seien seit Beginn der | |
Hamas-Terrorangriffe auf Israel sehr sensibilisiert. | |
## Länder erhöhen Sicherheitsmaßnahmen | |
Der Umgang mit den Protesten und der Schutz jüdischer Einrichtungen ist | |
letztlich Ländersache. So ordnete in NRW Innenminister Herbert Reul (CDU) | |
höhere Schutzmaßnahmen vor jüdischen Gemeinden an. „Wir bleiben wachsam und | |
zeigen Präsenz“, erklärte Reul. Die Beunruhigung der jüdischen | |
Mitbürger:innen nehme man „sehr ernst“. | |
Auch Berlins [4][Polizeipräsidentin Barbara Slowik] sprach von einer | |
erwartbaren Zuspitzung der Konflikte in der Hauptstadt und der | |
„schwierigsten Phase ihrer Amtszeit“. Der Schutz jüdischer Einrichtungen | |
werde nochmal verstärkt. Die Berliner Versammlungsbehörde [5][verbot am | |
Donnerstag zudem erneut antiisraelische Aufzüge]. Verwiesen wurde auf die | |
Gefahr für die öffentliche Ordnung und die Erfahrungen aus früheren | |
Protesten. Auch in anderen Bundesländern kam es zu Verboten von | |
antiisraelischen Demonstrationen. | |
Ein Sprecher von Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte der taz, | |
die Schutzmaßnahmen für jüdische und israelische Einrichtungen in Berlin | |
seien noch einmal „unmittelbar deutlich erhöht“ worden. Berlinweit seien | |
sämtliche Polizeikräfte für die Lage sensibilisiert. Streifenfahrten an | |
gefährdeten Objekten wurden verstärkt, zudem verdeckte Aufklärungen und | |
„brennpunktorientierte Raumschutzmaßnahmen“ gestartet. | |
## Verbote der Hamas und Samidoun angekündigt | |
[6][Bundeskanzler Olaf Scholz] nannte es am Donnerstag „abscheulich“, dass | |
auf deutschen Straßen der Terror der Hamas gefeiert worden sei. Das werde | |
man „nicht tatenlos hinnehmen“. Er kündigte an, dass sowohl die Hamas als | |
auch die Gruppe [7][Samidoun], die zuletzt die Terrorangriffe auf Israel | |
bejubelt hatte, verboten werden sollen. „Unser Vereinsrecht ist ein | |
scharfes Schwert. Und dieses Schwert werden wir als starker Rechtsstaat | |
hier ziehen“, erklärte Scholz. Die Verbote waren [8][bereits seit Tagen | |
gefordert worden]. | |
Ein Sprecher von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bestätigte der | |
taz: „Das Bundesinnenministerium wird ein Betätigungsverbot für die Hamas | |
in Deutschland erlassen.“ Die Gruppe ist bereits von der EU als | |
Terrororganisation eingestuft und wird in Deutschland von Gerichten als | |
ausländische terroristische Vereinigung bewertet. „Das Betätigungsverbot | |
wird ein weiterer Schritt sein, um jegliche Aktivitäten in Deutschland zu | |
unterbinden“, erklärte der Sprecher. | |
Samidoun habe wiederum „auf widerwärtige Weise in Berlin den Terror der | |
Hamas verherrlicht“ und werde deshalb verboten, führte der Sprecher weiter | |
aus. Beide Verboten würden „sehr intensiv vorbereitet“ und | |
„schnellstmöglich“ vollzogen. Zum Zeitpunkt und der konkreten operativen | |
Umsetzung könne man im Vorfeld keine Informationen erteilen. | |
Faesers Sprecher betonte, dass „gerade wir in Deutschland eine besondere | |
Verantwortung haben, Bedrohungen gegenüber Jüdinnen und Juden und gegenüber | |
dem Staat Israel mit aller Konsequenz zu verfolgen und zu unterbinden“. | |
Dies gelte „angesichts der entsetzlichen Terrorangriffe der Hamas auf die | |
israelische Bevölkerung jetzt noch einmal mehr“. | |
## Kleine, aber umtriebige Gruppe | |
Die Hamas war in Deutschland bisher nicht verboten, weil sie hierzulande | |
keine feste Vereinsstruktur besitzt. Der Verfassungsschutz rechnet der | |
Gruppe in Deutschland rund 450 Unterstützer:innen zu. Die | |
Bundesrepublik werde von der Hamas vor allem als Rückzugsraum betrachtet | |
und für Spendensammlungen oder die Rekrutierung neuer AnhängerInnen | |
genutzt. Mit dem Betätigungsverbot sollen diese Aktivitäten nun unterbunden | |
werden. Auch die [9][Hisbollah war so 2020 in Deutschland mit einem | |
Betätigungsverbot belegt] worden. | |
Auch [10][Samidoun ist kein fester Verein] und soll nur wenige dutzend | |
Aktivisten haben. Die aber sind sehr umtriebig. Die Gruppe hatte bereits | |
kurz nach Beginn der Hamas-Angriffe auf Israel in Berlin-Neukölln Baklava | |
an Passanten verschenkt – und dies auf Social-Media-Kanälen als „Feier des | |
Sieges des Widerstands“ begründet. Die Terrorattacken der Hamas bejubelte | |
die Gruppe: „Der Widerstand erhebt sich“. | |
Zuletzt hatte die Gruppe in verschiedenen Städten zu weiteren | |
antiisraelischen Protesten aufgerufen – die teils verboten wurden. Dennoch | |
versammelten sich Sympathisierende mit den Hamas-Terrorangriffen auf den | |
Straßen. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte zuletzt erklärt, | |
man stehe mit dem Bundesinnenministerium zur Verbotsfrage von Samidoun in | |
Kontakt. Der Berliner Verfassungsschutz hatte die Gruppe schon länger unter | |
Beobachtung, zuletzt soll auch das Bundesamt gefolgt sein. | |
Samidoun wurde 2011 in den USA gegründet und unterstützt palästinensische | |
Gefangene in israelischen Gefängnissen. Auf Kundgebungen wurde aber | |
wiederholt auch die Beseitigung Israels gefordert. Das Netzwerk ist mit der | |
Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) verbandelt, die von | |
Sicherheitsbehörden als terroristisch eingestuft wird. Zumindest in Israel | |
gilt auch Samidoun selbst als terroristisch. | |
Inzwischen ermittelt auch die [11][Bundesanwaltschaft gegen die Hamas]. | |
Dies allerdings wegen der Tötungen und Entführungen auch von deutschen | |
StaatsbürgerInnen durch die Gruppe bei deren Terrorangriffen in Israel. | |
Nach taz-Informationen ist den Behörden bisher eine mittlere einstellige | |
Zahl von deutschen Entführten bekannt. | |
Aktualisiert um 17.15 Uhr am 12. Oktober 2023 | |
12 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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