| # taz.de -- Jüdischer Turn- und Sportverband Makkabi: Sie wollen spielen | |
| > Nach den Angriffen in Israel herrscht bei Makkabi Unsicherheit. Die | |
| > insgesamt 37 Sportvereine des Verbandes trainieren unter verstärktem | |
| > Schutz. | |
| Bild: Unbeschwertere Zeiten: Vor wenigen Monaten feierte Makkabi Berlin den Fin… | |
| Seit dem [1][Angriff der radikalislamistischen Hamas] auf Israel am | |
| vergangenen Wochenende, bei dem 1.300 jüdische Israelis getötet wurden, | |
| herrscht auch beim jüdischen Turn- und Sportverband Makkabi Deutschland | |
| Fassungslosigkeit. | |
| „Es ist ein Zustand der Leere“, sagt Präsident Alon Meyer am Telefon, | |
| hörbar um Worte ringend. „Man funktioniert nur noch.“ Zu Makkabi | |
| Deutschland gehören insgesamt 37 Sportvereine, über 5.000 Mitglieder sind | |
| in ihnen organisiert. Ihr Präsident spricht wohl für viele von ihnen, wenn | |
| er sagt: „Man ist tief erschüttert, man ist entsetzt, man ist sauer, aber | |
| ein Stück weit fühlt man sich auch hoffnungslos.“ | |
| Eines der Mitglieder ist [2][Dervis Hızarcı]. Der 40-Jährige spielt seit | |
| über acht Jahren Fußball für TuS Makkabi Berlin und hat in dieser Zeit 80 | |
| Tore geschossen, wie er nicht ohne Stolz erzählt. Der Sohn einer türkischen | |
| Gastarbeiterfamilie ist in Neukölln aufgewachsen und seit 2015 | |
| Vorstandsvorsitzender der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus. | |
| Auch darüber hinaus engagiert er sich gegen Diskriminierung und Rassismus. | |
| Im Gespräch mit der taz sagt er: „Wir haben in Deutschland viele Menschen, | |
| die mit der Hamas sympathisieren.“ Dass diese Sympathie auch nach dem | |
| letzten Wochenende nicht nachgelassen habe, lasse für ihn nur einen Schluss | |
| zu: „Für jüdische Menschen in Deutschland kann es potenziell sehr | |
| gefährlich werden.“ | |
| ## Die Gefahr, ein jüdischer Sportverein in Deutschland zu sein | |
| Überall im Land verstärken Behörden dieser Tage ihre | |
| Sicherheitsvorkehrungen, der Zentralrat der Juden teilte mit, in den | |
| sozialen Netzwerken gebe es zahlreiche Gewaltaufrufe gegen jüdische | |
| Einrichtungen. Am vergangenen Wochenende führte auch diese konkrete | |
| Bedrohungslage dazu, dass Makkabi Berlin seinen gesamten [3][Spielbetrieb | |
| absagte]. | |
| Die Berliner Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) versicherte dem Verein | |
| „tiefe Solidarität und Unterstützung“. Die Entscheidung könne sie sehr g… | |
| nachvollziehen: „Menschen jüdischen Glaubens müssen sicher in Berlin leben | |
| können.“ Im Jahr 2022 kam es in der Hauptstadt täglich im Schnitt zu mehr | |
| als zwei antisemitischen Vorfällen. | |
| „In Deutschland ist es [4][insbesondere beim Fußball] gefährlicher, ein | |
| jüdischer Sportverein zu sein als ein nichtjüdischer“, sagt Präsident Alon | |
| Meyer. „Weil man mit dem stilisierten Davidstern auf der Brust aufläuft.“ | |
| Hızarcı, der langjährige Makkabi-Torjäger und Kämpfer gegen Antisemitismus, | |
| erzählt, er habe in seiner ersten Saison „die schrecklichsten Erfahrungen | |
| gemacht. Da kam es nicht nur zu Rangeleien, sondern zu Gewaltausbrüchen“. | |
| Beide Teams aus Neukölln und Wedding seien muslimisch geprägt gewesen, was | |
| aber nicht darüber hinwegtäuschen dürfe, dass antisemitische Gefahr auch | |
| sehr stark von rechts ausgeht: „Es gibt immer wieder Angriffe auf Jüdinnen | |
| und Juden. Sie fühlen sich nicht sicher.“ | |
| ## „Wir möchten uns dieser Entwicklung nicht ergeben“ | |
| Bei Makkabi Berlin soll der sportliche Betrieb an diesem Wochenende | |
