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# taz.de -- Schuldenbremse: Lob des Opportunismus
> Der Deal zwischen Union und SPD ist schmutzig und kostet Merz
> Glaubwürdigkeit. Aber um eine politische Blockade zu verhindern, war er
> unumgänglich.
Bild: Kommen sich näher: Söder und Merz von der Union, Klingbeil und Esken vo…
Ja, man kann den schwarz-roten Finanzdeal falsch, schräg, widersprüchlich
finden. Friedrich Merz verrät sehr viel von dem, was er im Wahlkampf
versprochen hatte. Und ja: Anstatt die Grünen mit einzubeziehen, scheint
Merz die grüne Zustimmung dreist erpressen zu wollen. Noch schwerer wiegt:
[1][Diese Entscheidung] wird die nächsten zehn Jahre prägen. Sie aus Not
mit dem alten Bundestag durchzusetzen, ist für die Demokratie ein dreckiger
Deal.
Und: Die Begründung von Merz, dass [2][der Eklat] zwischen US-Präsident
Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskyj im Weißen
Haus der Drehpunkt war, der alles veränderte, ist unglaubwürdig. Die
zentrale Veränderung ist: Merz kann nicht mehr den Schuldenbremsen- und
Steuersenkungsfundi geben, weil er eine Regierung bilden und einen Haushalt
vorlegen muss.
All das ist wahr. Aber es nicht das Wesentliche, denn das Bild ist größer.
Ob es die Nato weiter gibt, ist fraglich. Die Ukraine braucht mehr
Unterstützung. Europa muss sich aus der vielfachen Sicherheitsabhängigkeit
von den USA lösen. Für diesen Prozess gibt es keine Blaupause. Sicher ist,
dass er teuer wird und [3][nur mit Schulden finanzierbar] ist. Das Geld für
Verteidigung nach oben unbegrenzt zu lassen, ist nachvollziehbar. Wie
schnell und abrupt die Nato zerfällt, wie massiv Deutschland reagieren
muss, ist ja offen.
Kurzum: Ohne diesen Deal würde die Union-SPD-Regierung in einem
weltpolitisch eher ungünstigen Moment höchstwahrscheinlich scheitern. Oder
sie würde zu einer Art Ampel 2.0 werden und an unlösbarem Dauerzoff um Geld
verenden. Dieser Deal ist schmutzig und ramponiert die Glaubwürdigkeit der
Union. Aber er ist nötig, weil sonst eine politische Blockade droht. Oder
Schlimmeres.
## Trump befreit Merz aus der Schuldenbremsen-Doktrin
Es gibt in der Union Figuren wie Jens Spahn, die maliziös lächelnd mit der
schwarzblauen Alternative zur Regierung mit der SPD liebäugeln. Die Union
scheint aber doch gefeit gegen die Idee zu sein, ein neues
transatlantisches Bündnis à la J. D. Vance einzugehen – als Mixtur von
Unterwerfung unter Trump und antidemokratischem Rechtspopulismus.
Merz streift mit diesem Move das Kostüm des antilinken Kulturkämpfers aus
dem Wahlkampf ab und scheint das Kokettieren mit dem Disruptiven zu
beenden. Der Kanzler in spe folgt vielmehr zwei erprobten, ungeschriebenen
Gesetzen der pragmatischen bundesdeutschen Kompromisskultur.
Erstens: In schwarz-roten Koalitionen darf die Union regieren, aber das
Programm schreibt die SPD. Das Copyright auf die 500 Milliarden Euro für
die Infrastruktur hat die SPD. Es ist nötig, um die marode Infrastruktur zu
retten. Und es ist eine Wachstumsinitiative aus dem Geist des
Keynesianismus.
Und: Merz ist ein Schüler von Konrad Adenauer. Der soll mal präzise das
Grundgesetz christdemokratischer Politikauffassung so zusammengefasst
haben: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern. Nur mit dieser
postideologischen Flexibilität lässt sich die Schuldenbremse, ein
überflüssiger Klotz am Bein demokratischer Politik, beseitigen. Die Grünen
werden dem zustimmen, nicht aus Anpassung, sondern weil viel von dem, was
Merz jetzt vertritt, wie ein Zitat aus dem Wahlkampf von Robert Habeck
klingt.
Zugespitzt kann man sagen: Donald Trump befreit die Union aus dem selbst
gebauten Gefängnis ihrer Schuldenbremsen-Doktrin. Das ist, in einer an
Seltsamkeiten nicht armen Lage, wirklich bizarr.
5 Mar 2025
## LINKS
[1] /Wendemanoever-durch-Merz/!6073854
[2] /Ukraines-Praesident-in-Washington/!6072965
[3] /Unionsvorstoss-fuer-Sondervermoegen/!6070157
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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