| zumindest teilweise wiederaufgenommen werden. Gegenüber der taz erklärt der | |
| Berliner Fußballverband (BFV), dass die Spiele der erwachsenen Teams | |
| planmäßig stattfinden, wenngleich das Pokalspiel der zweiten Mannschaft | |
| gegen Anadoluspor Berlin als „gefährdet“ eingestuft worden sei. Wieso, kann | |
| der BFV-Sprecher am Telefon nicht sagen. Die Jugendfußballspiele wurden | |
| erneut abgesagt. | |
| Der Verein bestätigt am Donnerstagabend in einer Pressemitteilung, dass, | |
| wie schon die gesamte Woche, unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen | |
| trainiert und gespielt werde. Auch die Mannschaft von Dervis Hızarcı wird | |
| am Wochenende auf dem Platz stehen: „Alle wollen spielen“, betont er. „Wir | |
| möchten uns dieser Entwicklung nicht ergeben, sondern selbstbewusst und | |
| selbstverständlich leben.“ Also auch: Fußball spielen. | |
| Bei Weitem nicht alle Sportler:innen und Mitglieder der Makkabi-Vereine | |
| sind jüdisch, sondern nur etwa 20 Prozent. In dem Kader der ersten | |
| Mannschaft von Makkabi Berlin sind es Fußballer aus elf Nationen, darunter | |
| ein Israeli und ein Iraner. Was für das halbprofessionelle Oberligateam aus | |
| Berlin gilt, ist deutschlandweit Normalität: Bei Makkabi kommen Menschen | |
| aus der ganzen Welt und mit diversen Glaubensrichtungen zusammen, um | |
| gemeinsam Sport zu treiben. | |
| ## Hitlergruß bei A-Jugend-Spiel | |
| Immer wieder kommt es bei Spielen und Wettkämpfen zu antisemitischer | |
| Gewalt, physisch wie verbal. Für Entsetzen hatte etwa ein [5][Fall im | |
| November letzten Jahres] gesorgt, als bei einem Fußballspiel der A-Jugend | |
| von Makkabi Berlin gegen Hertha 06 ein gegnerischer Spieler den Hitlergruß | |
| gezeigt und sich ein anderer schwer antisemitisch geäußert haben soll. Das | |
| Sportgericht sperrte die beiden und den Vereinsvorsitzenden für zwei Jahre. | |
| Sie hatten sich von einem Zuschauer mit Israel-Flagge provoziert gefühlt. | |
| Dervis Hızarcı sagt, dass die vergangenen sieben Jahre, nach den beiden | |
| Vorfällen gleich in seiner ersten Saison, „relativ friedlich“ verlaufen | |
| seien. Angesichts der aktuellen Lage wünscht er sich nun von den anderen | |
| Vereinen vor allem eines: „Dass sie sich solidarisch zeigen mit Jüdinnen | |
| und Juden. Ich wünsche mir, dass sie auf Makkabi zugehen und zeigen, dass | |
| Antisemitismus und Rassismus hier keinen Platz haben.“ | |
| Das könne durch einen Social-Media-Post geschehen, einen Brief oder in der | |
| direkten Begegnung. Hızarcı erklärt: „Wenn wir es schaffen, uns als | |
| Berliner Fußballgemeinschaft im Blick zu behalten und mitfühlend zu sein, | |
| dann brauchen wir keinen Polizeischutz und müssen uns keine Sorgen um | |
| Gewalt oder Eskalation machen.“ | |
| Berolina Stralau tut genau das. Auf seiner Website [6][schreibt der | |
| Verein], auf den die Fußballmannschaft von Makkabi Berlin an diesem | |
| Sonntag im Pokal trifft: „We stand with you, Israel! Wir stehen an Eurer | |
| Seite, liebe Sportfreund*innen von Makkabi Berlin!“ | |
| 14 Oct 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Angriff-auf-Israel/!5962688 | |
| [2] /Ueber-deutsche-Geschichte-und-Sufismus/!5603413 | |
| [3] /Islamismus-und-Fussball/!5962550 | |
| [4] /Antisemitismus-im-Fussball/!5962091 | |
| [5] /Judenhass-im-Jugendfussball/!5895082 | |
| [6] https://www.berolina-stralau.de/2023/10/11/westandwithisrael/ | |
| ## AUTOREN | |
| David Kulessa | |
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